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Europa

Interviews
(Die Gespräche wurden geführt und aufgeschrieben von Maren Basfeld, März 2010. Namen und Orte sind geändert, um die Anonymität der Befragten zu wahren.)


Alex
Frage: Warum lebst du als Punk auf der Straße?

Alex: Ich war mal Punk. Bin’s nicht mehr, will gar nicht. Weißt du, heute verkleiden sich die Leute nur noch wie nen Punk, leben aber nicht mehr die Ideologie, die dahinter steht. Die Kids schneiden sich einfach Iros, färben sich die Haare und tackern sich mit Sicherheitsnadeln Punkrocksprüche auf die Jacken. Dann rennen die als Punks durch die Gegend, aber eigentlich wissen die doch gar nicht, was Punkrock ist. Da hab’ ich mir gesagt, ich nenn mich nicht mehr Punk.

Frage: Was ist dann deine Ideologie?

Alex: Ich schimpfe ja auf den Staat, und wenn man den Staat zum Kotzen findet, sollte man das auch durchziehen. Deswegen beantrage ich auch kein Hartz IV. Obwohl, das ist schon was, so 350 Euro im Monat!

Frage: Wie kommst du dann über die Runden?

Alex: Ich schlage mich seit bald 15 Jahren auf der Straße durch. Lebe gut so, will es gar nicht anders haben. Aber ganz unabhängig vom System kannste dann eben doch nicht sein. Man kann nicht frei entscheiden, lebt doch in den Strukturen. Ganz ohne Staat geht’s nich’, auch wenn man’s will. Auf der Straße gehts noch am besten.

Frage: Was gefällt dir dann am Straßenleben?

Alex: Ich erziehe gerne die anderen Kids, zeige denen etwas Anstand. Die Kids heute sind doch nicht mehr richtig erzogen. Ich erziehe die. Wenn die ne Flasche hinknallen, gehe ich hin und sage: „Eh, was machst du für eine Scherbenscheiße?"
Deswegen bin ich jetzt auch verhasst bei die Kinder. Ich bin ja der Assi-Alex bei die Kids, weil ich halt: „Was machst du für ne Scheiße", weil ich die halt mal bissl erziehen will.

Frage: Sprichst du alle Kinder und Jugendlichen auf der Straße an?

Alex: Ja, du musste die ansprechen, und die sehen das nicht ein, die 15-Jährigen, sind cool genug, ne Flasche zu zerdeppern. Deswegen hab ich ja Bewährung, wegen so ner Scheiße! Weil gegenüber in der A. Straße, kommt einer her mit ner Flasche, lässt die Flasche fallen. Aber ihm egal. Ich hin: „Machst du die Scherben da mal weg?".
 „Warum denn?"
„Ja, und wenn meine Hunde da rein treten, he, wer zahlt dann die Rechnung?"
„Mach i ni, mach i ni!" Und dann muss ich den verprügelt haben, war betrunken, und dann hier Anzeige bla, Gerichtsverhandlung, und jetzt habe ich zwei Jahre auf Bewährung wegen so einem kleinen Scheißvieh, was nicht kapiert, was!
Ich erziehe eben gerne. Klaus hab ich auch deswegen aufgesammelt. Der wär’ sonst auch so’n Scheißer geworden. Habe gesagt: „Komm Klaus, zeige dir mal, was wirklich Punkrock ist".

Klaus: Ja, genau

Alex: Außerdem hat er auf meine Hunde aufgepasst, als ich im Krankenhaus war.

Frage: Das war aber nett von ihm!

Alex: Ja, meine Hunde sind das Wichtigste. Wenn’s denen gut geht, geht’s mir auch gut.
Meine Ideologie is nich mehr so der Punkrock.

Frage: Man ordnet sich doch immer einer Gruppe zu, oder?

Alex: Ich nicht. Ich will mich gar nicht mehr Punk nennen. Weil, will ich gar nicht. Punk, ich sag mal, ist jetzt so allgemein. Ich tu halt leben, so gut ich kann, will nirgendwo abhängig sein.

Frage: Ist das der Grund, weshalb du auf der Straße lebst?

Alex: Ja. Ich mach mein Ding einfach, und gut. Dafür brauch ich mich nicht Punk nennen.

Frage: Das ist wahr, man kann sich heute nicht immer aussuchen, wie man leben möchte.

