Non formal education – nicht formale Bildung
Der Wunsch, eine (Schul-)Ausbildung abzuschließen und einen Beruf zu erlernen, wird von sehr vielen Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die auf der Straße anzutreffen sind, geäußert. In die Schule zurückkehren, wie sie sie kennengelernt haben, wollen die wenigsten, aus dem einen Grund: Schule bereite sie nicht auf ihr Leben vor und frage nicht nach ihren individuellen Fähigkeiten und Bedürfnissen (vgl. auch Girg/Müller (2010), S. 21). Sicher trifft dies nicht auf alle Kinder und Jugendlichen in Schulen zu. Aber die Gruppe der durch Schule exkludierten jungen Menschen wächst konstant. Darauf muss reagiert werden, wenn nötig mit einer eigenen, auf die speziellen Lernbedürfnisse angepassten Didaktik (Hurrelmann (2007), S. 195ff). Hierzu kann der Text „Straßenkinderpädagogik" unter "Bedrohte Kindheiten" gelesen werden. Schon seit den 60er und 70er Jahren des letzten Jahrhunderts werden Stimmen laut, Schulinhalte und -systeme auch an die Bedürfnisse derjenigen Schüler anzupassen (vgl. Freire (1984), die mit dem herkömmlichen Schulsystem keine Chance auf Selbstverwirklichung haben. Die „non-formal-education" fordert dies ein, und immer wieder werden im Kampf gegen Unterdrückung, Armut und Exklusion Methoden und Lernkonzepte entwickelt, die jedoch trotz ihres Erfolges nicht formal als Schulbildung anerkannt werden. Seit den 60er Jahren werden die Begriffe informal learning (auch lifelong learning, community education, community learning oder social pedagogy) und non-formal education von formal education unterschieden und diskutiert. Die UNESCO definiert die drei Begriffe durch Combs, Prosser und Ahmed 1973 bereits wie folgt (zitiert aus: http://www.infed.org/biblio/b-nonfor.htm): Kindergärten, Schulen, Ausbildungsstätten und Universitäten gehören als Institution der „formellen" institutionellen Bildung und Erziehung an. Der mittlerweile auch in Deutschland weit verbreitete Begriff des lebenslangen Lernens ist am ehesten der informal education zuzuschreiben. Diejenigen Projekte aber, die sich der Bildung und Ausbildung von randständigen Kindern und Jugendlichen annehmen und außerhalb der üblichen Bildungsinstitutionen arbeiten, gehören der letzen Kategorie an. Diese werden im Deutschen fälschlicher Weise oft als informelle Bildungsangebote bezeichnet. Die Straßenpädagogik agiert somit im nichtformellen Bildungsbereich. Die non-formal education – nicht formale Bildung – hat den Vorteil, dass junge Menschen auch ohne die institutionell vorgeschriebenen Qualifikationen und Zeugnisse, Schulgelder und andere Rahmenbedingungen Wissen vermittelt bekommen. Der Nachteil ist die mittlerweile überall auf der Welt bestehende Pflicht, behördlich anerkannte Zeugnisse der schulischen Leistungen vorzulegen, um auf dem Arbeitsmarkt oder an weiterführenden (Hoch-)Schulen und Ausbildungsstätten Erfolg zu haben. Die geforderten Qualifikationen werden dabei immer anspruchsvoller und spezifischer, gehen oft weit über die eigentlich erforderlichen Kompetenzbereiche hinaus. Selten dürfen die jungen Erwachsenen ihr Können in der Praxis unter Beweis stellen, sie werden allein aufgrund der Tatsache abgelehnt, die vorgeschriebenen Qualifikationen nicht vorlegen zu können. Längst zählen in der heutigen (Arbeits-)Welt nicht mehr die eigentlichen Kompetenzen – die individuellen Fähigkeiten und Ressourcen – einer Person, sondern das Papier, auf dem bescheinigt wird, dass diese einmal erfolgreich gemessen und abgeprüft worden sind. Die Schwierigkeit, Kompetenzen, die ja durch stetige Lernprozesse weiter ausgebildet werden, zu messen und in Leistungen oder Qualifikationen auszudrücken sehen, u.a. Bauer/Logemann (2009), S. 32. Ziele und Zielgruppe der non-formalen Bildung sind (aus: http://www.infed.org/biblio/b-nonfor.htm): - Anpassung an die relevanten Bedürfnisse der besonderen Lebenslagen. Beispiele hierfür wären, um nur einige zu nennen, Open Schools Worldwide, eine weltweite Campagne zur Bildung von Kindern in riskanten Lebenslagen (http://openschoolsworldwide.org/), die MLMG Methode, die sich gezielt in sogenannten „Integralen Schulen" an die Lernbedürfnisse von Farmerkindern in Indien anpasst (vgl. Ralf Girg/Thomas Müller (2010): die MultiGradeMultiLevel-Methodology und ihre Lernleitern, Regensburg), die Straßenschule in Mannheim, die Jugendliche und jungen Erwachsene über non-formale Bildungsangebote auf einen externen Schulabschluss vorbereitet (http://www.freezone-mannheim.de/page.php?seite=Info_Strassenschule.html). Alle Programme sind der non-formal education zuzuordnen. Jedes Kind hat das Recht auf Bildung (vgl. Grundgesetz, Menschen- und Kinderrechte, Kapitel 2), und dennoch gehen weltweit 104 Millionen Kinder nicht zur Schule, sind 800 Millionen Menschen Analphabeten. In Deutschland wird von sogenannten „Risikoschülern" und Prekariat gesprochen, die auf dem Arbeitsmarkt nahezu chancenlos sind (vgl. Bauer/Logemann (2009); S. 15 und 31).
http://www.infed.org/biblio/b-nonfor.htm (zugegriffen am 30. Oktober 2011) Bauer, Karls-Oswald/Logemann, Niels (Hrsg.) (2009): Kompetenzmodell und Unterrichtsentwicklung, Bad Heilbrunn: Julius Klinkhardt.
|
Letzte Aktualisierung dieser Seite: 01.11.2012 (s. admin) |