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Afrika

Biographisches: Lebensgeschichten, Interviews
(Interviews und Fotos: Maren Basfeld)

Dieses Kapitel enthält biographische Schilderungen und Interviews mit Kindern und Jugendlichen, die in der südafrikanischen Megastadt Johannesburg und Umgebung auf den Straßen oder in Shelter für Straßenkinder leben.

Inhaltsverzeichnis
Lebensschilderungen
Sifiso
Patricia
Sarah
Jabu

Gespräche/Interviews
Joshua
Zenzi
Bonginkosi und Ayanda
Eunice
Patrick

schwarzes Mädchen





























Sifiso (Junge)

Als Sifiso 12 Jahre alt war, fand man ihn auf der Straße. Seit 2005 arbeitet er dort und nimmt täglich Drogen. Er war von Zuhause geflohen, weil sein Vater, Alkoholiker, ihn ständig schlug und seine Mutter mit Aids todkrank zu Bett lag. Sie lebten alle in einer kleinen, engen Hütte in Armut. Ein Sozialarbeiter brachte Sifiso in ein Heim, wo er eines Tages Folgendes über sein Leben aufschrieb:

"Ich will hier weg. Ich vermisse die guten Tage mit Mom. Warum ich? Warum musste ich alles verlieren? Meine Schwester, meinen Vater? Warum brachten mich meine Eltern in diese Welt, obwohl sie wussten, dass sie gehen würden? Warum ließen sie mich mit ihiupheko yakulelitizwe (Hausarbeit) zurück?

Sie wussten, dass ich keinen hlobo (Freund) habe. Sie wussten, dass da niemand ist, der auf mich aufpasst. Mein Vater zeigte mir noch nicht einmal die Liebe, die andere Kinder von ihren Vätern bekommen. Er ließ meine Mutter einfach schwanger zurück. Meine Mutter, obwohl sie jung war, warf mich nicht in die Mülltonne, um mich dort zu lassen. Obwohl sie keine Kraft hatte, zeigte sie mir, warum sie mich in diese Welt brachte. Manchmal wünschte ich, Gott hätte mir gute Eltern gegeben. Sie planten, ein Kind zu haben. Das bedeutet, dass ich ein Fehler auf Erden bin. Alles geht schief für mich und da ist niemand, der mich liebt."

Patricia


























Patricia (Mädchen)

"Es schreit noch, sie haben es mir einfach weggenommen. Seine Füße haben aus der Mülltonne geguckt. Ich kann sie nur nicht wieder finden. Jeden Morgen suche ich mein Baby von neuem. Ich wollte es haben, ich bin eine gute Mutter, ich liebe mein Kind, mein Baby, sie haben es versteckt, damit ich es nicht finde. Sie glauben, ich wäre keine gute Mutter. Sie mögen mich nicht, keiner mag mich."

Verzweifelt beginnt sie zu weinen.

"Die Tonne ist leer, da waren doch aber noch die Füße, ich kann es hören.... Es ist weg, sie haben es mir weggenommen, ich muss es finden, doch es ist weg. Mein Baby hat seine Mutter verloren, wer hat es gesehen?"

Oft sieht man Patricia schreiend oder wirres Zeug rufend durch die Straßen irren. Sie kann von einer Minute auf die andere sehr aggressiv werden. Dann darf ihr keiner in die Quere kommen. Patricia ist zwanzig Jahre alt und wurde auf der Straße schwanger. Seit Monaten leidet sie an Haluzinationen und den Symptomen von Aids, sie ist drogenabhängig und unterernährt. In der Einrichtung, an die sie sich hin und wieder wendet, kann sie aber mit Kind nicht bleiben. Frauenhäuser gibt es in Südafrika nicht genug. So hat man ihr nahegelegt, sich für eine Abtreibung zu entscheiden. Man hatte es ihr freigestellt, das Kind zu behalten. Allerdings würde sie dann gehen müssen. Das hätte bedeutet, wieder auf der Straße leben zu müssen. Sie ist seit drei Jahren infiziert. Lange lebte sie auf den Straßen von Daveyton und Benoni. Der Drogenmissbrauch, ihre Krankheit, die zu lange ohne Behandlung blieb, und das Leben auf der Straße als Prostituierte, haben sie der Fähigkeit beraubt, klar zu denken. Sie ist in eine Welt der Träume und wahnhaften Vorstellungen geflüchtet.