Alex: Aussuchen schon, aber ganz ohne (Staat/Gesellschaft) geht’s nicht. So wie Anarchie. Viele Faschos, die schimpfen auf den Staat und dann hocken sie doch faul rum und beziehen Geld vom Amt. Voll falsch. So kann man auch nicht leben. Aber irgendwie, irgendwo ist man dann doch wieder gebunden. Zum Beispiel wenn man zum Arzt muss. Oder so. Ich gehe auch nicht zum Arzt. Nur mit meinem Bein, da musste ich.

Frage: Was ist da passiert?

Alex: Hat mir so’n Fascho bei ner Demo nen Stein drauf getrümmert. Hab ja keine Versicherung. Also haben die das Bein nur notdürftig zusammen geflickt. Musste nach nen paar Tagen schon wieder raus aus dem Krankenhaus. Kann jetzt nicht mehr richtig laufen. Siehst ja.

Frage: Wenn ihr Schnorren geht, wo bekommt ihr am meisten Geld?

Alex: Anfang vom Monat und wenn’s Wetter gut ist. Bei Regenwetter geht so. Und Weihnachten, in der Weihnachtszeit, da geht’s echt gut!

Frage: Weil die Leute ein schlechtes Gewissen haben?

Alex: Ja, ja. Es gibt Städte, da läuft’s gut, und es gibt Städte, da läuft’s nicht gut. In F. läuft’s gut. Und im Januar läuft’s scheiße.

Frage: Du hast gesagt, du kannst grade nicht zurück nach Hause?

Alex: Ja, werde gesucht, mit Haftbefehl, weißt’e? Muss aber wieder hin, weil meine Schwester, die heiratet.

Frage: Gehst du hin?

Alex: Ja, wahrscheinlich schon. Vielleicht, mal gucken.

 Ein anderer Junge läuft vorbei. Alex stellt ihm ein Bein und schupst ihn.

Frage: Was hast du gegen ihn?

Alex: Kann den nicht ausstehen. Scheiß Junky. Ging mal mit ’nem Messer auf mich los.

Frage: Wie ist das hier mit Messern auf der Straße? Hat da jeder eines dabei?

Alex: Ich hab eins dabei, zum Brot schneiden. Aber ich hab’s auch gut eingepackt, damit ich’s nicht so schnell rauskriege. Is’ wie mit ’ner Knarre. Wenn ich eine hätte, dann würde ich auch abdrücken. Sonst brauch’ ich ja keine Knarre ham’.


Frank 
Frage: Im Fragebogen hast du erwähnt, dass Lehrer ein Bewusstsein für Hochbegabtenförderung besitzen sollten. Hat dich das in deiner Schulzeit selbst betroffen?

Frank: Ja. Das war so. Ich bin hochbegabt und hätten die das in der Schule geschnallt, wäre ich sicher nicht beim Heroin gelandet, nicht so schnell und überhaupt.

Frage: Warst du der einzige Hochbegabte in deiner Familie?

Frank: Nein, mein Vater und mein Onkel hatten beide ein eins-nuller Abi, damals in der DDR. Mein Vater war sehr gescheit. Aber er hat mir gesagt, ich solle nicht auf das Gymnasium gehen. Da müsse ich viel mehr arbeiten als auf der Realschule. Heute bereue ich es total, dass ich damals auf ihn gehört habe. Überhaupt spielt mein Vater eine große Rolle, wenn es um meine Drogenabhängigkeit geht, auch wenn ich natürlich weiß, dass ich mir selbst die Schuld zuzuschreiben habe. Dass ich harte Drogen konsumiere, hat aber auch mit meiner beschissenen Schulkarriere zu tun.

Frage: Man sieht dir das von außen wenig an!

Frank: Ja, ich bin meist nach außen sehr gelassen.

Frage: Wie bist du an die Drogen heran gekommen?

Frank: Ich war zwölf, als ich mit Kiffen angefangen habe. Wenig später kamen dann die härteren Drogen. Mit sechs habe ich schon Alkohol getrunken. Das war wegen meinem Vater. Der hat mich aus pädagogischen Gründen, wie er sagte, Bier probieren lassen, um mir richtiges Trinken bei zu bringen. Habe in dem Alter auch angefangen zu, obwohl ich wusste, dass das schädlich war. Mit zwölf war es dann eben schon Marihuana. Bei mir auf der Realschule war Kiffen ganz alltäglich. Jeder hat da in diesem Alter schon Marihuana geraucht. Bevor ich angefangen habe, habe ich mich eine Woche lang im Internet und der Bibliothek erkundigt, welche Wirkung die Droge bei welcher Dosierung hat und was die Wirkstoffe sind. Was mich erstaunt hat war, dass in den „Hippiebüchern" Marihuana als was sehr Positives und Harmloses dargestellt wurde. Das fand ich damals schon unmöglich. Das kann doch nicht sein. So habe ich das oft gemacht, mir Sachen durchs Lesen Zuhause beigebracht. Wann immer ich etwas wissen wollte, habe ich das nachgelesen.

