"Kindermütter". Als Minderjährige schwanger
Weltweit betrachtet ist aber auffällig, dass die meisten minderjährigen Schwangeren und jugendlichen Mütter in ländlichen Gebieten und in Familien aufwachsen, die unter Armut leiden. In Entwicklungsländern haben die meisten Kindermütter eine vergleichsweise geringere Schulbildung als ihre Altersgenossen, die erst später Nachwuchs bekommen. In Deutschland wie in allen nordwesteuropäischen Staaten werden, statistisch gesehen, verhältnismäßig wenige Mädchen im Alter zwischen 12 und 18 Jahren schwanger, immerhin sind es jährlich etwa 20 000. Das sind drei Prozent aller Mädchen unter 18 Jahren oder acht bis neun von 1000 Frauen. Fünf von 100 000 Mädchen sind sogar erst 13 Jahre alt, wenn sie schwanger werden. In der Gruppe der Mädchen im Alter bis einschließlich 17 Jahre ist ein stetiger und deutlicher Anstieg der Lebendgeburten zu beobachten. Diese Zunahme fällt bei den Jüngsten am deutlichsten aus.
Hauptschülerinnen werden häufiger schwanger als Gymnasiastinnen. Letztere entscheiden sich öfter für einen Schwangerschaftsabbruch. Haupt- und Realschülerinnen tragen ihr Kind häufiger aus. Offenbar sehen die jungen Frauen mit niedrigerem Schul- und Ausbildungsabschluss in der Mutterschaft einen Zuwachs an gesellschaftlicher Anerkennung. Nicht wenige minderjährige Mütter stammen aus Familien, in denen sie Vernachlässigung, Scheidung der Eltern und Alkoholismus erfahren haben. Mädchen, deren Mütter bei der Geburt noch sehr jung waren, neigen überproportional häufig dazu, selbst noch als Jugendliche Kinder zu bekommen. Auf junge Mädchen, die auf der Straße leben, treffen sämtliche Merkmale zu, die das Risiko früher und problematischer Schwangerschaft erhöhen: Armut, Gewalt, mangelnde Schulbildung, Lebenskrisen, Missbrauch, fehlende Aufklärung und unzureichende Gesundheitsfürsorge. Frühe Schwangerschaften. Bevölkerungsstatistik Seit Mitte der siebziger Jahre des letzten Jahrhunderts geht weltweit das Bevölkerungswachstum zurück. Dies hat in einigen Ländern dazu geführt, dass staatliche Maßnahmen ergriffen werden, um gegenzusteuern. In manchen Gegenden wie zum Beispiel in den andinen Ländern Lateinamerikas ist das Bevölkerungswachstum zwischen 1975 und 2005 um ein Drittel gesunken. In dieser Zeit fiel die Zahl der minderjährigen Mutterschaften nur um 6 Prozent. In manchen Ländern nahm sie sogar zu. Lebten 1950 noch 2,5 Milliarden Menschen auf der Welt, sind es heute etwa 6,8 Milliarden, und die Prognosen des Department of Economic and Social Affairs (UN/DESA) reichen von 8,0 bis 10,5 Milliarden Menschen für das Jahr 2050. In vierzig Jahren dürfte die Bevölkerungszahl mindestens bei 9,15 Milliarden liegen. Nachdem die Anzahl der Menschen über Jahrtausende beständig gestiegen ist, wird sich der Trend nach mittleren Entwicklungsprognosen des UN/DESA etwa ab 2070 umkehren. Bis dahin wird die Weltbevölkerung bei insgesamt sinkenden Wachstumsraten weiterhin zunehmen. Die mittlere Entwicklungsprognose des UN/DESA geht davon aus, dass die weltweite Geburtenhäufigkeit von 2,56 Kindern (2005 - 2010) auf 2,02 Kinder pro Frau (2045 - 2050) sinken wird. Die absolute Zahl der Menschen, die in den ökonomisch am wenigsten entwickelten Staaten leben, wird sich zwischen 2005 