So willigte sie ein, ihr Kind abzutreiben. Nach dem Eingriff ist sie lange nicht über diesen Verlust hinweg gekommen. Sie glaubte, mit Hilfe des Babys wieder normal leben zu können. Diese Möglichkeit, ein normales Leben als Frau und Mutter zu führen, war ihr ihrer Meinung nach mit der Abtreibung genommen worden. Sie kann nicht begreifen, was passiert ist und sucht einen Schuldigen. Mit einer Therapie, auch medikamentös, konnte sie sich von ihren Alpträumen zeitweise befreien. Wochenlang suchte sie verzweifelt in jeder Mülltonne nach ihrem ungeborenen Kind. Sie glaubt gesehen zu haben, dass es mit den Füßen nach oben dort hinein getan wurde.

Sexuelle Aufklärung, Verhütung und Abtreibungen sind in Südafrika nach wie vor Tabuthemen. Die Einrichtungen weigern sich aus religiösen Gründen, den Mädchen die Pille oder Kondome zu Verfügung zu stellen. Abtreibung bleibt dann oft die einzige Lösung.

Sarah (junge Frau)
"Jahre lang habe ich auf der Straße gelebt und dort auch meine Tochter Melissa auf die Welt gebracht. Damals war ich dreizehn Jahre alt. Oft wurde ich von Männern angerührt und manchmal habe ich damit Geld verdient, sonst wären wir verhungert. Als Melissa ein Jahr alt war, nahm mich eine Frau auf. Sie hatte mich oft mit meinem Baby auf dem Rücken betteln gesehen und mir nun einen Job bei sich im Haus als Hausmädchen angeboten. Ich hatte einen Platz zum schlafen, eine Arbeit und Melissa geht jetzt zur Schule. Sie ist sehr schlau und malt wunderschöne Bilder, die sie mir oft schenkt.

Mir ging es plötzlich nicht mehr gut. Der Arzt sagte, ich habe den Virus in mir gehabt. Wohl wegen dem Leben auf der Straße. Ich nahm ab, war oft krank und sehr schwach. Die Frau gab mir Vitamintabletten, die sehr teuer sind. Die halfen mir. Mir ging es bald etwas besser. Zu Hause in kwaZulu Natal (eine der neun Provinzen von Südafrika an der Süd-Ost Küste) veranstaltete meine Familie ein Fest für mich. Sie wuschen mich mit Kuhdung und beteten viele Tage lang. Wir tanzten und schlachteten. Jetzt konnte der Virus sich nicht mehr in meinem Körper ausbreiten und ich auch niemanden mehr anstecken. Deshalb hatte mich meine Familie eingeladen.

Beim Arbeiten lernte ich meinen Freund kennen, Tshepo L. Er arbeitet auch für die Frau. Eines Tages merkte ich, dass ich schwanger war. Kurz bevor das Kind zur Welt kam, sprach mich eine Frau auf der Straße an, ob ich nicht bei ihrer Kirche mitmachen wollte. Dort redeten sie auch von diesem Virus und sagten, dass Tabletten nichts bewirken. Nur wer an Jesus glaubt und betet, kann geheilt werden. Denn seine Kraft ist größer als jedes Medikament. Die Kirche versprach, für alle zu beten, die diesen Virus haben und ich traf viele, die schon geheilt worden waren. Sie sahen dick und gesund aus und erzählten in der Kirche, wie Gott das Wunder an ihnen vollbrachte.

Tshepo hatte wegen der Waschung von zu Hause in Natal keinen Virus von mir bekommen. Er war gesund. Als das Baby da war, gab es einen Gottesdienst nur für mich in der neuen Kirche. Der Pfarrer sagte, mein Baby sei Gottes Kind und jeder aus der Gemeinde kam, um es zu sehen. Ich gab ihnen mein ganzes Geld, aber alle beteten für mich und so war ich geheilt. Ich sagte der Frau, dass ich die Tabletten nicht mehr bräuchte. Die Frau war sehr böse darüber und sagte, sie könne mir nicht mehr helfen."

Mir ging es wieder schlechter, aber die von der Kirche sagten, ich muss Geduld mit Jesus haben, er liebt mich und mein Baby und wird ihm zu essen geben. Als ich keine Milch mehr hatte, band ich es auf meinen Rücken. Es weinte sich in den Schlaf. Ich war so müde, es regnete und ich lief die Straße entlang und wartete, dass Jesus meinem Baby zu Essen gab... Es war still und schlief ganz fest, der Regen hat es an diesem Tag mitgenommen.

Die Frau war sehr traurig über all das und schimpfte über die Kirche. Sie glaubt nicht, dass ich geheilt bin. Sie weiß eben nicht, dass Jesus viel zu tun hat. Ich bin sehr müde, aber wahrscheinlich, weil Tshepo und ich wieder ein Kind erwarten. Diesmal wird es der Regen nicht nehmen. Jesus liebt alle seine Kinder, sagen die Leute von der Kirche.....