Frage: Was denkst du über Marihuana- und Haschischkonsum?

Frank: Ich bin der Meinung, dass dies gesundheitlich sehr schädlich ist und man schnell in Abhängigkeit gerät. Damit ist nicht zu spaßen und die Hippie-Literatur liegt sehr falsch, wenn sie es auf die leichte Schulter nimmt. Ich weiß ja, wovon ich rede. Ich habe es teilweise auch auf die leichte Schulter genommen. Auch wenn ich einige Gründe hatte, Drogen zu konsumieren. Ich möchte die Schuld aber nicht auf meinen Vater oder die Schule schieben. Ich bin selbst für mich verantwortlich gewesen. Doch jetzt, in der Abhängigkeit, kann ich nicht mehr frei entscheiden. Dennoch bin ich der Meinung, hätte ich eine andere Schulkarriere durchlaufen, wäre meine Identität anders geprägt gewesen, wäre ich heute nicht drogenabhängig. Meiner Meinung nach spielt Schule bei der Identitätsfindung eine sehr entscheidende Rolle. Läuft da was schief, hast du dein Leben lang damit zu kämpfen.

Frage: Wie war das für dich in der Schule?

Frank: Schon in der sechsten Klasse habe ich mich sehr für Quantenphysik interessiert. Ich habe in der Schule immer Fragen gestellt. Doch wurde ich zum Schweigen verurteilt, da das Lernstoff der Universitäten oder höheren Klassen sei. Diese Fragen seien fehl am Platz. Da habe ich irgendwann aufgehört, überhaupt etwas für die Schule zu tun. Habe mich da nur gelangweilt. Ich hatte immer das Gefühl, das alles hat nichts mit mir zu tun. Schule hat nichts mit mir zu tun. Viel zu spät habe ich begriffen, dass Schule genau das ist. Ich lerne, weil ich weiter wachsen möchte, mich entwickeln, und nicht aus Zwang. Schule muss direkt mit mir zu tun haben. Der Lernstoff hat mit mir und meiner Entwicklung unmittelbar zu tun. Ich lerne in der Schule für’s Leben. Diesen Zusammenhang habe ich viel zu spät erkannt.

Die da oben (Bildungspolitik) müssen endlich begreifen, wie wichtig Begabtenförderung ist und dass die Schule einen sehr großen Anteil am Erfolg und der weiteren Lebensentwicklung ihrer Schüler hat.

Frage: Wie sieht der Drogenkonsum deiner Meinung nach in Schulen aus?

Frank: Egal wo, an Realschulen kommst du nicht an Drogen vorbei. Da konsumiert wirklich jeder. Das ist knallharte Realität. Nur die stabilen Leute können den Drogen widerstehen.

 

Susanne
Frage: Bist du öfter hier?

Susanne: Ja. Ich denke, ich komme jetzt regelmäßig.

Frage: Wie geht es dir?

Susanne: Ach, geht so. Mein Ex disst mich. Er und seine Leute haben Schiss, dass ich sie verpfeife. Der ist kriminell. Ich kenn halt viele von seinen Kollegen. Der hat mich mit dem Stress auch voll in den Drogenkonsum geritten. Jetzt haben die Schiss vor mir und nerven. Ich hab denen gesagt, ich will einfach meine Ruhe und verpfeife niemanden, die, die lassen mich nicht. Ich habe jetzt echt Angst, dass die mir was tun. Ich kenne die.


Frage: Trinkst du deswegen so oft?

Susanne: Ja, schon. Mal bin ich voll gut drauf und dann nehm’ ich alles wieder zu ernst, mach mir voll den Stress. Boa, ich zittere wieder voll, das geht gar nicht.

Frage: Warum zitterst du?

Susanne: Habe heute schon wieder nen starken Kaffee getrunken (lacht), du weißt ja, den mit Schuss. Brauche jetzt noch eine Kaffee, aber nen normalen.

