Amerika | Afrika | Asien | Europa | Australien | Bedrohte Kindheiten | Publikationen | Projekte | Medien

Suche:   


Bedrohte Kindheiten

 

 

  Junge am Rojas Platz  

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Zwischen Anspruch und Wirklichkeit: Kinderrechte weltweit
(Text und Fotos: Hartwig Weber, Juli 2009)

Gesetzestheorie und Gesetzespraxis
Die Kinderrechtskonvention hat das Bewusstsein für faktische Kinderrechtsverletzungen geschärft und in vielen Ländern Gesetzes- und Verfassungsreformen ausgelöst. Auf dieser Grundlage wurden unzählige Kinderschutzprogramme in Gang gesetzt. Häufig blieben die Fortschritte jedoch in der Formulierung rechtlicher Rahmenbedingungen und vor der spürbaren Umsetzung der Rechtstheorie in Rechtspraxis stecken. Deshalb leben in vielen Ländern der Erde Millionen ausgegrenzter Kinder, verlassen, verstoßen, vertrieben, entführt, auf der Flucht, auf sich allein gestellt oder in Gruppen mit anderen Obdachlosen - in einer Umgebung, in der sie vor Gewalt, Missbrauch und Ausbeutung nicht geschützt sind; ohne Zugang zu staatlichen Leistungen und gesellschaftlichen Gütern; ausgegrenzt durch die eigene Familie, das Umfeld, die Schule, den Staat, die Wirtschaft.

Nach einer Schätzung von UNICEF aus dem Jahr 2005 kommen jährlich 48 Millionen Kinder zur Welt, ohne dass man sie bei der Geburt registriert. Dies trifft für jedes dritte neugeborene Kind, in den Entwicklungsländern für 55 Prozent, in Afrika südlich der Sahara für 62 Prozent, in Südasien für 70 Prozent zu (vgl. Manfred Liebel (Hg.): Wozu Kinderrechte, Weinheim/München 2007, S. 76). In einigen Ländern wie Afghanistan, Bangladesch, Uganda oder Tansania liegt die Registrierungsrate bei 7 Prozent. Registrierung ist ein wichtiges Instrument, um die Anerkennung eines Menschen vor dem Gesetz zu sichern und seine Rechte einzuklagen oder zu schützen.

Mütter und Kinder auf der Flucht
Im Jahr 2004 waren etwa 25 Millionen Menschen innerhalb ihres Landes vor Krieg und Verfolgung auf der Flucht, 10 Millionen überschritten die Grenzen ihres Heimatstaates, fast die Hälfte von ihnen im Kindes- und Jugendalter. Auf der Flucht werden Kinder oft von ihren Eltern getrennt, sie verlieren nicht nur ihre Heimat, sondern auch Verwandte, Freunde und für sie wichtige Beziehungen. Ihre Gesundheit ist gefährdet, die Schullaufbahn unterbrochen, Bildungsmöglichkeiten eingeschränkt. Vielen bleibt kaum eine attraktive Überlebensperspektive. In dieser Aussichtslosigkeit schließen sich auch Kinder und Jugendliche biswweilen freiwillig bewaffneten Gruppen, Guerilleros oder Paramilitärs, an. Nicht wenige werden kriminell oder gehen der Prostitution nach. Unzählige Kinder werden zwangsweise als Kindersoldaten rekrutiert. Nach der Kinderrechtskonvention liegt die hauptsächliche Verantwortung für Kinderflüchtlinge bei den zuständigen nationalen Regierungen. Das Büro des Hochkommissars für Flüchtlinge bei den Vereinten Nationen (UNHCR) soll Flüchtlingen helfen und ihnen Schutz gewähren, die Zufflucht jenseits nationaler Grenzen suchen. Das Internationale Komitee des Roten Kreuzes hilft Binnenflüchtlingen, die aufgrund bewaffneter Auseinandersetzungen vertreiben worden sind. Leider gibt es keine internationale Konvention zum Schutz von intern Vertriebenen, sondern nur einige rechtlich nicht bindende Leitprinzipien. Bis heute bleiben Mütter und Kinder auf der Flucht ohne Schutz. 

Waisen
Unzählige Kinder sind zu Waisen oder "Sozialwaisen" geworden, nachdem ihre Eltern getötet wurden, verschwunden sind oder einer Krankheit erlagen. Innerhalb von nur zwei Jahren (2001 bis 2003) stieg die Zahl der Kinder, die durch Aids mindestens einen Elternteil verloren haben, von 11,5 auf 15 Millionen. In Afrika südlich der Sahara wurden allein 2003 5,2 Millionen Kinder zu Waisen. Bis 2010 soll die Zahl der Aids-Waisen auf schätzungsweise 25 Millionen ansteigen. Elternlose Kinder werden häufig missbraucht und ausgebeutet. Viele Prostituierte sind Voll- oder Halbwaisen.