und 2050 von 762 Millionen auf 1,67 Milliarden mehr als verdoppeln. In Afghanistan, Burkina Faso, Niger, Somalia, Timor und Uganda wird die Bevölkerungszahl in diesem Zeitraum um mindestens 150 Prozent zunehmen. Neun Staaten sind für die Hälfte des zu erwartenden Bevölkerungswachstums verantwortlich: Indien, Pakistan, Nigeria, Äthiopien, USA, Demokratische Republik Kongo, Tansania, China und Bangladesch (sie sind hier in der Reihenfolge ihres absoluten Anteils an der Bevölkerungszunahme aufgelistet). In allen ökonomisch entwickelten Staaten lag die Zahl der Geburten im Zeitraum von 2005 bis 2010 niedriger, als es für die Reproduktion der Bevölkerung erforderlich wäre. Liegt die Geburtenhäufigkeit in den reichen Ländern gegenwärtig im Durchschnitt bei 1,64 Kindern pro Frau, so wird für den Zeitraum bis 2050 eine leichte Steigerung auf 1,80 erwartet. In den Entwicklungsländern beläuft sich die Geburtenhäufigkeit gegenwärtig auf durchschnittlich 4,39 Kindern pro Frau. Entsprechend der mittleren Entwicklungsprognose wird Indien nach 2025 China als bevölkerungsreichstes Land ablösen. Im Jahr 2050 werden, der Schätzung zufolge, rund 1,42 Milliarden Menschen in China und rund 1,61 Milliarden Menschen in Indien leben.
Jugendalter In der Jugendphase erleben Mädchen tiefgreifende körperliche und seelische Veränderungen, die erste Menstruation, das Wachstum der inneren und äußeren Genitalien. Sie erfahren sexuelle Wünsche in neuer Intensität und Qualität. Für sie beginnt jetzt der Prozess der Auseinandersetzung mit dem Thema Fruchtbarkeit, der Möglichkeit also, schwanger zu werden und Kinder zu gebären. Das zentrale Thema der Jugend oder Adoleszenz ist das der Identitätsfindung, der Selbstwahrnehmung, Selbstbewertung und Selbstreflexion. Jugendliche sind auf dem Weg der Entwicklung und Ausprägung intellektueller und sozialer Kompetenzen. Sie sollen dereinst ein selbständiges Dasein innerhalb der Gesellschaft führen und ihr Überleben eigenständig meistern können. In Auseinandersetzung mit den äußeren Lebensbedingungen, sozialen Leitbildern und Rollen, den herrschenden Geschlechterstereotypen und zur Verfügung stehenden Familienmodellen entwickeln sie ihren Lebensplan. Heute streben die meisten Mädchen zumal in Mitteleuropa danach, sowohl einen Beruf auszuüben wie eine Familie zu haben.
Unkenntnis und Fehler bei der Verhütung führen zu ungeplanten und unerwünschten Schwangerschaften. Naturgemäß ist ein großer Teil der Schwangerschaften Minderjähriger ungewollt. Heute entschließen sich bedeutend mehr jugendliche Schwangere abzutreiben, als ihr Kind auszutragen. Dies belegt, dass frühe Schwangerschaften häufiger ungewollt sind. Die Zahl der offiziell gemeldeten Schwangerschaftsabbrüche bei deutschen Jugendlichen hat in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Der Anstieg betrug zwischen 1998 und 2002 bei Mädchen im Alter bis 17 Jahre 33 Prozent. In derselben Zeit gingen die Abbrüche von Schwangerschaften in Deutschland insgesamt um 1,1 Prozent zurück. Schwangerschaftsabbrüche von Minderjährigen laufen also wie die Zahl der Geburten Jugendlicher der gesamtgesellschaftlichen Tendenz entgegen. Abbrüche und Geburten, die insgesamt gesehen abnehmen, steigen in der Gruppe der Minderjährigen an.
