Amerika | Afrika | Asien | Europa | Australien | Bedrohte Kindheiten | Publikationen | Projekte | Medien

Suche:   


Asien

 

Zur Situation von Kindern und Jugendlichen
(Text und Fotos: Hartwig Weber) 

Eine wachsende Zahl israelischer Kinder und Jugendlicher befindet sich in einer sozialen und wirtschaftlichen Notlage. 2007 lebten 1,67 Millionen Israelinnen und Israelis, 244 000 Familien und weit über 600 000 Kinder unterhalb der Armutsgrenze. In Lebensstandart und Bildungsniveau bestehen zwischen den unterschiedlichen Volksgruppen erhebliche Unterschiede. Viele Jugendliche fallen aus dem Bildungssystem und der Arbeitswelt heraus. Sie besuchen weder Schule noch Ausbildungsstätte. Jährlich kommen über 20 000 Jugendliche im Alter von 14 bis 18 Jahren neu hinzu, die keine Ausbildung absolvierenn. Meist handelt es sich um Jugendliche aus Einwandererfamilien und aus ultra-religiösen Kreisen.
 
Alltag
In Israel gibt es für hebräisch-sprachige und für arabisch-sprachige Kinder getrennte Schulen. Die Einschulungsrate liegt bei 97 bis 98 Prozent. Bis in die 9. Klasse ist der Schulbesuch verpflichtend. Die Alphabetisierungsrate beträgt 98 Prozent. Allerdings gibt der Staat gibt für jüdische Kinder dreimal so viel aus wie für arabische Kinder.
 

Das Alltagsleben israelischer Kinder und Jugendlicher ist durch die Konfrontation mit Terror und Gewalt geprägt. Im September 2002 begann die so genannte Zweite INTIFADA. Seither sind über 10 Prozent der Bevölkerung von einem terroristischen Anschlag direkt oder indirekt getroffen worden. Infolge des Terrors sollen etwa 20 Prozent der israelischen Jugendlichen an posttraumatischen Störungen leiden. Ein Viertel von ihnen fühlt sich beständig in Lebensgefahr. Viele haben Angst vor weiteren Terroranschlägen und insbesondere vor dem Einsatz von Massenvernichtungswaffen.

 
Tausende von Kindern und Jugendlichen sind von den Unsicherheiten und Gefahren des Lebens in den umstrittenen Siedlungen betroffen. Viele reagieren auf die Krisen- und Stresssituationen mit Flucht- oder Verdrängungsstrategien. In den zurückliegenden Jahren ist unter Jugendlichen noch stärker als unter Erwachsenen das Interesse an Religiosität und Frömmigkeit gewachsen. Mehr als die Hälfte der Jugendlichen fastet an Jom Kippur (Versöhnungstag), dem höchsten Feiertag der Juden. Esoterik, New Age und Yoga stehen hoch im Kurs.
 
Unter jungen Menschen steigt die Rate der Suizid-Fälle. Über 3000 nehmen sich jährlich das Leben (vg. Ruth Sinai: Suicide rate steady, despite economic woes, HA’ARETZ Internet Edition 3.7.03). Bei Männern liegt die Rate dreimal so hoch wie bei Frauen. Hintergründe insbesondere bei Eingewanderten sind wirtschaftliche und soziale Notlagen oder persönliche Schwierigkeiten. Der andauernde jüdisch-arabische Konflikt und die schlechte wirtschaftliche Entwicklung führen zu wachsenden Zukunftsängsten. Viele junge Menschen wollen das Land verlassen und anderswo Arbeit und Auskommen suchen. Sehr viele  befürchten, Israel könne von den arabischen Staaten geschlagen und vernichtet werden. Junge Israelinnen und Israelis sind heute deutlich patriotischer und weniger optimistisch als noch Anfang des Jahrtausends (vgl. www.israel1.org- Eye2Israel).
 
