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Strassenkinder in Kolumbien - Gespräche / Interviews

GESPRÄCH MIT DANOBIS

Danobis ist ein Junge von etwa 12 oder 14 undefined Jahren. Seiner Größe und der körperlichen Entwicklung nach zu urteilen, würde man ihn höchstens auf zehn Jahre schätzen. Sein Ausdruck ist lebhaft, seine Gesten flink. Während er spricht, blickt er nervös um sich, als würde er beobachtet oder gar verfolgt werden. Spricht man mit ihm, so streift einen sein Blick nur hin und wieder.

Man muss genau hinhören, was er sagt; denn er öffnet kaum den Mund und verschluckt so manche Silbe. Einen einzigen Menschen gibt es auf der ganzen Welt, von dem sich Danobis verstanden fühlt, von seiner Mutter. So war es schon immer. Wenn er sich daran erinnert, was man ihm angetan hat, überkommt ihn maßlose Wut. Dann blitzen seine Augen, die Gesichtsmuskeln spannen sich an, die Hände zucken nervös. Man spürt, dass alles, was vorgefallen ist, in ihm wieder lebendig wird. Was er getan hat, würde er ohne zu Zögern sofort wieder tun.

FRAGE: Heute siehst du aber hübsch aus. Du hast dich fein gemacht. Gibt es dafür einen besonderen Anlass?

DANOBIS: Es gefällt mir eben, gut auszusehen.

FRAGE: Und warum sitzt du hier am Rand des Spielfeldes herum und spielst nicht mit den anderen Kindern?

DANOBIS: Na ja, es fällt mir schwer, den Ball aufzufangen, weil ich in dieser Hand überhaupt keine Kraft habe (er zeigt auf seinen linken Arm, der deutlich kleiner ist als der andere).

FRAGE: Was ist passiert?

DANOBIS: Als ich noch im Bauch meiner Mama war, da ist diese ganze linke Seite abgestorben.

FRAGE: Aber mit dem linken Bein hast du ja keine Probleme?

DANOBIS: Das stimmt. Das habe ich meiner Mama zu verdanken. Sie hat mich zum Arzt gebracht, und der hat viele Übungen mit mir gemacht. Das habe ich nur ihr zu verdanken.

FRAGE: Du magst deine Mama gern, nicht wahr?

DANOBIS: Und wie! Das was ich bin, verdanke ich nur ihr.

FRAGE: Aber lebst du denn auch bei ihr?

DANOBIS: Ich würde gerne zu Hause wohnen. Aber das geht nicht. Die anderen Jungs sind nämlich hinter mir her und wollen mich umbringen Wenn ich nach Hause ginge, würden sie mich dort finden und sofort töten.

FRAGE: Warum denn das?

DANOBIS: Weil ich einen Kerl getötet habe. Der hat mich immer aufgezogen und auf mir herumgehackt. Er hat mich ausgelacht und mich vor allen anderen lächerlich gemacht, wegen meiner Hand. Aber dafür kann ich ja wirklich nichts. Da nahm ich den Stock eines Regenschirmes. Ich habe ihn unten ganz spitz gemacht und ihn in meinem Hosenbein versteckt. Dann habe ich nur noch auf eine gute Gelegenheit gewartet, und die kam schnell. Ich habe mehrere Male zugestoßen, und der Kerl war tot.

FRAGE: Und wann ist das passiert?

DANOBIS: Vor etwa neun Monaten.

FRAGE: Aber du bist ja noch sehr jung?

DANOBIS: Zwölf bin ich. Du brauchst dich nicht zu erschrecken. Wenn etwas sein muss, muss es sein. Man darf sich von niemandem auf der Nase herum tanzen lassen. Meine Mutter war dann die erste, die mir geholfen hat abzuhauen, damit die Freunde des Kerls, den ich getötet hatte, sich nicht an mir rächen konnten. Klar, für meine Familie war das bitter. Die mussten nämlich fliehen und unser Häuschen aufgeben. Das hatten wir selbst gebaut. Als die Typen mich suchten und nicht fanden, bedrohten sie meine Familie, aber ich hatte mich längst aus dem Staub gemacht, ohne dass irgendjemand wusste, wohin.

Letzte Aktualisierung dieser Seite: 27.09.2012 (s. admin)Online Kompetenz  |  Sitemap  |    |