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Amerika

Jugendgangs
(Hartwig Weber, 2012) 


Nach Angaben des National Youth Gang Center gibt es in den USA Zehntausende Street Gangs mit einer Mitgliederzahl von Hundertausenden. Allein Los Angeles, die „Hauptstadt der Gangs“, hat einige tausend Gangs mit etwa 20 000 Mitgliedern. In den Gangs sammeln sich nicht nur Jungen. Auch Mädchen schließen sich gemischten Gangs an oder gründen eigene Banden.



"What is a gang?

There is no single, generally accepted definition of a “gang.” State and local jurisdictions tend to develop their own definitions. The term “street gang” is often used interchangeably with “youth gang” as well as “criminal street gang,” with the latter explicitly denoting the element of criminal activity found almost universally in gang-related legislation (see Compilation of Gang-Related Legislation).

However, the term “street gang” carries two specific meanings that increase its practical value.
First, it suggests a common feature of gangs; they commonly have a street presence. Street socialization is a key feature of adolescent gangs (Vigil, 2002).
Second, this term also refers to “street crimes,” that is, serious crimes that occur on the streets and that often are of concern to citizens and policymakers, including rape, robbery, aggravated assault, gun crimes, and murder.

The following criteria are widely accepted among researchers for classifying groups as gangs (...):

 •             The group has three or more members, generally aged 12–24.

 •             Members share an identity, typically linked to a name, and often other symbols.

 •             Members view themselves as a gang, and they are recognized by others.

 •             The group has some permanence and a degree of organization.

 •             The group is involved in an elevated level of criminal activity.

Findings from the National Youth Gang Survey (NYGS) show that law enforcement agencies report group criminality to be of greatest importance and the presence of leadership of least importance in defining a gang in their view (National Youth Gang Center, 2009, see Defining Gangs and Designating Gang Membership).Some street gang definitions incorporate elements of organized crime (see FAQ No. 8: Are gangs involved in organized crime?).

For example, a number of states use the following definition devised by the California legislature, often with minor modifications: “A Criminal Street Gang is any ongoing organization, association, or group of three or more persons, whether formal or informal, having as one of its primary activities the commission of criminal acts” (Street Terrorism Enforcement and Prevention Act, 1988, California Penal Code sec. 186.22[f])."

(vgl. http://www.nationalgangcenter.gov/Survey-Analysis/Demographics#anchorgangswithfemalemembers).


Manfred Liebel (Die weiße Dominanzgesellschaft herausfordern. Barrio Gangs in den USA, in: ders. u.a.: Entre Fronteras. Grenzgänge, S. 95ff.) fordert in seinem Überblick über die Forschungen der zurückliegenden Jahrzehnte zum Thema Jugendbanden eine Betrachtung des Phänomens nicht „von oben“ und „außen“, sondern aus der Perspektive der Akteure. Dies setzt voraus, dass die betroffenen Jugendlichen selbst zu Wort kommen.


Die traditionelle Sichtweise betont ihre Diskriminierung, ihre Herkunft aus benachteiligten Familien, die Marginalisierung ihrer Wohngebiete und nimmt ihre Delinquenz und Gewalt als Folge von Verarmung und Ausgrenzung in den Blick. Legt man den Akzent der Betrachtung jedoch auf Entstehung und Entwicklung der Gang, die sich bei der Austragung von Konflikten festigt, so zeigt sich erst, wie sich in diesem Prozess eigene Traditionen, eine innere Struktur, Solidarität, Moral und Gruppenbewusstsein entwickeln. Offenbar sind delinquente und kriminelle Aktivitäten nicht das konstituierende, jedenfalls nicht das einzige Merkmal einer Gang.


Bei den Mitgliedern US-amerikanischer Street Gangs handelt es sich hauptsächlich um „people of color“, afroamerikanische und lateinamerikanische Jugendliche. Für 2008 hat das National Youth Gang Center folgende Verteilung ermittelt:
- ca. 11 Prozent Weiße,
- ca. 32 Prozent Afroamerikaner und
- ca. 15 Prozent Hispanics bzw. Latinos
(siehe http://www.nationalgangcenter.gov/Survey-Analysis/Demographics#anchorgangswithfemalemembers).


Die ethnische Gruppe der Hispanic Americans setzt sich zusammen aus Jugendlichen, deren Familien meist aus Mexiko, Puerto Rico, Kuba, El Salvador, der Dominikanischen Republik und Haiti stammen. Allein im Raum von Los Angeles leben mehr als zwei Millionen Mexican Americans von schlecht bezahlten Jobs, mit niedrigem Bildungsniveau, ohne Aufstiegschancen und diskriminiert.