Schwangerschaften Minderjähriger unter den ärmsten Bevölkerungsschichten in den Ländern Lateinamerikas und anderen Entwicklungsländern sind angeblich zum Großteil gewollt. Jugendliche in armen Schichten und ohne Schulausbildung, die früher als Gleichaltrige in besseren Lebensbedingungen sexuell aktiv werden, benutzen seltener Verhütungsmittel. In Ecuador zum Beispiel verhüten lediglich 13,5 Prozent der Jugendlichen beim ersten Sexualverkehr, in Chile sind es 54,8 Prozent, in Venezuela 50 Prozent. Die Wahrscheinlichkeit einer Totgeburt ist bei Schwangeren in jungen Jahren größer als bei erwachsenen Frauen. Ihr Anteil beträgt bei Volljährigen etwa 0,4 Prozent. Bei 17- bis 19-Jährigen nimmt die Rate leicht, bei jüngeren Mädchen stark zu. Bei Kindermüttern im Alter von 14 Jahren machen Totgeburten sogar bis zu 0,9 Prozent aus.
In den sechs Andenländern - Bolivien, Chile, Ecuador, Kolumbien, Peru und Venezuela - leben zur Zeit 28,8 Millionen Menschen im Kindes- und Jugendalter. Über 20 Prozent der gesamten Bevölkerung sind Kinder, weitere 20 Prozent Jugendliche. Die Hälfte der Jugendlichen ist 10 bis 14 Jahre, die andere Hälfte 15 bis 19 Jahre alt. 51 Prozent der Jugendlichen sind männlich, 49 Prozent weiblich. Von 7 Millionen weiblichen Jugendlichen im Andenraum im Alter zwischen 15 und 19 Jahren sind über eine Million schwanger oder bereits Mütter, das sind etwa 18 Prozent. Die meisten schwangeren Mädchen gibt es in Venezuela, Kolumbien und Ecuador. Weniger häufig kommen Schwangerschaften Minderjähriger in Peru, Bolivien und Chile vor. In einigen Gebieten gehören junge Mutterschaften zur herrschenden Kultur, so unter der indianischen Bevölkerung in Bolivien und Ecuador. Während das Bevölkerungswachstum in allen sechs Andenländern zurückgeht, bleibt die Zahl der Mutterschaften Minderjähriger gleich, nimmt nur geringfügig ab oder zum Teil sogar zu. Die Fruchtbarkeit Jugendlicher betrifft stärker Mädchen als Jungen. Die meisten Kinder von minderjährigen Müttern haben erwachsene Väter. In Peru zum Beispiel kommt auf 10 Mütter eine Minderjährige, aber auf 50 Vaterschaften nur eine eines männlichen Jugendlichen. Häufig sind die Schwangerschaften Minderjähriger ungewollt. In Bolivien, Kolumbien und Peru schätzt man die ungeplanten Schwangerschaften Minderjähriger auf bis zu 70 Prozent. Die Gründe dafür sind vor allem fehlendes Wissen um Sexualität und Fruchtbarkeit, mangelnde Information über Empfängnisverhütung, kein Zugang zu Verhütungsmitteln, kaum entwickeltes Bewusstsein von den Folgen und mangelnde Kommunikation zwischen den Partnern. Nicht selten gehen Schwangerschaften auf sexuellen Missbrauch und Inzest zurück. Kindermütter in Kolumbien In Kolumbien wächst die Anzahl jugendlicher Mütter. Jahr für Jahr werden durchschnittlich 6000 bis 7000 Kinder geboren, deren Mütter noch Kinder sind. Allein in der Hauptstadt Bogotá sind es zwischen 600 und 700. Vor 30 Jahren machten Geburten Minderjähriger noch 7 Prozent aller Geburten aus. 1990 waren es 12 Prozent, 2005 bereits 19 Prozent. Rechnet man sämtliche Schwangerschaften einschließlich der Totgeburten und der Abtreibungen mit ein, so kommt man leicht auf über 20 Prozent Minderjährigengeburten (vgl. Carmen Elisa Flórez et al.: Fecunidad adolescente y desigualdad en Colombia y la Región de América Latina y el Caribe, Santiago de Chile 2006). Demnach hat sich Zahl der Geburten Minderjähriger während der letzten 15 Jahre um 60 Prozent, die der Schwangerschaften um 70 Prozent erhöht. Die Kindermütter wohnen zum größten Teil in den ärmsten Gebieten der Stadt, in der kolumbianischen Hauptstadt sind dies u.a. Bosa, Engativá und der Slumgürtel Ciudad Bolívar.
