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Amerika

Strassenkinder in Kolumbien - Gespräche / Interviews

GESPRÄCH MIT JUAN CARLOS

Juan Carlos haben seine Freunde den Spitznamen "Tirofijo" verpasst, was soviel bedeutet wie "Sicherer Schuss" (benannt nach dem derzeit berühmtesten kolumbianischen Guerillero, einem Mitglied der FARC). Mitten in der Nacht, als er unter einer Brücke schlief, wurde auf ihn geschossen. Die Kugel durchbohrte seine Nase und verletzte dabei einen Sehnerv. Nun droht Juan Carlos zu erblinden. Er ist etwa 13 Jahre alt, schmächtig, hat schwarzes, glattes Haar und eine leicht dunkle Haut. Seit er nur knapp dem Tod entronnen ist, fühlt er eine beständige Unruhe und Ängstlichkeit. Regelmäßig erscheint er im Patio Don Bosco. Längst hat er die nötige Zeit dort verbracht, um ins Programm zur Resozialisierung aufgenommen zu werden. Aber will er das wirklich? Er hat diesen Schritt bereits einmal gewagt, aber dann überkam ihn nach wenigen Tagen der unwiderstehliche Drang, auszubrechen. Lässt er den Drogenkonsum sein, dann packt ihn kurz darauf wieder das Verlangen danach, und er wird rückfällig. Auf der Straße hat Juan Carlos viele Freunde. Bliebe er im Programm, so würde er den Kontakt zu ihnen verlieren.

FRAGE: Warum spielst du nicht mit den anderen?

JUAN CARLOS: Siehst du nicht, dass ein paar Typen mir einen Schuss verpasst haben? Hier auf der einen Seite in die Nase hinein und auf der anderen Seite wieder raus. Der Arzt sagt, dass ich blind werden kann und dass ich unbedingt eine Operation brauche, um das Auge nicht zu verlieren.

FRAGE: Und warum haben sie dir das angetan?

JUAN CARLOS: Ich weiß nicht. Ich habe auf der Straße übernachtet, und als ich schlief, kam so ein Kerl und hat auf mich geschossen. (Einige Jungen kommen näher und hören der Unterhaltung zu. Frederico mischt sich ins Gespräch ein und sagt:)

FREDERICO: Das, was ihm passiert ist, das kommt immer wieder vor. Er kann froh sein, dass sie ihn nicht umgebracht haben.

FRAGE: Wieso denn das? Erzähl doch mal.

FREDERICO: Es gibt Kerle, die wollen ihre Waffen testen, und probieren sie einfach an denen aus, die nachts auf der Straße schlafen. Obwohl sie mit denen überhaupt nichts zu tun haben und sie nicht einmal kennen, schießen sie einfach drauf los, auf jeden. Es gibt auch Typen, die wollen beweisen, wie mutig sie sind und wie einfach sie andere umbringen können. Deshalb schießen sie auf Leute, die sie zuvor noch nie gesehen haben.

 

Letzte Aktualisierung dieser Seite: 27.09.2012 (s. admin)Online Kompetenz  |  Sitemap  |    |