Untersuchungen zeigen, dass jüdische Jugendliche im Alter mehrheitlich rechts-orientiert sind. Im Blick auf die politische Zukunft des Landes herrscht eine pessimistische Grundstimmung. Politikverdrossenheit macht sich breit. Junge Menschen verlieren das Interesse am Rechtsstaat und geben zunehmend demokratische Prinzipien auf. Sie sind zwar für den Friedensprozess, zeigen aber keinerlei Bereitschaft, einen Preis dafür zu zahlen. Die meisten Jugendlichen haben die Hoffnung auf eine Versöhnung mit den Palästinensern aufgegeben. Fast die Hälfte der jungen Juden wollen ihren arabischen Mitbürgern politische Rechte vorenthalten. Nur ein Viertel von ihnen ist für eine Zweistaatenlösung, 20 Prozent streben einen bi-nationalen Staat mit gleichen Rechten für Juden und Palästinenser an.
 
Große Unterschiede herrschen offenbar zwischen arabischen und jüdischen Jugendlichen. Während bei den jungen Juden der Trend nach rechts geht, geben immer mehr arabische Jugendliche die Bindung an die traditionellen politischen Lager auf.
 
 
Kinderarbeit
Eigentlich sind Kinder in Israel durch die Gesetze vor Ausbeutung und Zwangsarbeit geschützt. Sie dürfen erst ab dem fünfzehnten Lebensjahr als Lehrlinge angestellt werden. Während der Schulferien können schon 14-Jährige in leichten und nicht gesundheitsschädlichen Jobs beschäftigt werden. Die Arbeitsstunden Jugendlicher sind begrenzt, und es muss ihnen genügend Zeit für Erholung und Lernen bleiben.
 
Dennoch gibt es viele illegal arbeitende Kinder in Israel. Ihre Zahl wird auf 5000 bis 10 000 geschätzt. Das Phänomen betrifft vor allem die arabische und die palästinensische Bevölkerung, weniger die israelitischen Juden. Kinder arbeiten vor allem in Restaurants, auf Märkten, als Gehilfen in Fabriken und in Haushalten.
 
Kindersoldaten
Aus dem Weltbericht 2008 über Kindersoldaten geht hervor, dass minderjährige Palästinenser von Armee und Polizei als Informanten benutzt wurden (vgl. http://www.amnesty.de/journal/2008/august/weltbericht-kindersoldaten-2008). Israelitische Soldaten sollen palästinensische Kinder als „menschliche Schutzschilde" missbraucht haben. Die Regierung Israels hat erklärt, dass definitiv keine Kindersoldaten (Soldaten unter 18 Jahren) in Kampfhandlungen eingesetzt würden.
 
Migrantenkinder
Der Staat Israel, Lebensmittelpunkt, Heimat und Heimstätte der Juden in aller Welt, hat seit seiner Gründung große Einwanderungswellen angezogen und das Land zu einem Schmelztiegel der Kulturen gemacht. In den letzten Jahren kamen die meisten Migranten aus Äthiopien, Russland, Frankreich, den USA und der Ukraine. Die israelitische Integrationspolitik will heute die  Traditionen und Religionen der Einwanderer achten und wahren.
 
Angesichts der kulturellen, ethnischen und religiösen Vielfalt der Einwanderer wurden von der Regierung in Kooperation mit Nicht-Regierungsorganisationen und internationalen zionistischen Verbänden Programme zur Ausbildung und Eingliederung von jugendlichen Migranten entwickelt. Außerdem werden materielle und finanzielle Hilfen zur Verfügung gestellt. Angesichts der Tatsache, dass 40 Prozent der Kinder aus eingewanderten Familien die schulische Laufbahn und berufliche Ausbildung abbrechen, kümmern sich zahlreiche Vereine um deren Integration in die Gesellschaft. 
 
In einer besonders problematischen Lage sind Hundertausende Fremdarbeiter und Fremdarbeiterinnen, unter ihnen Tausende von Kindern und Jugendlichen, die aus Rumänien, Thailand und den Philippinen stammen und keine offiziellen Papiere besitzen. Den in Israel geborenen Kindern soll in naher Zukunft die Möglichkeit einer Einbürgerung eröffnet werden.
 