Untersuchungen in Kolumbien wie in anderen lateinamerikanischen Ländern zeigen, dass das Phänomen der minderjährigen Mütter häufig mit drei Merkmalen verbunden ist: 1. Die meisten Kindermütter leben auf dem Land. 2. Sie sind nur wenige Jahre zur Schule gegangen. 3. Ihr Dasein ist von Armut geprägt. Fallen alle drei Charakteristika zusammen - Lebenssituation auf dem Land, Armut, geringe Schulbildung -, so potenziert sich das Risiko beträchtlich. Jugendliche, die in Slums aufwachsen, werden sexuell früher aktiv als Gleichaltrige in wohlhabenden Gegenden. Verfrühte Schwangerschaften haben Folgen, die das Leben der Mutter, ihrer Familie, ihrer Umgebung, aber auch den Staat betreffen. Die Konsequenzen sind für alle Beteiligten durchweg negativ. Mutter und Kind laufen Gefahr, krank zu werden oder bei der Geburt zu sterben. Angesichts der Umstände droht der jungen Mutter eine Unterbrechung oder gar der Abbruch der Schullaufbahn. Dies beeinträchtigt die Möglichkeit, weiter an einer sicheren und aussichtsreichen Zukunft zu bauen. Häufig treten familiäre Probleme auf, schwangere Mädchen werden von ihren Verwandten zurückgewiesen oder verstoßen, und sie geraten schnell in emotionale und finanzielle Schwierigkeiten. Da frühzeitige Schwangerschaften meist ungeplant sind, ist das erwartete Kind nicht erwünscht, entsprechend wird es empfangen und versorgt. Meist lebt die minderjährige Mutter nicht in einer festen Beziehung. Ihre ungesicherte Lebenslage birgt die Gefahr, dass die herrschende Armut neue Armut erzeugt.
Merkmale: Armut, Leben auf dem Land, Bildungsniveau Am höchsten ist die Schwangerschaftsrate Minderjähriger in ländlichen Gebieten. Bei Minderjährigen, die in Nicaragua, Kolumbien oder der Dominikanischen Republik auf dem Land leben, ist die Fruchtbarkeit um ein Mehrfaches höher als in der Stadt. Dies scheint damit zusammen zu hängen, dass die Jugendlichen in den Städten einen besseren Zugang zur Schul- und Berufsbildung haben. Sie erwerben leichter Kenntnisse über Familienplanung und haben einen einfacheren Zugriff auf Verhütungsmitteln. Wenn minderjährige Mädchen auf dem Land doppelt so häufig schwanger werden wie Gleichaltrige in den Städten, so steigt der Unterschied auf das Siebenfache, wenn sie obendrein keine oder nur eine geringe Schulbildung genossen haben. Auf das Fünfzehnfache wächst die Wahrscheinlichkeit einer verfrühten Schwangerschaft, wenn Armut hinzukommt. Je früher ein Mädchen die Schule abbricht und schwanger wird, umso stärker ist sein Lebensentwurf beeinträchtigt. Die wenigsten minderjährigen Mütter erreichen einen Sekundarschulabschluss. Je früher ein Kind zur Welt kommt, um so weniger Schuljahre absolviert seine minderjährige Mutter. Zwei Drittel der jugendlichen Mütter haben ihre Schullaufbahn vor der ersten Schwangerschaft abgebrochen. Die Zahl der Mädchen, die als Folge ihrer Schwangerschaft die Schule verlassen, ist gering. Mädchen