Sarah wird nicht mehr lange leben. Durch das Absetzen der Tabletten konnte sich der Virus in ihrem Körper schneller ausbreiten und sie schwächen. Selbst wenn sie die Medikamente wieder nehmen würde, könnten sie ihr nicht mehr helfen, denn der Virus zeigt nun Resistenz, da er genug Zeit hatte, zu mutieren. Sarah hat bereits Aids. Dass ihr Freund sich noch nicht angesteckt hat, ist nicht ungewöhnlich, da sich Männer nicht so schnell wie Frauen über den Geschlechtsverkehr mit dem HI-Virus infizieren müssen. Er hat bis jetzt einfach Glück gehabt. Sarah kann die Situation nicht mehr richtig einschätzen und klammert sich so an ihre letzte Hoffnung, Jesus unendliche Liebe, von der ihr auf so fälschliche Weise erzählt wird, ihres Geldes Willen, ohne Rücksicht auf ihr eigenes Leben und das ihrer Kinder.

Längst nicht jede Kirche in Südafrika spielt so mit den Gläubigen. Es sind vor allem christliche Sekten und Freikirchen, die so versuchen, an das Geld der Menschen zu kommen, die das Leben vieler aus Geldgier auf dem Gewissen haben und den Glauben für ihre Zwecke missbrauchen. Nach wie vor leugnen aber auch viele Menschen außerhalb der Kirche, dass es einen Bezug zwischen HIV und Aids gibt und glauben an eine Heilung, mit oder ohne die Hilfe Gottes. Ist man HIV-positiv oder hat man Aids, sind Hoffnung und Geborgenheit das Letzte, an das man sich verzweifelt klammert, um ein letztes bischen Würde zu behalten.

Sarah hat sich an die falschen Leute gewand und ist davon nicht mehr abzubringen. Ihr Baby könnte noch leben und sie selbst würde mit richtiger Behandlung weniger leiden. Richtige Aids-Aufklärung hätte ihr zeigen können, wie sie sich und andere schützt und wie sie sich vor weiteren Schwangerschaften bewahrt. Sie ist kein Einzelfall. Zu viele Menschen in Südafrika fallen mangels Aufklärung und aufrichtiger Unterstützung auf Scharlatane und Aberglauben herein.

Jabu (Frau)
"Mein Name ist Jabu N., das ist Zulu und heißt die Glückliche. Ich bin 51, Mutter von drei Töchtern und einem Sohn. Ich und meine Familie haben in dem Township von Nigel in Gauteng ein kleines Haus, in dem ich seit der Scheidung von meinem Mann leben darf. Ich teile mir mit meinem Sohn Thabo und meinem älteren Enkel Thokosani, der vier Jahre ist, ein Bett, meine beiden Töchter Noxolo und Lebo leben im anderen Zimmer. Meine Älteste, Lichle, wohnt mit ihrem Mann James und ihrem jüngeren Sohn Karabo in einem kleinen Anbau hinter dem Haus. Ich arbeite in einem Kindergarten in der Stadt, wo ich jeden Tag von morgens bis abends auf zwanzig Kinder aufpasse. Die Fahrt dorthin ist lang. Das Taxi kostet schon die Hälfte meines Gehalts, die Preise steigen immer weiter. Mein Gehalt von 2000 Rand (circa 220 Euro) reicht nicht immer aus, um alle satt zu machen.

Ich habe viele Schwestern. Zwei sind Witwen, und wir kümmern uns alle um Promise (Versprechen), die bald sterben wird. Sie hat Aids und ist sehr sehr krank.

Ich wurde noch vor der Hochzeit schwanger. Ich habe meinen Mann damals sehr bewundert. Er war groß, stark und schön. Er lernte mich kennen, als er am Haus meines Vaters Teppiche verkaufte. Er verliebte sich in mich und ging mit mir aus. Er wollte seinen eigenen Laden kaufen und mir mit dem Geld, das er verdienen würde, schöne Sachen kaufen, mich zur Schule schicken und ein großes Haus für mich und unsere Kinder bauen.

Als ich meinen Bauch nicht mehr verstecken konnte, nahm mich mein Mann als Frau. Die Labolla war nur ein Huhn ( Labolla ist der Brautpreis, der traditionell vom Bräutigam an die Familie der Braut gezahlt wird, das können 10.000 bis 60.000 ZAR sein (1200 bis 7000 Euro), ein Huhn kostet 40 Rand (knapp 5 Euro). Wie hatte ich immer von einer großen Hochzeit geträumt, an der mein Mann in einer großen Zeremonie meinem Vater eine Herde prächtiger Rinder als Brautpreis überreichen würde! Nun war mein Vater froh, dass er überhaupt noch etwas für mich bekam. So missachtend hat mich mein Mann behandelt. Er war ein sehr brutaler Ehemann.