Über 10 000 Flüchtlinge sind aus afrikanischen Ländern nach Israel gekommen. Viele stammen aus dem Sudan, wo sie vor dem Bürgerkrieg geflohen sind. Die Legalisierung ihres Aufenthaltes im Land ist strittig.
 
Kriminalität
In Israel kommt es, statistisch gesehen, alle 13 Minuten zu einem Einbruch, alle 17 Minuten zu einem Autodiebstahl, alle 7 Stunden zu einer Vergewaltigung (vgl. Medienspiegel, Website der Deutschen Botschaft in Israel 22.2.05). Wachsende Jugendgewalt und Jugendkriminalität erregen in der Öffentlichkeit erhebliches Aufsehen. Gewalttätige Auseinandersetzungen unter Kindern und Jugendlichen nehmen stark zu. Das Alter der Beteiligten sinkt. Selbst Acht- bis Neunjährige sind in Diebstahl- und Drogenkriminalität verwickelt.

Die Kriminalität liegt besonders bei Jugendlichen aus Familien von neu Eingewanderten überproportional hoch. Kinder mit Migrationshintergrund leiden besonders häufig unter familiärer Zerrüttung, Identitätskrisen und Gewalt. Der Anteil der Jugendlichen, die im Alter von 14 bis 17 Jahren ihre Ausbildung abbrechen, ist besonders hoch.
 
Gewalt an Schulen
Zahlreiche israelische Schüler und Schülerinnen sind bereits Opfer physischer Gewalt geworden. Sowohl in Grund- wie in Mittelschulen fühlen sich viele Jungen und Mädchen unsicher und haben Angst. Mitunter kommt es zu Vorfällen auf dem Schulgelände, bei denen Waffen eine Rolle spielen. Was Jugendgewalt und Drogenmissbrauch betrifft, so liegt Israel im internationalen Vergleich in der vorderen Gruppe. Sogar unter Mädchen nehmen Gewalt, Drogenkonsum und psychische Störungen zu.
 
Die Konflikte zwischen Straßenbanden verschiedener ethnischer Bevölkerungsgruppen werden mit Gewalt ausgetragem. Das Erziehungsministerium versucht, dieser Entwicklung mit Beratung und Anti-Gewalt-Programme zu begegnen. Bei der Bekämpfung der Jugendkriminalität versucht die Polizeiarbeit, die betroffenen Jugendlichen aus ihrem kriminellen Umfeld herauszuholen, Vorstrafen zu vermeiden und ihre Zukunftschancen zu stärken.
 
Drogen
In kaum einem Land der Welt nehmen Minderjährige so häufig Beruhigungsmittel wie in Israel. Der Verbrauch an Medikamenten gegen Depression und Angstzustände ist besorgniserregend hoch. Fast 30 Prozent der Männer und mehr als 15 Prozent der Frauen rauchen. Bereits im Schulalter ist tägliches Zigarettenrauchen verbreitet. Alkoholkonsum gehört zur Jugendkultur. 
 
Etwa 5 Prozent der Israelinnen und Israelis nehmen gelegentlich oder häufig illegale Drogen, der Konsum nimmt zu. Früher war Haschisch die Droge der ersten Wahl, dann wurde es von Marihuana verdrängt. Inzwischen nimmt die Nachfrage nach Haschisch wieder zu. Studenten konsumieren neben Haschisch und Marihuana auch harte Drogen wie Heroin, Kokain, Ecstasy, Opium oder Crack. Von religiösen Jugendlichen im Alter zwischen 12 und 18 Jahren sollen harte Drogen sogar häufiger konsumiert werden als von säkular orientierten Gleichaltrigen.

Besonders gefährdet sind obdachlose Jugendliche, die ohne festen Wohnsitz auf der Straße leben. Die meisten von ihnen sind von Alkohol und harten Drogen abhängig.

 

Im internationalen Drogenhandel spielen organisierte israelisch-russische Verbrecherbanden, die den europäischen Markt kontrollieren und  auch in den USA einflussreich sind, eine große Rolle. Jedes Jahr werden schätzungsweise 70 Tonnen Heroin ins Land gebracht, meist aus Ägypten, aus dem Libanon und aus Jordanien. Ecstasy und LSD werden über See- und Flughäfen importiert.
 