Daneben haben sich asiatische Gangs aus Jugendlichen chinesischer, japanischer, philippinischer, koreanischer, vietnamesischer und kambodschanischer Herkunft gebildet. Über die Jahrzehnte haben sich die verschiedenen ethnischen Gruppen meist miteinander vermischt. Inzwischen gibt es sowohl ethnisch homogene wie ethnisch gemischte Gangs.


Liebel weist darauf hin, dass sich die Latino-Gangs im Westen der USA als Cholos oder Chicanos bezeichnen (vgl. auch José Manuel Valenzuelo: Von den Pachucos zu den Cholos. Jugendbewegungen an der Grenze Mexiko – Usa, in Liebel (u.a.: Entre Fronteras, S. 29ff.). Sie pflegen einen bestimmten Lebensstil und haben eine „Subkultur eigener Prägung mit einer sozialen Struktur und einem kulturellen Wertesystem, mit altersspezifischen Untergruppen, Initiationspraktiken, Normen, Zielen und Rollenmustern“ ausgebildet. „Die Subkultur dieser Jugendlichen manifestiert sich sichtbar in einem bestimmten Kleidungsstil, in Sprechweisen, Gesten, tattoos, Graffiti und teilweise auch in Musik und Poesie“ (Liebel, ebenda S. 100).


Obgleich in den Gangs meist Englisch gesprochen wird, greifen die Jugendlichen auch auf spanische Ausdrücke zurück. Häufig prägen sie neue Begriffe, die englische und spanische Einflüsse mischen („pachuco“). Bemerkenswert sind die in den Gangs verbreiteten Tätowierungen, die oft den Spitznamen der betreffenden Person mit dem Namen des Barrios verbinden. Ihre Graffitis sollen das Territorium der betreffenden Gang markieren.


Die Mitgliedschaft in einer Gang ist für die Jugendlichen überlebensnotwendig. Vor dem Hintergrund von Armut, Gewalt und Ausgrenzung bietet sie nicht nur Jungen, sondern auch Mädchen Schutz und Entfaltungsmöglichkeiten. “In einer feindlichen Welt, wo die Familie zusammenbricht und konventionelle Institutionen wie Schule und Arbeit zunehmend bedeutungslos werden, vermittelt die Gang diesen Mädchen Sinn und Identität. (…) Sie ist ein Ersatz für all diese anderen Dinge, die sie nicht haben, ein Platz, wo sie Wärme, Freundschaft, Verständnis, Bildung und Schutz erhalten können“ (John C. Quicker nach Liebel, ebenda S. 107).
Für die Entstehung von Street Gangs sind unterschiedliche theoretische Erklärungsansätze formuliert worden. Jugendbanden entstehen im Kontext innerstädtischer, ausgeschlossener und perspektivloser Minderheiten. Typisch für die beteiligten Jugendlichen sind der niedrige sozioökonomische Status der Herkunftsfamilien, Straßensozialisation, eine problemhaltige Entwicklung der Ich-Identität der Jugendlichen. Die ökonomische und kulturelle Marginalität soll durch die Demonstration von Stärke und das Ausleben von Gewalt kompensiert werden. Die Gang wird für Jungen und Mädchen zu einer Alternative, die Freundschaft, Vertrauen und Schutz vermittelt und obendrein die Abenteuerlust befriedigt.


Ablehnung, ja Hass gegen das öffentliche Schulsystem sind typisch für jugendliche Gangmitglieder. Die Schule ist ihnen fremd geblieben, sie haben sich dort unverstanden, benachteiligt und diskriminiert gefühlt. Auch die staatlichen Institutionen Polizei und Strafjustiz haben sie als rassistisch und diskriminierend erlebt.
Der offensichtliche Wert der Mitgliedschaft in einer Gang ist die materielle Sicherung der eigenen Existenz. Sie fördert nicht nur die soziale Anerkennung im Umfeld, sondern ermöglicht den Lebensunterhalt. Gangs bieten mannigfaltige Gelegenheiten der Beschäftigung, mitunter auch unter Einsatz von Waffen. Informelle Ökonomie einschließlich Drogenhandel entsteht in einem Umfeld, das keine legalen Jobs zu bieten hat. Ein Betroffener erklärt dies so: „Wir sind eine Gruppe, eine Gemeinschaft, eine Familie – wir müssen lernen zusammen zu leben. Wenn wir nicht gemeinsam handeln, haben wir nie eine Chance. Wir brauchen einander, um sicher zu gehen, dass wir einen Platz zum Verkaufen haben.“ (zit. von Liebel, ebenda S. 114)

(mehr zum Thema Jugendbanden, Galladas, Mara"?) 

Letzte Aktualisierung dieser Seite: 22.12.2012 (s. admin)Online Kompetenz  |  Sitemap  |    |