aus den ärmsten Regionen der Stadt, die in minderjährigem Alter Mütter werden, verlassen zu 70 Prozent die Schule vor der ersten Schwangerschaft. Die Mutterschaft Minderjähriger erscheint vielen Betroffenen offenbar als Strategie, um ein Leben in Armut besser bewältigen zu können. Dabei verfolgen sie drei Ziele: 1. Sie wollen schneller einen Partner oder Ehemann bekommen und die Unterstützung und Fürsorge eines starken Mannes gewinnen. 2. Gleichzeitig hoffen sie, einen höheren Status, mehr Akzeptanz und ein besseres soziales Ansehen zu erreichen. 3. Sie wollen eine „richtige Familie" gründen und sind sich sicher, dadurch selbstbewusst, gestärkt und in emotionaler, ökonomischer und sozialer Hinsicht abgesichert leben zu können. Die Zahl der 13- und 14jährigen Mütter nimmt zu. Die Folgen verfrühter Schwangerschaften und Geburten sind besonders gravierend, wenn die betroffenen Mädchen noch sehr jung sind und außerhalb einer stabilen Beziehung leben. Es drohen ihnen gesundheitliche Schäden und Hindernisse bei der Aufnahme einer angemessenen Arbeit. Frühe Schwangerschaften bringen den Lebensplan ins Wanken. Die Sterblichkeitsrate von Müttern fällt mit steigendem Alter (bis zu 34 Jahren) ab und ist bei den jüngeren (zwischen 15 und 19 Jahren) am höchsten. Bei Mädchen, die zwischen 15 und 19 Jahren ein Kind bekommen, ist die Gefährdung doppelt so hoch wie bei Müttern zwischen 20 und 30 Jahren. Schwangeren Minderjährigen droht eine soziale Stigmatisierung. Durch den Abbruch der Schullaufbahn gelingt es ihnen kaum, genügend „Humankapital" anzusammeln, das Basis für ein gelingendes Leben sein könnte. Abtreibungen und Kindersterblichkeit Mit der frühen Mutterschaft ist ein großes Mortalitätsrisiko für Neugeborene und Kleinkinder verbunden. Kinder von Minderjährigen sterben häufiger vor dem Erreichen des ersten Lebensjahres als Kinder älterer Mütter. Die Gefahr ist dann am größten, wenn ein schwangeres Mädchen in Armut lebt. Kinder jugendlicher Mütter werden häufig mit Untergewicht geboren (weniger als 2 500 Gramm), das sie im weiteren Wachstum kaum ausgleichen können. Frühe Schwangerschaft erhöht das Armutsrisiko für die Mutter und ihre Familie auch im Blick auf die Zukunft. Alleinstehende junge Mütter haben nur eingeschränkte Möglichkeiten, zu arbeiten und Geld für den eigenen Unterhalt sowie den des Kindes zu verdienen. Häufig müssen junge Mütter samt ihren Kindern bei den Eltern Unterschlupf suchen. Lebt die Familie ohnedies in beengten und ärmlichen Verhältnissen, so werden das Familieneinkommen und die Überlebenschancen weiter belastet. Unter den negativen Folgen verfrühter Mutterschaften in den armen Ländern leiden besonders die Frauen. Häufig streiten die Väter jegliche Verantwortung ab und nehmen ihre Pflichten nicht wahr. Über Situationen, Einstellungen und Meinungen männlicher Partner minderjähriger Mütter gibt es kaum wissenschaftliche Untersuchungen.