In allen Städten des Landes gibt es  Drogenberatungsstellen. Lokale Behörden und Initiativen entwickeln gemeinsame Aufklärungskampagnen und Hilfsprogramme für Drogenabhängige.
 
Maßnahmen für Jugendliche in Risikosituationen
Nach israelischem Recht gelten junge Menschen unter 18 Jahren als Minderjährige, von 14 bis 17 Jahren als Jugendliche, über 18-Jährige als Volljährige (vgl. Hermann Sieben: Internationaler Jugendaustausch und Besucherdienst der Bundesrepublik Deutschland (Hg.): Jugend und Jugendarbeit in Israel, Bonn 1995, S. 45ff.) Das Gesetz zur Staatlichen Erziehung formuliert allgemeine Ziele und Grundlinien des staatlichen Schul- und Erziehungssystems. Im Gesetz über die Schulpflicht legt für das Alter von 5 bis 15 Jahren eine allgemeine und kostenlose Schulpflicht bis zur 10. Klasse fest. Eltern haben das Recht, für ihr Kind zwischen einem der anerkannten parallelen Schulsysteme (staatlich, staatlich-religiös oder unabhängig) auszuwählen.
 
Das Gesetz über das Recht auf Ausbildung aus dem Jahr 2000 nimmt Bezug auf die UN-Charta und schreibt das Recht jedes Einzelnen auf menschliche Würde, Erziehung und Teilhabe an der Ausbildung an Schulen und Universitäten fest. In der Öffentlichkeit ist Kindern und Jugendlichen bis zum Alter von 18 Jahren der Konsum von Alkohol verboten. Die 1989 von den Vereinten Nationen verabschiedete Internationale Kinderrechtskonvention wurde vom Staat Israel 1991 unterzeichnet (vgl. www.eliusa.org/home.htm: Israelischer Kinderschutzbund; www.crin.org/reg/country.asp?ctryID=102&subregID=13: Internationaler Kinderschutzbund - Sektion Israel; www.children.org.il: Nationaler Rat für das Wohl des Kindes; www.mecaed.org: israelisch-palästinensischer Kinderschutzbund). 
 
Für den Nachwuchs von neu eingewanderten arabischen Familien, die mit großen sozialen und wirtschaftlichen Problemen zu kämpfen haben und deren Hauptprobleme Gewalt, Kriminalität und Drogenkonsum darstellen,engagiert sich das Referat Jugendförderung des Erziehungsministeriums. Hunderte von Bildungseinrichtungen bieten ihnen eine ganztägige Unterbringung und Schulausbildung in Internatsform. Es gibt staatliche wie religiöse Kinderdörfer, offene und geschlossene Schutzheime für gefährdete Jugendliche und schulische Einrichtungen der Sonderpädagogik für Kinder und Jugendliche mit Lernproblemen und Verhaltensauffälligkeiten.

 
Links

Allgemein:
www.israel.de: Website der Botschaft des Staates Israel in Deutschland mit allgemeinen Informationen zu Israel;
www.mfa.gov.il: Website des Außenministeriums des Staates Israel;
www1.cbs.gov.il: Statistisches Zentralamt des Staates Israel;
www.auswaertiges-amt.de/diplo/de/Laenderinformationen/01-Laender/Israel.html: Website des Auswärtigen Amtes zu Israel;

Kinder:
www.iaic.org.il/Home:  Israel Association for Immigrant Children; 
www.orr-shalom.org.il: Wohnprojekt für gefährdete Jugendliche aus Einwandererfamilien;
www.iba.org.il/reka/: Programm des staatlichen israelischen Rundfunks für Neueinwanderer;
www.macom.org.il/todaa-NGOs-report-2005.asp: Bericht über Prostitution und Menschenhandel in Israel;
www.yeminorde.org: Jugenddorf für Kinder aus eingewanderten Familien;

Letzte Aktualisierung dieser Seite: 27.09.2012 (s. admin)Online Kompetenz  |  Sitemap  |    |