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Afrika

Kindersoldaten in Simbabwe
(Maren Basfeld, Februar 2011)
 
Inhalt
 
Zahlen und Fakten
Robert Mugabe und Vertretern seiner Regierung zufolge wurden in Simbabwe bis heute niemals Kindersoldaten rekrutiert. Bei der Staatsgründung 1979 wurde das Mindestalter der Rekruten im sogenannten „National Service Act" auf 18 Jahre festgelegt. 1995 wurde das Verbot der Rekrutierung Minderjähriger im Länderbericht, veröffentlicht durch das „UN Committee on the Rights of the Child", bekräftigt und von der Regierung bestätigt (Global Child Soldier Report, Zimbabwe (2008), S. 372).

Ziele und Inhalte der militärischen Ausbildung
Die sozialistische Regierung Mugabes ließ zur Jahrtausendwende sogenannte Youth Militia Camps zur politischen Bildung von Kindern und Jugendlichen in Simbabwe errichten. Nach offiziellen Angaben durchschritten seit 2001 80 000 Kinder und Jugendliche die Camps. Unabhängige Beobachter schätzen die Zahl bei weitem höher ein. Ziel der Camps ist die politische Bildung im Sinne der ZANU-PF und die Ausbildung treuer, wehrfähiger Kameraden (vgl. Global Child Soldier Report, Zimbabwe (2008), 373)
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Mugabe und die ZANU-PF wollen mit dieser militärischen, für alle obligatorischen Erziehung eine Vertiefung des Nationalgefühls erreichen sowie die jungen Bürger gegen Imperialismus und Neokolonialismus wappnen. Diese Form der Propaganda kommt einer Gehirnwäsche gleich, die die Jugendlichen gegen die Oppositionellen der Partei MDC-T Tsvangirai aufhetzt und sie auf deren Verfolgung, Folter und Ermordung vorbereitet. Das Eintrittsalter in die Militia Camps liegt nach dem namhaften „Youth Trainings Act" von 2001 bei 10 Jahren. Da die Kinder auch militärisch ausgebildet und in den Umgang mit Waffen eingeführt werden, verletzten die Camps die Rechte des Kindes unmittelbar.

Im Mai 2011 soll es wieder Wahlen geben. Man rechnet mit verschärften Attacken und Überfällen durch die ZANU-PF auf Oppositionelle und deren Anhänger wie in den Wahljahren zuvor. Neue Camps werden errichtet, um mehr Jugendliche „auszubilden". Der Plan ist, alle politischen Gegner „auszurotten", Mugabe macht daraus in den letzten Jahren keinen Hehl mehr.

Viele ehemalige Kindersoldaten, die die Camps durchlaufen haben oder ihnen entflohen sind, leben nun als Flüchtlingskinder in Südafrika oder in den anderen benachbarten Staaten (siehe hierzu den Artikel Flüchtlingskinder aus Simbabwe). Sie sind traumatisiert, verkrüppelt und heimatlos. Die Flüchtlingslager können meist nur ein einfaches Obdach und Grundnahrung, jedoch keine medizinische und psychologische Betreuung bereitstellen. So leiden die Kinder auch außerhalb Simbabwes unter den Folgen Mugabes Diktatur und werden als Anhänger der ZANU-PF stigmatisiert.
 
Propaganda
Durch die militärische Erziehung und die Gehirnwäsche, die die Jugendlichen in den Camps erfahren, soll ihnen der „Zanuismus" eingetrichtert werden. „Härte, Stärke, Bescheidenheit" sind die Grundpfeiler des Sozialismus in Simbabwe, den Mugabe in den 90er Jahren ausrief - die Säulen der Lehre der Youth Militia Camps.

Einer der Camp-Slogan - "No retreat no surrender. Forward ever, Backward never” ("Kein Rückzug, keine Kapitulation. Vorwärts immer, rückwärts nimmer") - erinnert an andere sozialistische Diktaturen in Europa und Asien. So wurde Mugabe bei seiner Machtergreifung in den 80er Jahren u.a. von der DDR und Nordkorea ideologisch wie militärisch unterstützt.
 
Rekrutierung
Das offizielle Alter von Rekruten liegt bei 18, in Ausnahmefällen bei 16 Jahren (vgl. Child Soldiers Report 2008, S. 372), doch werden in den Youth Militia Camps Kinder im Alter ab 10 Jahren (und junge Menschen bis 30 Jahre) trainiert. Dies wird außerhalb Simbabwes als Kriegsverbrechen gebrandmarkt und in Form von Sanktionen durch die Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen geahndet.