Im Hinblick auf Mädchen der Straße treten sämtliche negativen Merkmale potenziert hervor, die verfrühte Schwangerschaften begünstigen. Kinder und Jugendliche, die auf der Straße leben, leiden permanent unter Armut, Mangel an Zuwendung und Möglichkeiten, sich zu behaupten und das eigene Leben selbst zu bestimmen. Die meisten Straßenkinder haben ihre Schullaufbahn abgebrochen oder sind nie zur Schule gegangen. An eine Berufsausbildung auf der Straße ist erst gar nicht zu denken. Familienangehörige, von denen Unterstützung erwartet werden könnte, sind weit oder gibt es nicht. Kontakte und Kommunikation von Kindern und Jugendlichen der Straße beschränken sich auf die Gruppe, mit denen sie zu überleben versuchen. (...) Marciela Maricela ist schwarz und im siebten Monat schwanger. Sie hat ein hübsches Gesicht, ist kokett und humorvoll. Ihre Zähne leuchten wie Perlen im Kontrast zur ebenholzfarbenen Haut. Ihre krausen Löckchen sind mit vielen Perlen geschmückt und werden an der Stirn von einem himmelblauen Band gehalten. Maricelas Körper ist zierlich und muskulös. Mit dem schweren Bauch, der aus Bluse und Hose heraus zu quellen droht, hat sie Mühe, sich aufrecht zu halten. Junge: „Hallo Negrita, schenk mir doch wenigstens einen Blick!" Maricela: „Nun schau dir mal diesen Typ an! So sind sie alle: Stinkfreundlich. Und wenn sie einen eingewickelt und rumgekriegt haben, machen sie sich aus dem Staub." Junge: „Mit mir kannst du so nicht reden. Ich hab selbst eine Tochter. Die ist schon acht Jahre alt. Ich besuche sie regelmäßig. Und nicht nur das. Als ich das Schmerzensgeld bekam nach dem Unfall (er fuchtelt mit seinen Krücken herum und zeigt auf die Knie mit kaum verheilten Narben), hab ich etwas davon der Mutter der Kleinen abgegeben und hab sie unterstützt." Maricela: „Das alles brauch ich nicht. Ich gehöre nicht zu denen, die krank werden. Ich muss nicht dauernd kotzen, und ich hab auch nicht die absonderlichen Lüste der Schwangeren. Wenn es einmal so weit ist, dann gehe ich zu meiner Großmutter." Junge: „Ha, sie geht dorthin und lässt andere für ihre Kinder sorgen!" Maricela: „Ich hab immer gesagt, dass ich keine von denen bin, die Kinder großziehen. Wenn sie anfangen, nach Milch zu verlangen, und wenn sie schreien, dann geht mir das gegen den Strich. Deshalb sorge ich vor und gehe rechtzeitig zu meiner Oma. Die lebt in Apartadó. Dort lasse ich die Kinder. Die hütet sie ein paar Tage lang. Dann mache ich mich wieder aus dem Staub und komme hierher zurück." Junge: „Diese schwarze Schlampe, der ist alles egal, und sie kümmert sich um nichts." Maricela: „Was hab ich denn? Der Vater von diesem Letzten (sie zeigt mit dem Finger auf ihren Bauch), der ist ein totaler Versager. Er raucht Basuco. Von dem ist nichts zu erwarten." Mit fünf Jahren musste Isabel ihre Familie verlassen. Unter ihrem Stiefvater, einem aufbrausenden und unberechenbaren Mann, hatte sie schwer zu leiden. Man brachte sie in eine Einrichtung, die von katholischen Ordensschwestern geführt wurde. Später lebte sie auf der Straße. Dort bekommt sie dann und wann Besuch von ihrer Mutter. Beide konsumieren Drogen. Isabel hat zwei Schwestern, sie leben in einer Einrichtung für gefährdete Mädchen. Ihr Bruder ist verschwunden, niemand weiß, ob er noch lebt. Isabel hat einen Sohn, er heißt Miguel Ángel und ist drei Jahre alt. Die Großmutter kümmert sich um das Kind. Isabel ist wieder