Frage: Hast auf der Straße gelebt?

Susanne: Teilweise ja.

Frage: Wie alt warst du, als du auf die Straße gegangen bist?

Susanne: Ich war 14. Meine Eltern haben sich getrennt als ich noch klein war. Dann bin ich immer hin und her zwischen meinen Eltern. Die meiste Zeit hab ich aber bei meinem Vater gelebt. Dann hat der geheiratet und seine Frau hatte kleinere Kinder. Ab da hab ich mich wirklich wie das fünfte Rad am Wagen gefühlt. Ich musste alles machen. Auf die Kleinen aufpassen, aufräumen, putzen. Echt, die hatten die viel lieber als mich. Ich war der Depp. Immer wenn etwas schief lief, war ich schuld. Ich habe alle Emotionen abfangen müssen. Von denen, meinem Vater und meiner Mutter. Und als Punkerin war ich dann endgültig die Schande der Familie. Da hat mich mein Vater wie verstoßen. Ich kann dir sagen, so hart das Straßenleben auch sein mag, da hab’ ich’s echt besser als Zuhaus’ gehabt. Da hast’e wenigstens echte Freunde, Freunde die dich nehmen so wie du bist.

Frage: Hast du seitdem auf der Straße gelebt?

Susanne: Nee, mal so mal so. Bin manchmal zu meinem Vater und seiner neuen Familie zurückgegangen. Da gab’s aber immer nur Stress.

Frage: Worüber habt ihr euch denn gestritten?

Susanne: Ich wollte gerne alleine wohnen, aber das hat mein Vater nicht erlaubt. Seitdem hab ich den nicht mehr gesehen. Wir sind krass auseinander gegangen, das kann ich dir sagen. Bis heute hat der sich nicht bei mir gemeldet.



Markus
Frage: Was machst du hier?

Markus: Was mach ich’n? Ich schnorre nicht, ich mach es viel krasser. Ich weiß nicht, ob man das noch schnorren nennen kann! Ich mach lieber meinen Deal. Ich klau lieber. Konsumiere meine Drogen Tag für Tag. Gehe jeden Tag klauen, damit ich Geld hab’.

Frage: Wirst du nicht erwischt?

Markus: Bis jetzt noch nicht!

Frage: Kein Mal?

Markus: Nein. Noch kein einziges Mal.

Frage: Dann kommt ihr mit den Kisten an?

Markus: Genauso sieht’s aus. So lebt man sich’s in Deutschland. Man muss halt die Dreistigkeit ausnutzen. Das geht besonders gut bei Rentnern. Also fast 80 Prozent von Deutschland sind Rentner. Die haben eh Angst, dass ihnen da draußen einer was tut, also machst du einfach dein Ding oder die vergessen es gleich. Weil die so ne, wie nennt man das gleich, Amnesie haben, oder so? Was soll man dazu noch sagen! Ich lebe eigentlich mein Leben. Ich hab keine Sperre, kann so meine Miete bezahlen, was soll ich dazu noch sagen.

Frage: Wo wohnst du denn?

Markus: Im Süd-Westen der Stadt. Da wohnen eigentlich fast nur Russen. Aber die Russen ham auch Familienconnection. Da steht wieder alles auf Drogen und Waffen. Und Diebstahl. Und von daher ist alles optimal. Hier, der Jonas, das ist ein Kumpel, der grad bei mir wohnt. Der trinkt am liebsten Whisky und hat ein Kind.

Frage: Hast du auch ein Kind?

Markus: Nein, ich habe kein Kind. Ich hab ne verlobte Kirsche damals gehabt, die hat dann keinen Bock gehabt.

Frage: Welche Drogen konsumierst du?

Markus: Also, das ist auf  jeden Fall schon mal Koks. Alkohol ist auf jeden Fall immer dabei, der zählt sowieso. Amphetamine zurzeit nicht mehr so.

Frage: Warum nicht?

Markus: Warum nicht? Weil es mir grad zu denken gibt. Weil ich mich um mich selbst kümmern muss. Tschüss!


Stefan
Frage: Ich hab gehört, ihr ward mal in Italien?

Stefan: War’n wir, vor paar Jahren, ja!

Frage: Wie seid ihr dahin gekommen?

Stefan: Das war ein Verwandter von der Freundin von einem Freund oder so.

Frage: Deiner Freundin?

