Kinderhandel
(Hartwig Weber, März 2010)
 

Inhaltsverzeichnis
Zur Situation
Definition
Kinderhandel im deutschen Strafgesetzbuch
Rahmenbedingungen des Völkerrechts
Der Kinderhandel und die UN-Kinderrechtskonvention
Auslandsadoptionen
Links und Literatur

 

Zur Situation
Kurz nach dem schweren Erdbeben in Haiti vom 12. Januar 2010, bei dem etwa 300.000 Menschen ums Lebenkamen, weiter 300.000 Personen verletzt und 1,2 Millionen obdachlos wurden, gingen Meldungen durch die Weltpresse, wonach Kinder aus Krankenhäusern verschleppt worden seien. Nach großen Naturkatastrophen, so hieß es, sei es fast schon üblich, dass Netzwerke von Kinderhändlern, die den illegalen Adoptionsmarkt bedienten, besonders aktiv würden. Nach dem katastrophalen Erdbeben, dem schlimmsten, das Haiti jemals heimgesucht hat, führten zahlreiche Regierungen weltweit beschleunigte Adoptionsverfahren ein und lockerten die Visabestimmungen, um Waisenkinder möglichst rasch aus der Not zu retten. Tausende von haitischen Kindern wurden in die USA, vor allem nach Florida, aber auch nach Europa evakuiert, von den Behörden als Waisenkinder deklariert (obwohl noch nicht abzusehen war, ob ihre Angehörigen noch gefunden würden) und bei Adoptiveltern untergebracht. Bereits vor dem Erdbeben waren aus Haiti Jahr für Jahr über 1000 Kinder über die Grenze ins Nachbarland Dominikanische Republik geschmuggelt worden, wo sie durch Betteln, die Übernahme häuslicher Arbeiten, sexuelle Dienstleistung oder Arbeiten auf der Straße ihr Leben zu fristen versuchten. Nicht wenige dieser Kinder waren von ihren verarmten Familien verkauft, andere gewaltsam entführt worden.

Menschenhandel – eine moderne Form der Sklaverei - ist im 21. Jahrhundert nicht nur in Lateinamerika, sondern weltweit verbreitet. 12 Millionen Menschen, unter ihnen mehr als eine Million Kinder, sollen betroffen sein.

Nr: 442 Menschenhandel_weltweit

 Lesehilfe: Die Statistik zeigt die Anzahl der Opfer des Menschenhandels zum Zweck der sexuellen Ausbeutung nach Nationalität im Jahr 2010. Im Jahr 2010 wurden in Deutschland insgesamt 610 Opfer von Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung gezählt.

Auch in Europa werden Kinder von Schleuserbanden als billige Arbeitskräfte, Haushilfen, Organspender und Prostituierte angeboten und verkauft. Nach Schätzungen von UNICEF, OSZE und dem UN-Kommissariat für die Menschenrechte sollen die Menschenhändlerringe in Europa immer professioneller vorgehen. Kinder werden aus Albanien nach Griechenland und Italien, aus Moldawien und Rumänien nach Polen, Tschechien und Westeuropa verschleppt. Jährlich sollen etwa 120.000 Frauen und Kinder aus Ost- und Südosteuropa in die westeuropäischen Staaten verkauft werden. Angeblich werden in West- und Zentralafrika jedes Jahr 200.000 Kinder verkauft. Sie müssen Schwerstarbeit auf Plantagen verrichten, in Haushalten arbeiten und als Straßenverkäufer ihr Leben fristen. In Indien werden insbesondere Kinder aus niedrigen Kasten und Stammesgesellschaften gehandelt. Jedes Jahr sollen 5000 bis 7000 Mädchen aus Nepal an Bordelle in Bombay und Neu Delhi gebracht werden. In Thailand werden Mädchen aus dem Norden als Kinderprostituierte in den reicheren Süden verkauf.

