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Straßenkinder in Brasilien: Zahlen und Fakten
(Text und Foto: Joana Stümpfig, Juli 2009)


 
Jongulieren
 

 

Die nationale Kampagne "Criança não é de rua" (Kinder sind nicht von der Straße) veröffentlichte 2009 eine Studie über die Anzahl von Kindern und Jugendlichen, die in Brasilien auf der Straße leben. Für diese Studie sammelte sie Daten von Jugendämtern, Netzwerken und NROs aus verschiedenen brasilianischen GroßstädtenIn diesem Zusammenhang stellte man fest, dass es viel zu wenige Studien dieser Art gibt. Ein großes Problem ist auch der Mangel an einheitlichen Vorgaben für derartige Forschungen. Manche Forscher berücksichtigen alle Kinder und Jugendliche, die sie auf der Straße antreffen, andere erfassen nur die Kinder, die tatsächlich auf der Straße leben und selten oder nie nach Hause zurückkehren. Auch in der Methodik unterscheiden sich die Untersuchungen deutlich voneinander.

Zum Zeitpunkt der Kampagne lagen Studien aus acht Städten vor. Sie hatten einen qualitativen Ansatz, schlossen jedoch auch quantitative Fragestellungen ein. Einige Ergebnisse sind hier aufgeführt:

Stadt

Anzahl an Kindern und Jugendlichen

Situation

1. Fortaleza (2007)

411

Straßenbewohner

(moradores de rua)

2. Fortaleza (2008)

76

Straßenbewohner

Aracaju

166

auf der Straße

(em situação de rua)

Porto Alegre

637

auf der Straße

Teresina

1358

auf der Straße

Teresina

10

Straßenbewohner

São Paulo

815 (7 bis 18 Jahre)

auf der Straße

Rio de Janeiro

347

auf der Straße

Recife (2005)

368

auf der Straße

João Pessoa

1256

auf der Straße


Trotz mangelnder Vergleichbarkeit im Detail sind folgende Übereinstimmungen auffällig:

Geschlechterverhältnis
Die Anzahl der männlichen Kinder und Jugendlichen, die auf der Straße leben, übersteigt klar die Anzahl der weiblichen etwa im Verhältnis von 3:1. Die 2007 in Fortaleza durchgeführte Studie erklärt diesen Sachverhalt folgendermaßen: Der öffentliche Raum ist traditionellerweise ein männlich dominierter Raum, wohingegen der private Raum, das Zuhause, stärker den Frauen zugeordnet wird. Obwohl sich in den letzten Jahrzehnten viel geändert hat, scheint dies in brasilianischen Großstädten noch immer der Fall zu sein.

Familienmodell
Viele Kinder leben oder lebten mit nur einem Elternteil, meist mit der Mutter. Oft spielen allerdings die Geschwister oder Cousins eine wichtige Rolle im Leben der Kinder, nicht selten leben sie zusammen auf der Straße. Auch wenn Straßenkinder oft ihre Mütter nennen, bedeutet dies nicht, dass die Beziehung zu ihnen harmonisch wäre. Innerfamiliäre Gewalt zählt zu den Hauptgründen, weshalb Kinder ihr Zuhause verlassen.

Das Miteinander auf den Straßen
Die Studie aus São Paulo unterscheidet drei Gruppen von minderjährigen Straßenbewohnern:
1. Kinder und Jugendliche, die dort alleine bleiben.
2. Kinder, die mit anderen Kinder zusammen sind, die auch auf der Straße leben.
3. Kinder, die von Erwachsenen begleitet werden.

Die Mehrheit der erfassten Kinder und Jugendlichen ist der zweiten Gruppe zuzurechnen. Nur wenige bleiben alleine auf der Straße (17,8%), und etwas über 20% von ihnen werden von Erwachsenen begleitet. In Porto Alegre lag der Prozentsatz derer, die mit „Kumpels" oder Freunden auf der Straße leben, bei 40%. 22 % gaben an, mit ihren Geschwistern auf der Straße zu sein. In Teresina fiel der hohe Anteil an Jungen auf, die alleine auf der Straße sind (32,11%). Die Mädchen halten sich dort meist mit ihren Müttern auf der Straße auf.

Insgesamt fällt jedoch auf, dass die meisten der erfassten Kinder und Jugendlichen nicht von Erwachsenen begleitet werden.