Stefan: Ja, unserer besten Freundin, von  mir und Jens, verstehst du? Jens, mein bester Freund ist der. Der ist cool, der Jens. Bin mit dem seit Jahren Platte machen.
Das war cool da in Italien. Da waren wir nämlich auf ’nem Hof. Da war nen Hahn, paar Hühner und paar Ziegen und da haben wir auf die aufgepasst. War echt geil.

Frage: Habt ihr da etwas verdient?

Stefan: Nö, waren da nur so zum Urlaub da. War echt geil gewesen. Im Winter!

Frage: Im Winter?

Stefan: Ja, das war super. Is’ wärmer als hier. Da gab’s immer so Felsen, da haben die nen Loch reingebuddelt und die Häuser hin gebaut. War geil so. War der Hammer.

Frage: Wie bist du hierher gekommen?

Stefan: Mit nem Wochenendticket halt. (lacht) Ja, seit sechs Jahren bin ich halt hier.

Frage: Du hast mal erzählt, dass du lange Zeit in F. gelebt hast! Stimmt das?

Stefan: Ja, ganz als erstes war ich in U. Dann war ich in G., K., dann war H. auch, R., ja, D. F. war’n wir auch schon.

Frage: Wo gefällt es dir am besten?

Stefan: Oh, is schwer zu sagen. D. gefällt’s mir gut, F. gefällt mir auch gut. H. eigentlich auch.

Frage: Dein Kumpel meinte, ihr habt noch nie einen festen Wohnsitz gehabt?

Stefan: Im Sommer tun wir draußen pennen, immer so.

Frage: Wo pennt man da am besten?

Stefan: Am Fluss! Da ham’ wir dann immer nen Flusscamp, schön. Da ham’ wie so ne Halbinsel nen bissle. Bisschen Wald, bisschen abgelegen.

Frage: Vertreibt euch die Polizei da nicht?

Stefan: Ja, die kommen nur, wenn man nen riesen Feuer macht. Dann müssen wir’s ausmachen. Letztes Jahr war’s Camp nicht, schade eigentlich.

Frage: Sind da mehrere oder nur ihr?

Stefan: Ne, mehrere. Familie halt. Lauter gute Leute. 

 

 Mandy

Frage: Hast du mal auf der Straße gelebt?

Mandy: Ja, vor allem hier. Hab aber auch in anderen Städten Platte gemacht. Immer in Cliquen mit Freunden. Das war cool. In Cliquen macht Plattemachen Spaß.

Frage: Und wenn du alleine bist?

Mandy: Als Frau? Das geht nicht, entweder haste ne Clique oder du hast ne, na Beziehung will ich es nicht nennen, denn das ist nur zum Schutz von einem. Hat gar nichts mit Liebe zu tun. Also so ne richtige Liebesbeziehung haste auf der Straße nicht, würde ich sagen. Manchmal vielleicht, aber eher selten. Die Beziehungen halten auch meist nicht so lange, es sei denn der Zweck is nen guter.

Frage: Was hat der Mann von einer solchen Zweckbeziehung?

Mandy: Der hat ne Schnecke an seiner Seite, jemanden, mit dem er sich groß fühlen kann.

Frage: Wo warst du noch? Seid ihr auch mal ins Ausland gegangen?

Mandy: Ja, manchmal sind wir gereist. Ich war in Spanien und Portugal z.B. Schon wegen dem Wetter sind wir da im Winter hin. Mit nen paar Leuten sind wir da hin. Ich war schon mal als Kind da. Das ist echt ne schöne Erinnerung die ich habe.

 Frage: Wie beschützt du dich auf der Straße? Habt ihr Waffen?

Mandy: Ich komme auf der Straße schon klar. Ja, manche ham Waffen, aber der beste Schutz ist in ner Clique zu sein.

Frage: Hast du auch in Notunterkünften geschlafen?

Mandy: Da würde ich niemals hingehen. Die sind das Allerletzte. Da wirst’e nur beklaut und bedroht, ihh, niemals, echt nicht. Ganz selten habe ich in Frauenhäusern übernachtet, die sind besser, aber sonst halt mit Freunden auf der Straße.

Frage: Aber jetzt bist du hier?

Mandy: Ja, und ich möchte hier auch bleiben. Hoffe, ich hab bald ne eigene Bude. Wohne im Moment bei Kumpels. Ich trinke nur bissle viel. Will jetzt einen Entzug machen. Aber erst, wenn sich bei mir alles mit dem Amt und der Bude geklärt hat. Sonst gehts nicht, mache dann Radikalentzug.