In Mitteleuropa verschwinden aus den Flüchtlingslagern regelmäßig Minderjährige, zum Beispiel afrikanische Kinder und Jugendliche aus den italienischen Migrantenzentren, und tauchen unter. In Rom suchen pro Jahr Hunderte von Mädchen die Hilfe von Sozialeinrichtungen, nachdem sie zur Prostitution gezwungen worden sind. Niemand weiß, wieviele Mädchen und junge Frauen Zuhälterringe aus Osteuropa in deutsche Bordelle verfrachten. Das Dunkelfeld scheint beträchtliche Ausmaße zu haben.

Definition
Kinderhandel bezeichnet Anwerbung, Transport, Übersendung, Unterbringung oder Entgegennahme Minderjähriger in ausbeuterischer Absicht. Dabei werden Gewalt, Drohung oder Zwang angewendet. Oft wird die Zustimmung der Person, die die Kontrolle über das betreffende Kind hat, mit Geld oder sonstigen Begünstigungen erkauft. Der Kinderhandel zielt auf die Ausbeutung durch Arbeit, Prostitution und illegale Tätigkeiten wie Betteln, Diebstahl oder Drogenhandel.

 

Kinderhandel im deutschen Strafgesetzbuch
Kinderhandel zum Zweck der Ausbeutung ist ein Teilbereich der grenzüberschreitenden Kriminalität. Nach § 236 des Strafgesetzbuches sind Verkauf und Kauf von Kindern sowie unbefugte Adoptionsvermittlung strafbar.

§ 236 lautet folgendermaßen:
„(1) Wer sein noch nicht achtzehn Jahre altes Kind oder seinen noch nicht achtzehn Jahre alten Mündel oder Pflegling unter grober Vernachlässigung der Fürsorge- oder Erziehungspflicht einem anderen auf Dauer überlässt und dabei gegen Entgelt oder in der Absicht handelt, sich oder einen Dritten zu bereichern, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Ebenso wird bestraft, wer in den Fällen des Satzes 1 das Kind, den Mündel oder Pflegling auf Dauer bei sich aufnimmt und dafür ein Entgelt gewährt.

(2) Wer unbefugt
1. die Adoption einer Person unter achtzehn Jahren vermittelt oder
2. eine Vermittlungstätigkeit ausübt, die zum Ziel hat, daß ein Dritter eine Person unter achtzehn Jahren auf Dauer bei sich aufnimmt
und dabei gegen Entgelt oder in der Absicht handelt, sich oder einen Dritten zu bereichern, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Ebenso wird bestraft, wer als Vermittler der Adoption einer Person unter achtzehn Jahren einer Person für die Erteilung der erforderlichen Zustimmung zur Adoption ein Entgelt gewährt. Bewirkt der Täter in den Fällen des Satzes 1, daß die vermittelte Person in das Inland oder in das Ausland verbracht wird, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe.

(3) Der Versuch ist strafbar. 

(4) Auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter
1. aus Gewinnsucht, gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung eines Kinderhandels verbunden hat, oder
2. das Kind oder die vermittelte Person durch die Tat in die Gefahr einer erheblichen Schädigung der körperlichen oder seelischen Entwicklung bringt.

(5) In den Fällen der Absätze 1 und 3 kann das Gericht bei Beteiligten und in den Fällen der Absätze 2 und 3 bei Teilnehmern, deren Schuld unter Berücksichtigung des körperlichen oder seelischen Wohls des Kindes oder der vermittelten Person gering ist, die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2) oder von Strafe nach den Absätzen 1 bis 3 absehen."
(Fassung aufgrund des Gesetzes zur Umsetzung des Rahmenbeschlusses des Rates der Europäischen Union zur Bekämpfung der sexuellen Ausbeutung von Kindern und der Kinderpornographie vom 31.10.2008.)

