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Bedrohte Kindheiten

 

 
Mädchen am Prado
 
 
 
 
 
 
 
 

Lebensgeschichten erzählen

 

Dem Erzählen der eigenen Lebensgeschichte werden helfende und heilsame Wirkungen nachgesagt. Dies gilt insbesondere dann, wenn derjenige, der erzählt, in einer akuten Lebenskrise steckt. Dies ist bei den schwangeren Mädchen und Kindermüttern der Fall. Das biographische Erzählen soll das Wohlbefinden und die Selbstwirksamkeitserwartung der jungen Menschen stärken.

 

Straßenmädchen sind Menschen, deren Lebensläufe von kritischen Ereignissen geprägt sind – von Mangel, Elend, Gewalt, Verstoßung und Perspektivlosigkeit. Ihre extrem belastete Vergangenheit und die gefährdete Gegenwart verdüstern den Horizont und machen die Zukunft unplanbar. Straßenbewohner gehören zu den Menschen, für deren Lebenserfahrungen sich niemand interessiert. Keiner hörte ihnen zu, wenn sie über erlittenes Leiden oder gegenwärtiges Elend sprechen wollten. Die Menschen um sie herum haben mit eigenen Problemen zu kämpfen. Auf der Straße bleibt jeder mit seiner Erinnerung allein. Das Erlebte, das niemand anhören will und das man lieber vergessen würde, wird eingekapselt und für unbedeutend erklärt. In Wirklichkeit existiert es fort als etwas Unerledigtes, Bedrängendes, das sich insbesondere bei Schwangeren als Schuldgefühl regt. Straßenmädchen sind nicht nur „vulnerabel", weil sie Mangel an Essen, Kleidung und Geld haben. Sie leiden auch unter der tiefen, unausgesprochenen, meist unbewussten Bedürftigkeit, angehört zu werden: Die Welt verweigert die Anerkennung ihrer Leidenserfahrung. Damit negiert sie die Anerkennung ihres Daseins.

 

Im Prozess des biographischen Erzählens werden Erinnerungsfragmente zu einem Ganzen, einer einzigen Geschichte, zusammengesetzt (vgl. Fritz Schütze: Biographieforschung und narratives Interview, in: Neue Praxis 3 (1983), S. 283ff.). Die Projektmitarbeiter helfen den Mädchen, sich aus den traumatisierenden Lebensphasen „hinauszuerzählen". Wenn sie sich ihrer Vergangenheit nähern, verändert sich die Sicht auf das eigene Leben. Sie gewinnen Zuversicht und Mut.

 

Wenn die abgespaltenen traumatischen Erfahrungen und positiven Erinnerungen zurückgewonnen, die gemeisterten Lebenskrisen ins Selbstbild integriert sind, erkennen die Mädchen die Bedeutung und den Wert der eigenen Lebensgeschichte. Das biographische Erzählen verändert ihr Selbstbild, stärkt ihr Selbstbewusstsein und hilft, die eigene Identität zurückzugewinnen. So wird die erinnerte Lebensgeschichte zum Beginn eines aktiven, autonomen Lebens (vgl. Gabriele Rosenthal: Biographisch-narrative Gesprächsführung, in: Psychotherapie und Sozialwissenschaften. Zeitschrift für qualitative Forschung, Göttingen 2001, S. 204ff.).

 

(weiterlesen: Maßnahmen.Erwartetete Ergebnisse)

 

 

Letzte Aktualisierung dieser Seite: 01.11.2012 (s. admin)Online Kompetenz  |  Sitemap  |    |