Kinder und Jugendliche werden in Simbabwe von der ZANU-PF gezwungen, an der 120tägigen Ausbildung teilzunehmen. Dazu werden sie aus ihren Dörfern, aus Kirchen, wo sie Schutz suchen, oder von der Straße entführt und in die Camps gebracht. Straßenkinder leben in besonders großem Risiko, für solche Zwecke von den Soldaten und Polizisten der ZANU-PF verschleppt zu werden. Alle Kinder unter 15 Jahren sollen die Camps besuchen. Weigern sich die Eltern, werden sie als MDC Anhänger verunglimpft und verfolgt. Häufig werden sie vertrieben, ermordet und ihre Häuser in Brand gesetzt.

„Youth Militia Camps"
Mit dem 2001 von der ZANU-PF erlassenen "National Youth Service Programme” wurde eine Ausbildungsinstitution geschaffen, die allein der ideologisch-politischen Bildung und Beeinflussung der Kinder und Jugendlichen Simbabwes dient. Diejenigen, die eine weiterführende staatliche Schule besuchen wollten, hatten nur eine Chance, wenn sie die 120 Tage der Ausbildung in den Youth Militia Camps absolvierten.
In den ersten Jahren soll dies nur rund 6000 Jugendliche pro Jahr betroffen haben. Die Auserwählten sollten mithilfe der speziellen Ausbildung zur Nachfolgegeneration der Führungselite erzogen werden. Die dritte Phase der Befreiung "liberation struggle" (nach der ersten und zweiten „Chimurenga" (1960er und 1980er Jahre) sollte damit umgesetzt werden.

Das Training ist mit dem anderer paramilitärischer Einheiten zu vergleichen. Es soll den Patriotismus der Rekruten wecken und stärken (vgl. Zimbabwe Report (2010), S. 42). Man schätzt, dass heute bis zu 29 000 ehemalige ZANU-PF "Kindersoldaten” als sogenannte „civil servants” staatliche Gehälter beziehen (vgl. Zimbabwe Report (2010) S. 43) und somit ein Organ des Polizeistaates darstellen.

Errichtet werden die Youth Militia Camps in ganz Simbabwe. Größere Camps sind Chimani, Dadaya, ZANU-PF yatonga Camo. Landesweit sollen es 150 Lager geben. Meist werden sie von der Regierung in einer von Oppositionellen bewohnten Region erreichtet.

Die Kinder leben zu je 300 bis 1000 Personen in einem Camp, Tag und Nacht in den Schlafräumen und Zelten, und werden auf den Kampf gegen die Opposition vorbereitet und gegen Mitglieder oder Anhänger der MDC geimpft. Oft haben sie keinerlei Kleidung als die, in der sie das Camp betreten haben. Sie müssen ohne Decken auf dem Boden schlafen. Die Jungen werden regelmäßig gezwungen, die das Camp angrenzenden Dörfer zu überfallen, Mädchen zu vergewaltigen, brandzuschatzen und zu stehlen. Zur „Initiation" müssen sie meist ihre eigenen Eltern oder Familienangehörigen halb oder ganz totprügeln. Dies geschieht, um sie abzuhärten und ihre Flucht nach Hause zu vereiteln. Die Kinder und Jugendlichen leben mit schrecklichen Schuldgefühlen als Mörder ihrer Eltern, von denen viele die Gräueltaten nicht überleben.
 

Den Tag verbringen die Mädchen sitzend in Zelten und müssen propagandistischen Unterricht über sich ergehen lassen. Parolen werden aufgesagt und Lieder gesungen. Männliche Kindersoldaten werden nachts regelmäßig in die Unterkünfte der Mädchen gelassen, um diese zu vergewaltigen. Damit sollen Aggressionen abgebaut und die Jungen gefühlsmäßig gestählt werden. Tagsüber werden sie militärisch ausgebildet und mit Waffen, vor allem den AK-47, vertraut gemacht.

Leben im Camp
Die Versorgung in den Camps ist schlecht, selten gibt es ausreichend Lebensmittel. Diese müssen sich die Kinder und Jugendlichen auf ihren Beutezügen selbst beschaffen. Dabei werden u.a. Lieferungen der Internationalen Hungerhilfe in den Dörfern abgepasst und geplündert. Vor den Überfällen werden die Kindersoldaten mit Drogen und Alkohol gefügig gemacht. Häufig ist dies die einzige „Nahrung" am Tag.