 

Rahmenbedingungen des Völkerrechts
Bereits in den 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts kamen zahlreiche unbegleitete ausländische Minderjährige vor allem aus asiatischen und afrikanischen Ländern nach Deutschland. Nach dem Zusammenbruch des ehemaligen Sowjetreiches nahm die Zahl der eingereisten Kinder aus osteuropäischen Ländern sprunghaft zu. In der Zeit um die Jahrhundertwende hielten sich in Deutschland schätzungsweise 10.000 unbegleitete Kinder auf. Ihre Zahl präzise festzustellen, ist auch heute unmöglich, da viele untergetaucht sind und keinerlei Behördenkontakt haben. Die Kinder und Jugendlichen stammen aus Ländern, in denen sie unter Armut und Perspektivlosigkeit litten, in denen Krieg herrscht und Menschen aus politischen Gründen verfolgt werden. Viele sind verwaist, andere wurden von ihren Angehörigen über die Grenze in vermeintliche Sicherheit gebracht. In Rumänien werden verarmte Kinder aufgekauft oder von ihren Familien freiwillig weggegeben und über ein verzweigtes Netzwerk von Händlern in westeuropäische Länder verfrachtet, wo angeblich bessere Lebensperspektiven auf sie warten. Es sind immer prekäre Lebenssituationen, die Kinder zu Opfern des Menschenhandels machen.

Ein Großteil der verkauften Kinder wird zu „Klaukindern" - für Bettelei und Diebstahl - abgerichtet. Sie bleiben dabei im Visier von Hintermännern, die die Gewinne regelmäßig abschöpfen. Zahllose Minderjährige sind an der deutsch-tschechischen Grenze in der Prostitution tätig. Unter den jugendlichen Strichern in Frankfurt am Main soll es zahlreiche Jungen aus osteuropäischen Ländern geben, die von Menschenhändlern über die Grenze geschmuggelt wurden.

Unbegleitete ausländische Kinder, die als Opfer des Kinderhandels nach Deutschland kommen, reisen naturgemäß unerlaubt ein und halten sich demnach hier illegal auf. Kontrolliert von kriminellen Hintermännern, kommen sie weder mit der Ausländerbehörde noch mit dem Jugendamt in Kontakt. Dabei sind sie eigentlich verpflichtet, eine Aufenthaltsgenehmigung zu beantragen. Um auch nur einen kurzen Aufenthaltsschutz zu bekommen, müsste ein Asylverfahren eingeleitet werden. Eine Anerkennung als minderjährige Asylberechtigte ist für sie jedoch so gut wie ausgeschlossen. So können sie höchstens eine Duldung erreichen, die die Abschiebung vorläufig hinausschiebt. In der Regel fallen sie in die Lücke, die zwischen der Jugendhilfe, welche dem Kindeswohl verpflichtet ist, und dem ordnungspolitisch geprägten Ausländerrecht klafft. Unbegleitete Minderjährige werden in ein Asylverfahren gedrängt, das ihrer Situation nicht gerecht wird und das in der Regel mit der Zwangsmaßnahme von Haft und Abschiebung endet. Mit dieser Praxis steht das geltende deutsche Recht nicht im Einklang mit den Schutzbestimmungen der UN-Kinderrechtskonvention.


Der Kinderhandel und die UN-Kinderrechtskonvention

Die >Kinderrechtskonvention ist das erste zwischenstaatliche Abkommen, das sich ausschließlich mit dem Schutz des Kindes weltweit befasst. Nach Artikel 3 ist das Kindeswohl die Leitmaxime der Konvention. Die Artikel 20 und 22 formulieren Schutzbestimmungen für Minderjährige, die aus ihrem familiären Bezugsfeld herausgefallen sind. Nach Artikel 35 verpflichten sich die Unterzeichnerstaaten der Konvention Maßnahmen zu ergreifen, die den Menschenhandel (Verkauf und Entführung von Kindern) unterbinden. Damit hat sich auch Deutschland verpflichtet, das innerstaatliche Recht, so weit es mit der Konvention nicht vereinbar ist, durch geeignete Gesetzgebungsmaßnahmen anzupassen. Das in Artikel 3 der Konvention formulierte Kindeswohl als oberster Grundsatz verlangt auch eine angemessene Aufenthaltssicherung unbegleiteter ausländischer Kinder.


Nr: 443 Adoptionen_Deutschland

 LesehilfeDie Statistik zeigt die Anzahl der in Deutschland adoptierten Kinder und Jugendlichen im Jahr 2010 nach Kontinenten. Im Jahr 2010 wurden in Deutschland 217 Kinder aus Asien adoptiert. Insgesamt wurden im Jahr 2010 in Deutschland 4.021 Kinder und Jugendliche adoptiert. 

