Straßenkinder in Indien. Zahlen und Fakten

 

Inhaltsverzeichnis
"Straßenkinder" und "Kinder auf der Straße"

Anzahl der Straßenkinder in Indien
Straßenkinder in den großen Metropolen
Lebenssituationen
Spezifische Fragen im Umgang mit Straßenkindern in Indien


 

"Straßenkinder" und "Kinder auf der Straße"
Die Situation von Kindern in indischen Großstädten im Kontext der Straße ist sehr unterschiedlich. Zum einen kann man von "Kindern auf der Straße" sprechen. Sie sind oftmals mit ihren Familien vom Land in eine der großen Metropolen gekommen und leben in Slums bzw. in den Randbezirken der Städte. Als Unterkünfte dienen ihnen Verschläge, Röhren, die Kanalisation. Die Kinder dieser Familien leben und arbeiten auf der Straße, wobei nach Schätzungen nur etwa 10% von ihnen einen festen Job,beispielsweise als Verkäufer an einer Straßenkreuzung, in einem Tee-Shop oder einem anderen kleinen Geschäft haben. Dort arbeiten sie oft mehr als 16 Stunden am Tag, werden ausgenutzt und schlecht bezahlt. Die anderen 90% schlagen sich mit Gelegenheitsarbeiten durch und versuchen so, ihre Familie zu unterstützen. 
 

Zum anderen gibt es die klassischen Straßenkinder, die im Gegensatz zu Kindern auf der Straße keinen Kontakt mehr zu ihren Eltern oder anderen Familienangehörigen haben. Sie sind weggelaufen oder wurden ausgesetzt und versuchen nun, sich durch typische Straßenkinderarbeiten, hauptsächlich das Sammeln und Verkaufen von Müll, durchzuschlagen.

Auch die indische Regierung unterscheidet in ihrem 11. Fünf-Jahres-Plan nach wohnungslosen Kindern und Straßenkindern. Es ist aber wichtig, darauf hinzuweisen, dass sowohl Kinder auf der Straße als auch Straßenkinder in völlig unangemessenen Verhältnissen leben und der Übergang vom Leben als Kind auf der Straße hin zu einem Straßenkind  fließend ist.


Anzahl der Straßenkinder in Indien
Die indische Regierung äußert sich zur Situation der Straßenkinder nur sehr zurückhaltend. Es gibt eine offizielle Schätzung aus dem Jahr 1997, nach der es 11 Millionen Straßenkinder geben soll. 420.000 leben angeblich in den sechs größten Metropolen des Landes. Die meisten dieser Kinder sollen zwischen acht und zwölf Jahren alt sein. Von Regierungsseite wurde seit 1997 kein Versuch mehr unternommen, diese Zahlen zu aktualisieren und zu differenzieren.
 

Nach Schätzungen von Unicef, Don Bosco, Human Rights Watch und anderen Organisationen liegt die Zahl der indischen Straßenkinder im Alter von sechs bis fünfzehn Jahren bei etwa 18 bis 20 Millionen. Daneben gibt es Schätzungen, die von 40 Millionen Straßenkindern ausgehen. Diese dürften jedoch zu hoch greifen.

 

Straßenkinder in den großen Metropolen
Straßenkinder im klassischen Sinne finden sich in Indien fast ausnahmslos in den Städten ab einer Einwohnerzahl von ca. 50.000 Einwohnern. In Nord- und Zentralindien gibt es mehr Straßenkinder als in Südindien. Dies hat zum einen damit zu tun, dass es dort nicht viele große Städte gibt. Zum anderen hängt die Armutslage von den politischen Verhältnissen in dem einzelnen Bundesland ab. Im Vorzeigestaat Kerala, im Südwesten Indiens, finden sich beispielsweise so gut wie gar keine Straßenkinder. Indien ist, trotz seiner großen Metropolen, nach wie vor ein Land der Dörfer, deren Zahl man auf über eine Million schätzt. Indische Straßenkinder halten sich  fast ausnahmslos in den großen Städten auf. Viele der Kinder und / oder ihrer Familien stammen aber aus ländlichen Gebieten und damit aus Dörfern.

 

Lebenssituationen
Die meisten Straßenkinder hausen in unhygienischen, verwahrlosten und ungeschätzten Verhältnissen. Viele leiden an Unterernährung und Krankheiten wie Tuberkulose, Typhus, Lepra, Malaria oder Aids. Zudem geraten sie schnell in Abhängigkeit von Drogen und Alkohol. Sie leiden unter den Abgasen. Es fällt auf, dass viele unter Hautkrankheiten und Knochenbrüchen leiden. Diese Erkrankungen bleiben meist unbehandelt und unversorgt. Unsicherheit und Unstetigkeit des Lebens auf der Straße verursachen bei vielen Kindern psychische Erkrankungen. Die seelischen Traumatisierungen als Folge von Vernachlässigung, Verwahrlosung, Unsicherheit, Schutzlosigkeit, Ausbeutung, Misshandlung, Missbrauch, Hunger und Abhängigkeiten aller Art sind gravierend.


Spezifische Fragen im Umgang mit Straßenkindern in Indien
Der Umgang mit Straßenkindern in Indien ist ambivalent. Kinder sind zwar hoch geschätzt. Aber das Bild von Straßenkindern, die in den Metropolen des Landes im Elend hausen, gehört seit vielen Jahrzehnten zum Alltag und scheint kaum jemanden zu wundern. Straßenkinder sind da und werden doch nicht wirklich gesehen und wahrgenommen. Viele begegnen ihnen mit Abwehr und Verachtung. Manche unterstützen sie mit kleinen Geldspenden. Religiöse Vorstellungen von Karma, Dharma und Moksha im Hinduismus sind geeignet, eine gewisse Gleichgültigkeit zu bestärken. Viele Hindus scheinen kein Mitleid zu empfinden und sehen sich gegenüber Straßenkindern nicht zu tatkräftigem Handeln genütigt. Das Dasein dieser Kinder erscheint ihnen als Folge eines schlechten Karmas. Kinder sind demnach selbst daran schuld, dass sie unter so widrigen Umständen leiden. Wer dennoch Mitleid empfindet und sich zu einer kleinen Unterstützung entschließt, kann damit sein eigenes Karma stärken oder verbessern. Für fromme Hindus dürfte beim Umgang mit Straßenbewohnern auch die Kasten- bzw. Jalitzugeöhrigkeit eine Rolle spielen. Obgleich religiöse Traditionen und Prägungen ausschlaggebend sind, sind eindeutige und allgemein gültige Aussagen auf diesem Gebiet nur schwer zu treffen.



Letzte Aktualisierung dieser Seite: 07.07.2015 (s. admin)