schwanger, im fünften Monat. Sie spricht gerne von Kindern, die ihr wie ein Gottesgeschenk erscheinen. Schwanger sein und ein Kind gebären - das ist für Isabel das Schönste auf der Welt. Sie hat nichts dagegen, dass ihre Kunden und die Jugendlichen, mit denen sie den Tag auf der Straße verbringt, ihren anschwellenden Bauch betrachten. Isabel: Was mir Angst macht und geradezu Panik verursacht, wenn ich schwanger bin, ist die Nacht auf der Straße. Um ein Zimmer bezahlen zu können, muss ich arbeiten und Männer empfangen. Auch in diesem Zustand. Das ist die einzige Möglichkeit, wie ich zu ein paar Pesos kommen kann. Auf der Straße überleben - das ist nicht leicht. Die Leute, die Drogen nehmen und stehlen, können einen im Handumdrehen umbringen. Mein Bruder ist verschwunden. Wir haben keine Ahnung, wo er ist. Frage: Wenn es so schlimm ist, warum gehst du nicht nach Hause, wenigstens so lange, bis das Kind geboren ist? Isabel: So einfach ist das Leben nicht. Der Osten von Antioquia, wo meine Familie wohnt, ist sehr gefährlich. Dort bringen die Paracos (Paramilitärs) die Leute um. Überall herrscht Gewalt. Deshalb verlassen die Familien ihre Heimat und geben ihr Land auf, ihre Häuser und alles, was sie haben. So kommen sie nach Medellín. Sie meinen, dass es ihnen hier besser geht. Und übrhaupt: mein Stiefvater ist ein wilder Kerl. Und meine Mutter hilft mir zwar von Zeit zu Zeit, aber sie ist ebenfalls drogenabhängig. Frage: Hier gibt es Einrichtungen für schwangere Mädchen und junge Mütter. Isabel: Dahin würde ich gerne gehen. Aber wenn man 17 ist, ist das schwer. Als ich kleiner war, war das leichter. Mit fünf war ich in einer Einrichtung in Rionegro. Aber wenn man 14 ist, setzen sie einen vor die Tür. Meine beiden Schwestern sind immer noch dort. Manchmal besuche ich sie. Die Nonnen sind sehr freundlich. Mir hat es dort gefallen. Ich ging in die Schule. Wir lernten putzen, waschen und kochen, auch Kunsthandwerk, und wir haben das sehr genossen. Frage: Jetzt bist du wieder schwanger - was denkst du darüber? Isabel: Kinder sind ein Geschenk Gottes. Man muss sie versorgen und schützen. Sie sind wie kleine Puppen. Wenn man sie auf der Seite lässt, zerstört man sie und kann sie verlieren. Ich bete immer zum lieben Gott, dass er sie gesund und ohne Mängel zu uns schickt. Die größte Freude bei der Geburt ist der Moment, wenn man das Kind schreien hört und wenn sie es einem zeigen. Zu wissen, dass nichts an ihnen fehlt und sie gesund sind - das macht einen glücklich. Im Hinblick auf das Bemühen, den Teufelskreis von Armut, geringer Schulbildung und früher Mutterschaft zu durchbrechen, ist es am aussichtsreichsten, in Erziehung, Bildung und Aufklärung zu investieren. Eine bloße Verbesserung der Methoden der Empfängnisverhütung reicht nicht aus. Auf längere Sicht können Schwangerschaften Minderjähriger und frühe Geburten nur dadurch minimiert werden, dass die Armut bekämpft, die Bildung vertieft, die sexuelle Aufklärung ausgeweitet und die Lebensperspektiven der jungen Generationen verbessert werden. - Organismo regional andino de salud (ed.): El embarazo en adolescents en la subregión abdina, 2008. Links www.eundc.de/pdf/40008.pdfhttp:// - Teenager-Schwangerschaften in Berlin und Brandenburg: http://www.isp-dortmund.de/downloadfiles/Doku_Vortrag_Teenagerschwangerschaften_-_M._Gnielka.pdf | ||||||||
Letzte Aktualisierung dieser Seite: 17.01.2013 (s. admin) |