Drogen und Alkohol werden gezielt ausgegeben, um die Minderjährigen gefügig zu halten. Kampfparolen und Propaganda der ZANU-PF werden eingegeben. Schläge, Misshandlungen und Vergewaltigungen sind an der Tagesordnung, dienen gleichzeitig als Drohung, die Camps nicht unerlaubt zu verlassen. Desserteure werden brutal zusammengeschlagen und erliegen meist ihren schweren Verletzungen. Dabei wird das gesamte Camp zusammengerufen und muss den Übergriffen beiwohnen.
 
Zu Übergriffen, Vergewaltigungen und Exekutionen an ihren Kameraden werden nicht selten die Kindersoldaten von ihren Vorgesetzten gezwungen, um sie hart und gefühllos zu machen. Werden Flüchtende nicht eingefangen, sucht man ihre Eltern oder Verwandten auf und lässt sie in den Camps vor den Augen aller abschlachten. Dies erhöht die Hemmschwelle zu fliehen enorm. Angst und Verzweiflung sind allgegenwärtig. Die Kindersoldaten werden angehalten, das Gelernte bei Misshandlungen der Bevölkerung anzuwenden. Gezielt werden sie vor Wahlen gegen die Opposition und gegen ihre Angehörigen aufgehetzt.

Die sexuelle Ausbeutung der Kindersoldatinnen durch erwachsene Soldaten, männliche Kameraden und Polizisten führt zu Infektionen mit übertragbaren Krankheiten wie HIV und Aids sowie zu Schwangerschaften. Die erlittenen Verletzungen und Traumata werden nicht behandelt.
 
Trainingsinhalte und -methoden
Schlagen mit Stöcken, Werfen von Katapulten, Angriffe auf Menschen und das Plündern von Dörfern und Läden sind Lehrinhalte der Ausbildung in den Youth Militia Camps. Täglich erhalten die Kindersoldaten Unterricht in "Freiheitskampf", in "Geschichte des Sieges gegen die weißen Imperialisten", die Kolonialisten und die Oppositionellen des MDC (vgl. Child Soldiers Report 2008, S. 373).

Nach den „erfolgreichen" Wahlen im Mai 2008, die Mugabe als einziger Kandidat gewann, verloren die Camps als Ausbildungsstätten politisch treuer Anhänger der ZANU-PF ihren Sinn. Die Kinder wurden nach Hause entlassen, mussten sich jedoch regelmäßig bei ihren Kommandeuren melden. Die Angst vor Schlägen und Misshandlungen als Bestrafung bei Anzeichen von Schwäche ist enorm, die Bereitschaft zu Gehorsam folglich groß (
http://static.rnw.nl/migratie/www.radionetherlands.nl/humanrights/030905zim2.html-redirected). In den letzten Monaten sollen die Camps wieder in Betrieb genommen worden sein.

Folter und Verfolgung
Die Kindersoldaten müssen immer wieder mit ansehen, wie Kameraden und Familienangehörige abgeschlachtet werden. Nicht selten müssen sie die Exekutionen eigenhändig durchführen. Ihre Familien erleben Folter und Verfolgung, sobald sie in den Verdacht geraten, den MDC und Tsvangirai zu unterstützen, ihre Kinder den Youth Militia Camps zu entziehen oder gegen Mugabe und die ZANU-PF eingestellt zu sein. Sie werden solange terrorisiert, bis sie kapitulieren. Viele verlassen das Land und geben auf, was sie besessen haben.

Berüchtigte Foltermethoden der ZANU-PF sind u.a.:
- Verbrennungen am Körper durch brennende Plastikteile oder Zigaretten
- Einritzen der Buchstaben MDC in den Rücken mit dem Messer
- Abschneiden und Verstümmeln von Gliedmaßen, Ohren, Nase, Zunge oder Geschlechtsteilen
- Entzug von Nahrung und Wasser
- Vergewaltigung
- Psychoterror
- Misshandlung, Exekution Angehöriger vor den Augen der Kindersoldaten.

Diese Foltermethoden werden gezielt eingesetzt und in den Camps gelehrt. Die Kindersoldaten, durch Drogen und das rohe Leben in den Camps abgestumpft und willenlos gemacht, üben diese Methoden an der Bevölkerung aus. Sie sind überall sehr gefürchtet und gelten als Taliban or Green Bombers (vgl. u.a. http://static.rnw.nl/migratie/www.radionetherlands.nl/humanrights/030905zim2.html-redirected).