Frage: Das ist schwer! Warum senkst du den Pegel nicht Stück für Stück?

Mandy: Das funktioniert bei Alkohol nicht. Entweder ganz oder gar nicht. Wenn du ein bisschen trinkst, dann willst’e mehr, dann ist die Hemmschwelle unten und sobald du betrunken bist, kannst du’s nicht mehr kontrollieren, peilst du nicht mehr, wie viel du trinkst. So bleibt der Pegel doch immer gleich. Habe deswegen auch mein Kind verloren, meinen Sohn. Hab zu viel getrunken, konmnte nicht mehr auf ihn achten, da war er eins, jetzt ist er drei. Der lebt jetzt bei Pflegeeltern in M. Wollte mich damals umbringen.

Frage: Du wolltest aufgeben?

Mandy: Ich habe für mich im Leben damals keinen Sinn mehr gesehen. War schon am Bahnhof. Wollte noch ne letzte Kippe rauchen. Hatte aber keine. Da stand ein Typ, den hab ich dann gefragt und der hat mir eine gegeben. Wir haben gequatscht. Dann hat der mich gefragt, ob wir uns morgen auf einen Kaffee treffen wollen. Ja, und dann bin ich nicht gesprungen. Das war mein Ex, der, wegen dem ich jetzt so viel Stress habe. 

Frage: Also hat er doch etwas Gutes getan und dich am Selbstmord gehindert?

Mandy: (sehr verächtlich) Nur das es derselbe Typ ist, weswegen ich später einen weiteren Selbstmordversuch unternommen habe. Als der missglückte, bin ich in die Geschlossene gekommen. Eigentlich sollte ich da jetzt auch sein und Psychopharmaka soll ich nehmen. Aber die darf man nur unter Beobachtung einnehmen. Hab die Zuhause, weiß nicht, was der Arzt sich dabei gedacht hat. Auch meine Freunde sagen alle, ich soll die Finger davon lassen. Die würden mich lieber totschlagen, als das ich die nehme, haben die gesagt. Auf dem Zettel steht, dass das Suizidrisiko erhöht würde und Depressionen verstärkt werden in den ersten Wochen der Einnahme. Hallo? Wie sollen die mir dann noch helfen? Also nehme ich das Zeug nicht. Trinke halt morgens schon ordentlich. So kleine Kräuter in den Kaffee oder Whisky. Geht sonst gar nicht. Zitter’ dann nur. Nur so komm ich runter, bleibe ruhig. Ich will aber aufhören, auch, um wieder Kontakt zu meinem Sohn zu haben. Nen Job will ich kriegen, hier und ne Wohnung und vielleicht auch meinen Realschulabschluss nachmachen. Mal sehen.

 

Robert 
Mädchen kommt vorbei und kneift Robert in seinen Bauch!

Mädchen: He, hast ja ne dicke Wampe.

Robert: Ja, das ist mein Knastbauch!

Frage: Dein Knackbauch?

Robert: Nee, mein Knastbauch. Im Knast nehme ich immer etwas zu.

Frage: Wann warst du das letzte Mal im dort?

Robert: Letztens. Nen Scheißknast war das.

Frage: Wieso?

Robert: War ne Viererzelle und ich hatte drei Faschos auf Zelle.

Frage: Da war dann einiges los?

Robert: Ja, habe ständig Keile gekriegt. Musste Klo putzen und Kippen wegräumen und so.

Frage: Ist dort die Hierarchie so streng?

Robert: Ja. Wenn du’s nicht machst, ja dann haste verschissen, ne. Ja, das ist schon scheiße.

Frage: Wie lange warst du da?

Robert: Fünfzehn Tage. Hat aber gereicht. Ich war in einem von den krassen. Sind die schlimmsten Knasts in Deutschland.

Frage: Wegen der Leute, die darin sitzen?

Robert: Ja, sind ganz harte Jungs. Und auch Faschos und so. Muss man sich schon beherrschen.(Zeigt auf einen anderen Jungen). Der da, der war drei Jahre drin. Ist erst nen Monat raus oder so.

Frage: Welche Gruppen gibt es denn draußen außer den Punks?

Robert: Na die Faschos. Die sind scheiße.

 

 

Letzte Aktualisierung dieser Seite: 20.09.2012 (s. admin)Online Kompetenz  |  Sitemap  |    |