Die obdachlosen Kinder und Jugendlichen, die sich auf den Straßen und Plätzen der Metropolen aller Länder aufhalten, werden bei aller Not häufig auch noch Opfer "sozialer Säuberungen". Killerbanden jagen sie mitunter im Auftrag von Geschäftsleuten, denen die verwahrlosten, kriminellen Herumtreiber ein Dorn im Auge sind. Viele Straßenkinder klagen die Gewalttätigkeit und Brutalität der Polizei und anderer Ordnungskräfte an. 

Kinder als Zwangsarbeiter
An bewaffneten Konflikten sollen weltweit 250.000 bis 300.000 Minderjährige beteiligt sein. Die meisten Kindersoldaten gibt es in Asien und Afrika, aber auch in Südamerika. Verpflichtet werden sie vor allem von illegalen Rebellen- und Selbstverteidigungsgruppen. Aber längst nicht alle Minderjährigen werden zwangsrekrutiert. In Kolumbien zum Beispiel melden sich die meisten Kinder und Jugendlichen freiwillig, weil sie keine andere Überlebensperspektive haben. Viele suchen in den militärischen Verbänden Schutz und Versorgung. Zum ersten Mal in ihrem Leben haben sie Macht und können über andere Gewalt ausüben. Bei Paramilitärs und Guerilleros sind Kinder beliebte Kämpfer. Sie erweisen sich nach einer gewissen Trainingszeit in der Regel als furchtlos, billig und skrupellos. So setzt man sie als Minenleger, Spione, Kuriere ein. Wer sich weigert, sich entziehen oder fliehen will, wird durch Misshandlungen, Drogen oder Geld gefügig gemacht.

In vielen Ländern sind Kinder eine luktrative Handelsware. Sie werden gewaltsam verschleppt oder durch falsche Versprechen verführt. Der Kinderhandel findet meist zwischen armen ländlichen Regionen und reichen städtischen Gebieten statt. Die verkauften Kinder verschwinden meist für immer im kriminellen Milieu. Nach ILO-Schätzungen (2002) fallen jedes Jahr 1,2 Millionen Kinder in die Hände von Menschennhändlern. Mädchen und auch Jungen werden ins Sexgewerbe eingeschleust. Die Töchter armer Familien werden, etwa in Afrika, auf dem Land angeworben und angekauft und in wohlhabende Privathaushalte in der Stadt verfrachtet. Kinder  landen unter harter und oft gefährlicher Arbeit in Plantagen und Bergwerken. In Ostasien und der Pazifikregion werden Kinder häufig in die Prostitution verkauft. In Südasien sind viele Eltern so arm und dermaßen verschuldet, dass sie sich gezwungen sehen, ihre Kinder zu verkaufen. Andere richten ihre Kinder zum Bettel ab. Unzählige Kinder arbeiten in Teppich- und Textilfabriken. Die Nachfrage nach Kinderprostituierten in den Tourismusregionen Lateinamerikas wird in den letzten Jahren immer größer. Auch in Europa gedeiht der Kinderhandel. Hier verläuft er meist von Ost nach West. Die Praxis der kommerziellen Adoption hat dazu geführt, dass in manchen Gegenden Eltern nur deshalb Kinder zur Welt bringen, um sie möglichst frühzeitig lukrativ verkaufen zu können.

Die angeführten Beispiele ausgegrenzter und misshandelter Kinder zeigen, dass es ungeachtet der Garantie der Kinderrechtskonvention auf Leben und Gesundheit Minderjähriger, zu der sich die Staaten der Welt verpflichtet haben, viele Formen faktischer Gewalt und Ausbeutung in der Welt gibt. Die letzten Ursachen dafür liegen in der ungerechten Verteilung von Armut und Reichtum begründet. Die eigenen Möglichkeiten von Kindern, sich zu wehren, sind äußerst gering. Sie sind darauf angewiesen, dass diejenigen, die ihre Rechte anerkannt haben, nun alle Anstrengung unternehmen, um sie auch praktisch umzusetzen.

weiter lesen?

Letzte Aktualisierung dieser Seite: 01.03.2013 (s. admin)Online Kompetenz  |  Sitemap  |    |