Selbstbewusstsein, Zukunftsvorstellungen
(Markus Wiencke)
 
Die meisten Interviewpartnerinnen und -partner empfinden im Rückblick
ihr frueheres Leben zu Hause besser als ihre aktuelle Situation, wie es ein 14 Jahre
altes Mädchen ausdrückt: "The life when I was with my mother was nicer than
the life on the street." Insbesondere deshalb, weil sie bei Krankheit gepflegt
worden seien. "I think that in the village the condition was a little bit somehow nice.
Because my parents when I was sick they didn’t accept to let me continue to be
sick. They found some medicines (...) But here on the street nobody to look after me.
When I be sick, o.k., I just be sick, so many problems in town."  "Home was well
because when you are sick they are helping."
 
Trotzdem gab es nach ihrer Meinung oft keine andere Möglichkeit, als ihr
Zuhause zu verlassen und nach Mwanza zu kommen. Und die wenigsten
wollen wieder nach Hause zurückgehen. Der Großteil von denen, die gern
zurückgingen, sehen es nicht als realistische Lebensmöglichkeit an – wie
ein 15 Jahre alter Jugendlicher: "It’s very near, but I don't like to go because
mama she is living with beggars."
 
Beurteilung der Situation
Viele Straßenkinder haben erkennen lassen, dass sie sich ein anderes Leben
wünschen, ein Leben, das weniger Schwierigkeiten und Probleme mit sich
bringt, so eine 16-jährige Jugendliche: "She says that she doesn’t like the
life on the street, especially." Ein 15 Jahre alter Junge spricht für viele Kinder
und Jugendliche auf der Straße: "He says he enjoys the life, but he would
like to have someone to pay him the school fees."

Ich konnte mit den Straßenkindern viele schöne, angenehme und lustige
Stunden verbringen, aber die materielle Not war immer da. Das ist auch
an ihren Zukunftswünschen zu erkennen, die oft Verbesserungen
des Lebensstandards zum Inhalt haben.

Die geäußerten Ängste lassen sich unterteilen in Angst vor Krankheiten
und in Angst vor Polizei und Sicherheitskräften. Viele haben Angst vor
Malaria und HIV, Ängste, die in Mwanza genauso wie die Angst vor der
Polizei und den sungusungu gut begründet sind.
 
Bei einigen steht die Angst vor der Polizei im Vordergrund: "When I was
in the streets, I fear to go to prison." Ein Mädchen hat seine Angst vor
älteren Straßenjungen geäußert, die es schlagen und vergewaltigen könnten.
 
Zukunftsvorstellungen
Die Zukunftsvorstellungen sind eher optimistisch, in dem Sinne, dass es
Hoffnung auf kleinere Verbesserungen ihrer Lebenssituation gibt. Bis auf
ein Mädchen, das bald nach Hause zurückgehen will, rechnen alle
Interviewpartnerinnen und -partner damit, in den nächsten Jahren in
Mwanza zu bleiben. Das ist sicherlich repräsentativ übertragbar auf die
Mehrheit der Straßenkinder.
 
Die Zukunftswünsche lassen sich differenzieren in abstrakte und konkrete.
Die abstrakten Wünsche beinhalten eine allgemeine Verbesserung der
Lebenssituation wie bei einem 21 Jahre alten Interviewpartner: "My dreams
for the future are just to have a good life, and to help my parents, and to help
exactly my family because they are poor."
 
Oder es sind Wünsche, von denen die Interviewpartnerinnen und -partner
wissen, dass sie nicht erfüllbar sind. Oft wünschen sie sich, weiter zur Schule
gehen zu können.
 
Die meisten wünschen sich eine einfache Arbeit zum Gelderwerb. Viele
möchten ein eigenes Zimmer haben. "She says that when she could have a
room, she could, and somebody to give her the capital, she could do
the life, she could do any kind of business, and she could live, she could
start her life."

(vgl. Markus Wiencke: Strassenkinder in Tansania, Weissensee Verlag, Berlin 2009)




Letzte Aktualisierung dieser Seite: 23.11.2010 (Prof. Dr. H. Weber)