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Strassenkinder in Kolumbien - Gespräche / Interviews

Gespräch mit PEDRO

Trotz seiner 16 Jahre ist Pedro nur 1 Meter 50 groß, dabei athletisch gebaut,dunkelhäutig, ein flinker Junge. Sein Gesicht ist ausdrucksvoll, und wenn er spricht, wirkt er äußert selbstbewusst. Man hat den Eindruck, dass er genau weiß, was er will. Im Kontakt mit anderen versteht er es, die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen und weiß sich durchzusetzen. Wenn er von jemandem spricht, den er sympathisch findet und achtet, so ist sein Blick voller Wärme und Anteilnahme. Seine ganze Haltung aber ändert sich plötzlich, wenn die Rede von seinen Feinden ist. Dann reißt er wild seine Arme hoch und seine Augen sprühen vor Zorn.

FRAGE: Tut es sehr weh?

PEDRO: Nicht besonders. Es brennt, weil es jetzt verheilt.

FRAGE: Du hast ja schon viel Erfahrung mit Wunden, nicht wahr?

PEDRO: Das kann man wohl sagen. (Der Junge zieht das Hemd bis zum Hals hoch und zeigt Schultern, Arme, Beine und einige Narben am Kopf.)

FRAGE: Und?

PEDRO: Diese da (er zeigt auf eine große Narbe auf der Schulter), die habe ich mir geholt , als ich jemanden verteidigen wollte.

FRAGE: Erzähl doch mal!

PEDRO: Eines Tages, als ich großen Hunger hatte, da bot mir ein Priester etwas zu essen an. Er setzte sich zu mir auf den Bürgersteig und wir redeten miteinander. Da kam ein anderer Junge, der sah, dass der Priester abgelenkt war und nützte die Situation aus. Der Typ war so dreist, dass er seine Hand in die Tasche des Priesters steckte, um ihm die Geldbörse zu klauen. Stell dir das mal vor! Wie sollte ich denn das zulassen, wo doch der Priester mein Freund war und mir geholfen hat. Ich nahm also mein Messer und stach zu, aber der andere hatte auch eines und wehrte sich, und dabei hat er mich schwer verletzt.

FRAGE: Wer hat sich dann um dich gekümmert?

PEDRO: Na ja, der Priester eben. Der war wie ein Engel. Er hat mich ins Krankenhaus gebracht und ist so lange geblieben, bis sie mich versorgt hatten.

FRAGE: Als dir das mit der Verletzung passierte, bist du nicht sehr darüber erschrocken, als du das viele Blut gesehen hast? Hattest du Angst, du könntest sterben?

PEDRO: Wenn sie dich verletzen, dann ist das so, als würdest du von innen verbrennen. Man fühlt einen Zorn, einen riesigen Hass, so dass man nichts mehr sehen und denken kann, man will sich bloß noch rächen. Schau mal, hier (er zeigt auf seinen linken Oberarm), das passierte mir, als so ein paar Typen eine Schießerei begannen. Dabei hat mich eine Kugel erwischt. Ich war so am Ende und wäre sicher verblutet, wenn nicht ein Freund in der Nähe gewesen wäre. Und die hier (er zeigt auf eine andere Narbe am Bauch), die stammt von einer anderen Verletzung.

FRAGE: Ja?

PEDRO: Es gab so einen Kerl, der einen Einbruch plante. Wir kamen überein, dass ich Schmiere stehen sollte, während er die Sache erledigte. Als er das Geld erbeutet hatte und zurückkam, ging er plötzlich mit dem Messer auf mich los. Er wollte es nicht mehr mit mir teilen. Dafür habe ich ihn später fertiggemacht.

FRAGE: Und diese Narbe da auf deiner Hand?

PEDRO: Ach ja, die ist aus der Zeit, als ich noch ein kleines Kind war. Da schickte mich meine Familie los, eine Flasche Limonade zu kaufen. Ich bin gestolpert und hingefallen. Die Flasche ist zerbrochen, und ich habe mich an den Glasscherben verletzt. Aber die hier (er zeigt auf eine Narbe im Gesicht), da musste ich meine kleine Schwester verteidigen. Es gab so einen Typen, der hatte überhaupt keinen Respekt vor ihr. Ich drohte ihm: „Wenn Du ihr auch nur ein Haar krümmst, dann hast du es mit mir zu tun!“ Und dann haben wir uns hart gekloppt. Weißt du, wenn du in Gefahr wärst, dann würde ich auch dasselbe für dich tun. Wenn dir einer etwas antun wollte, würde ich ihm genauso drohen.

Letzte Aktualisierung dieser Seite: 30.11.2015 (s. admin)Online Kompetenz  |  Sitemap  |    |