Auslandsadoptionen

Die Adoption von Kindern aus Ländern der Dritten Welt ist zu Recht umstritten. In der Regel ist der dazu notwendige finanzielle Aufwand für ein einziges Kind so groß, dass man damit eine ganze Familie mit mehreren Kindern befähigen könnte, sich zu ernähren und den Nachwuchs zu bilden. Die Haager Adoptions-Konvention (1993 verabschiedet; seit 2002 auch in Deutschland in Kraft) will „die Entführung und den Verkauf von Kindern sowie den Handel mit Kindern (…) verhindern" (Präambel und Artikel 1). Bei jeder Auslandsadoption soll einzig das Wohl und das Recht des vermittelten Kindes im Mittelpunkt stehen.

In Deutschland begann die Vermittlung ausländischer Kinder in den 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Anfangs wurden Kriegswaisen aus Vietnam, später Kinder aus Mittel- und Südamerika sowie aus Asien adoptiert. Seit 1989 kommen zunehmend Kinder aus Osteuropa hinzu. Lagen die Motive der Adoptiveltern anfangs im politischen, sozialen oder religiösen Bereich, so handelt es sich bei den Bewerbern der letzten Jahrzehnte hauptsächlich um kinderlose Paare, die – sozusagen auf dem Weg über die Dritte Welt - eine für sich sinnvolle Lebensweise realisieren wollen. Inzwischen hat sich ein globaler Kindermarkt entwickelt. Die Zahl der adotionswilligen Paare insbesondere in den USA, Australien, Westeuropa und Israel übertrifft diejenige der Adoptionsbedürftigen bei Weitem.

Nach dem Haager Adoptionsübereinkommen sind die Vertragsstaaten verpflichtet, eine zentrale Behörde einzurichten, die bei jeder Auslandsadoption beteiligt sein muss. In Deutschland sind dies die Zentralen Adoptionsstellen der Landesjugendämter. Die praktische Vermittlung übernehmen staatliche und nichtstaatliche zugelassene und beständig kontrollierte Vermittlungsagenturen, die nicht kommerziell arbeiten. Bevor ein Kind adoptiert werden kann, muss der Staat angemessene Maßnahmen ergreifen, die es ermöglichen, dass das Kind in seiner Herkunftsfamilie bleiben kann. Erst wenn sicher ist, dass es für das betroffene Kind keine Chance gibt, bei seinen leiblichen Eltern zu bleiben oder in einer Ersatzfamilie im Land seiner Geburt aufgenommen zu werden, kann es adoptiert werden. Nach Artikel 32 darf für niemanden aus Tätigkeiten im Zusammenhang einer internationalen Adoption ein unstatthafter Vermögensvorteil erwachsen.


Links und Literatur

Gegen das Wegsehen. Informationen zur sexuellen Ausbeutung von Kindern, hg. von ECPAT Deutschland e.V.: Arbeitsgemeinschaft zum Schutz der Kinder vor sexueller Ausbeutung, Freiburg 2008 (dort zahlreiche Literatur, Medien und Arbeitsmaterialien) 

Kinderhandel:
http://www.spiegel.de/thema/kinderhandel/
 

Kinderhandel in Haiti:
http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2010-01/haiti-kinderhandel-adoptionen?page=all
 

Hintergründe:
http://www.tdh.de/content/themen/schwerpunkte/kinderhandel/index.htm
 

Haager Adoptionsübereinkommen:
http://www.blja.bayern.de/textoffice/gesetze/haager/index.html
 

Auslandsadoption:
http://www.bundesjustizamt.de/cln_101/nn_257850/sid_1C7D562B1F83348DF9DBE8A9CBC0CA8D/
nsc_true/DE/Themen/Zivilrecht/BZAA/BZAA__node.html?__nnn=true
 

Adopted Child Syndrome:
http://www.amfor.net/acs/ 

Kinderhandel in Laos:
http://www.unicef.de/index.php?id=156
 

Unerlaubte Adoptionsvermittlung:
http://www.blja.bayern.de/themen/adoption/kinderhandel/index.html



Letzte Aktualisierung dieser Seite: 17.01.2018 (s. admin)