Gründe, um auf der Straße zu leben
Die genannten Gründe, warum man sich auf der Straße befindet, stimmen in den verschiedenen Studien fast ganz überein:

  • Probleme in der Familie aufgrund der Armut
  • Innerfamiliäre Gewalt
  • Drohungen in der Wohngegend der Familien (viele Jugendliche können wegen Drogenschulden nicht in das Viertel ihrer Familien zurückkehren)
  • Drogen (die genannten Drogen sind Crack, Marihuana, Kleber, Lösungsmittel und Kokain)
  • Möglichkeiten, um Geld zu verdienen

Schulbildung
Aus den Studien wird deutlich, dass auf der Straße zu arbeiten nicht unbedingt bedeutet, nicht in die Schule zu gehen. Allerdings interferiert die Zeit auf der Straße mit dem Schulbesuch und auch mit der Wichtigkeit, die der Schule beigemessen wird. Kinder und Jugendliche, die wirklich auf der Straße leben, gehen naturgemäß sehr viel weniger zur Schule, als solche, die noch regelmäßig nach Hause gehen.

Alter
Alle Studien zeigen, dass die Anzahl der Jugendlichen die der Kinder deutlich übersteigt.

Orte
Die Kinder und Jugendlichen halten sich meist an Orten auf, wo viele Menschen vorbei kommen, wie zum Beispiel an öffentlichen Plätzen, Busbahnhöfen oder Stränden.
Sie suchen sich diese Plätze meist nach drei Gesichtspunkten aus:
- Wo kann ich am besten Geld verdienen?
- Wo bin ich einigermaßen sicher, die Nacht unbeschadet zu überleben?
- Und wo ist es möglich, den überlebensnotwendigen illegalen Tätigkeiten (Drogenkonsum, Diebstahl) nachzugehen?

Neben diesen Studien aus acht verschiedenen Städten berücksichtigte die nationale Erhebung auch Statistiken, informelle Quellen und Daten aus den örtlichen Medien. Wegen der beschränkten Vergleichbarkeit der Studien ist es schwer, die Zahl der „Straßenkinder" in Brasilien präzise einzuschätzen. In den brasilianischen Städten sollten Forschungen durchgeführt werden, die mit gleichen Methoden und einer übereinstimmenden Definition von Kindern und Jugendlichen auf der Straße arbeiten, damit die Ergebnisse vergleichbar sind und eine Basis für politische Maßnahmen abgeben können.

Stadt

Anzahl

Situation

Quelle

Nordosten

     

Natal (2004)

253 (5-18 Jahre)

Auf der Straße

Statistische Erhebung

São Luis (2004)

92 Kinder

309 Jugendliche

In speziellen Gegenden beobachtet

Statistische Erhebung

Recife (2005)

368

Auf Straße wohnend

Studie

Fortaleza (2007)

411

Auf der Straße

Studie

Fortaleza (2008)

76

Auf der Straße

Studie

João Pessoa (2008)

1256

Auf der Straße

Studie

Teresina (2004)

1358

10

Auf der Straße

Auf Straße wohnend

Studie

Salvador (2007)

699

Mit diesen wurde auf der Straße gearbeitet

Statistische Erhebung

Macéio (2002)

1019 (morgens)

153 (spät nachts)

Auf der Straße

Statistische Erhebung

Aracaju (2007)

165

Auf der Straße

Studie

Süden

     

Curitiba

172

Leben auf der Straße

Journalistische Quelle

Porto Alegre (2004)

637

Auf der Straße

Studie

Florianópolis (2008)

43

17

Auf der Straße

Schlafen auf Straße

Statistische Erhebung

Südosten

     

Vitória (2008)

30

Schlafen auf Straße

Statistische Erhebung

São Paulo (2007)

805 (7 bis 18 Jahre)

Auf der Straße

Studie

Rio de Janeiro (2007)

347

Auf der Straße

Studie

Belo Horizonte (2007)

990

Auf der Straße

Statistische Erhebung

Mittlerer Westen

     

Goiânia (2008)

69 Jungs

11 Mädchen

Auf der Straße (von einer bestimmten Organisation betreut)

Statistische Erhebung

Distrito Federal (2001)

315

Halten sich auf der Straße auf

Journalistische Quelle

Norden

     

Manaus (2007)

130

Auf der Straße

Statistische Erhebung

Belém (2008)

47

Wohnen auf der Straße

 

(weitere Literatur?)

Letzte Aktualisierung dieser Seite: 22.06.2016 (s. admin)Online Kompetenz  |  Sitemap  |    |