Folgen
Schwerstes körperliches Training, Züchtigungen, Unterernährungen und Folter nagen an der körperlichen und seelischen Gesundheit der Kinder. Traumata, physische Verletzungen und Krankheiten bleiben unbehandelt. Die Stigmatisierung als Familienmörder und ZANU-PF Anhänger haftet ihnen auch außerhalb Simbabwes an. Wagen es die Jugendlichen, aus den Youth Militia Camps zu fliehen, werden ihre Familienangehörigen gefoltert, misshandelt oder gar getötet. Das Elend in den Camps veranlasst dennoch viele, nach Südafrika oder in andere umliegende Länder zu fliehen. Sie werden von ihren Kameraden und der ZANU-PF verfolgt und bis an die Landesgrenzen gehetzt. Erreichen sie das Ausland, beginnt häufig eine zweite Verfolgung durch andere, von der ZANU-PF vertriebene Flüchtlinge, die in den Camps und Unterkünften als politische Flüchtlinge Zuflucht suchen
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Maßnahmen und Institutionen
Die permanenten und massiven Menschrechtsverletzungen Mugabes und seines Polizei- und Militärstabes bewirkten im letzten Jahrzehnt Sanktionen der umliegenden Staaten sowie Europas und Amerikas. Der internationale Druck auf Mugabe nahm beständig zu. Dies hat eine weitere Depression der wirtschaftlichen Lage zufolge. Der Ausfall der innerstaatlichen Produktion und damit der Rohstoffe und Lebensmittel kann seitdem nicht mehr über den internationalen Handel aufgefangen werden. Man erhofft sich, dass Mugabes zurücktritt und faire Wahlen möglich sind, bei denen die Opposition MDC und Tsvangirai für die Kandidatur zugelassen werden.

Die internationale Gemeinschaft und Menschrechtsbewegungen in und außerhalb Zimbabwes fordern Mugabe seit Jahren zur sofortigen Schließung der Youth Militia Camps auf. Doch bis heute existieren sie weiter. Erst jüngst - zum 30. Jahrestag des Amtsantrittes von Mugabe - marschierten Kindersoldaten auf, in Uniform, bewaffnet mit hölzernen AK-47 in eindeutiger militärisch-diziplinierter Pose. Auf Druck der südafrikanischen Regierung hat Mugabe im April 2010 zugesagt, die Gewalt und die militärische Ausbildung in den Camps zu reduzieren (vgl. http://www.zimeye.org/?p=15802, 11.01.2011).

Einige wenige Nichtregierungsorganisierungen nehmen sich der Betreuung und Versorgung ehemaliger Kindersoldaten der Youth Militia Camps an. "The Zimbabwe Child Soldier Victim Foundation” ist eine NGO, die sich um ehemalige Kindersoldaten in Simbabwe kümmert. Sie bietet Therapien und Versorgung an, hilft bei der Wiedereingliederung in dieHerkunftsfamilie und die Dorfgemeinschaft. Sie vertritt die Rechte der Jugendlichen in der Gesellschaft und sorgt für Aufklärung. Kunst- und Theaterworkshops sollen den Kindern und Jugendlichen helfen, ihre Traumata zu verarbeiten und ihr Leben nach den Camps zu meistern.

Derartige NGOs sind jedoch verboten. Sie werden nicht selten von der ZANU-PF terrorisiert. Aus diesem Grund operieren einige Hilfsorganisationen im Ausland, vor allem in Südafrika. Seit Ende Februar 2011 lässt sich die Homepage von "The Zimbabwe Child Soldier Victim Foundation” mit sämtlichen Zahlen und Fakten, Bildern und Interviews mit Kindersoldaten nicht mehr aufrufen.
 
 
Links und Literatur

UNHCR Child Soldier Report 2008, S. 372-372, auch unter
http://www.childsoldiersglobalreport.org/content/zimbabwe (zugegriffen am 19.12.2010).

Country of Origin Information Service. Zimbabwe Child Soldiers, September 2010,


http://www.wcc-coe.org/wcc/what/international/children.html (zugegriffen am 19.12.2010).

http://static.rnw.nl/migratie/www.radionetherlands.nl/humanrights/030905zim2.html-redirected (zugegriffen am 11.01.2011).

http://www.zimeye.org/?p=15802(zugegriffen am 11.01.2011).
 
 
Geschichten ehemaliger Kindersoldaten

http://static.rnw.nl/migratie/www.radionetherlands.nl/humanrights/030905zim2.html-redirected (zugegriffen am 11.01.2011).

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