Nun bin ich alleine und verdiene mir etwas Geld dazu, indem ich für andere nähe. Ich weiß, wie man Traditionales (traditionelle Kleider für Hochzeiten und Beerdigungen) macht, auch wenn ich nie etwas gelernt habe.

Manchmal weiß ich nicht, wovon ich meinen Kindern Essen für den nächsten Tag kaufen soll, doch sie sind alle gesund und gehen zur Schule. Alle!

Sie werden es einmal besser als ich haben....

Dafür kämpfe ich jeden Tag! Gott hilft mir, nicht aufzugeben. Immer, wenn ich zu ihm spreche, ist er da und hört zu. Ich bin Jabu, die Glückliche."

Jabu starb Anfang 2009 ganz plötzlich während eines Krankenhausaufenthaltes. Nun sind ihre Kinder Vollwaisen und wissen nicht, wie sie überleben sollen. Ihre Verwandten bemühen sich sehr, sie vor einem Leben auf der Straße zu bewahren.


Gespräche/Interviews

Joshua (Junge)
"Ich heiße Joshua, das heißt Gott hilft oder der Retter. Ich bin zehn Jahre alt und lebe seit drei Jahren in einem Kinderheim für Straßenkinder in Johannesburg. Eigentlich bin ich ein Sotho (eine der zwölf ethnischen Einheiten in Südafrika)
und lebte mit meiner Ma und meinen beiden Brüdern ganz im Osten von Gauteng (Gauteng ist eine der neun Provinzen des Landes) an der Grenze zur Nord-West Provinz in Südafrika. Mein Land ist ein wunderschönes Land. Viele wilde Tiere leben hier, auch große Giraffen. Ich liebe Giraffen! Sie sind so sanft und haben einen langen Hals, der immer durch die Bäume schaut.

An einem Montag im Sommer sagte mir meine Ma: Komm, wir gehen einkaufen.

Ich war ganz aufgeregt, denn das kam selten vor. Wir gingen in die Stadt, meine Brüder, meine Ma, ihre Freundinnen und deren Töchter. Meine Ma sagte, ich solle mir was aussuchen. Sie kaufte mir einen grauen Anzug, schwarze Schuhe und eine Sonnenbrille. Ich zog die Sachen sofort an, obwohl es an diesem Tag ganz heiß war, wie meistens im Oktober. Alle sagten mir, wie schön ich aussah. Die Leute drehten sich auf der Straße nach mir um. Meine Ma kaufte noch Kartoffeln und Eier und dann kaufte sie mir einen elektrischen Zug, der ganz alleine im Kreis fuhr. Am Abend gingen wir nach Hause.

Meine Ma sagte, ich solle ins Bett gehen, obwohl ich nicht müde war. Sie schloss mich im Zimmer ein und verschwand. Früh morgens wachte ich neben Ma, die laut schnarchte, auf. Es war schon ganz heiss in unserer Blechhütte und draußen hörte ich das Hupen der Taxis und die eiligen Schritte der Leute, die auf dem Weg zur Arbeit waren. Ma merkte nicht, wie ich aus der Tür schlüpfte und ich ging in den Hof und ließ meinen Zug fahren. Der war so schön schnell, denn die Batterien waren ganz neu. Die Hühner rannten vor ihm davon und die Hunde verkrochen sich unter die zerbrochene Bank neben den Mülleimern. Meine Brüder waren schon weggegangen. Wohin wusste ich nie, doch kamen sie oft mit etwas Essbarem nach Hause und erzählten, dass sie viel Spaß gehabt hatten.

Mittags hatte ich Hunger, doch es gab nichts zu essen. Ma wachte auf und hatte Kopfschmerzen. Sie rief mich, um ihr Wasser zu holen und schlief wieder ein. Bis zum Abend gab es nichts zu essen. Ich hatte Hunger und wollte etwas essen. Ma schrie mich an, ich solle sie nicht nach Essen fragen. Sie stand auf.

Bring mir meinen Mantel, rief sie und ging. Ich wusste, dass sie erst spät nachts nach Hause kommen würde. Hungrig ging ich zu Bett.

Betrunken vom hausgebrauten Bier uMqulombothi und zu viel uDagga ( Marihuana ) kam sie ins Bett getorkelt und machte mich wach. Sie schimpfte mit mir, warum, weiß ich nicht.

Am nächsten Morgen, einem Mittwoch, wachte ich noch hungriger auf. Ma hatte das Sofa vor die Tür geschoben und als ich es wegschob, wachte sie auf und sagte, ich solle mich neben sie ins Bett legen und weiter schlafen. Ich wartete, bis sie wieder schlief und schlüpfte dann zur Tür hinaus. Mein Zug fuhr schnell, ganz schnell, immer im Kreis...

Mittags kam einer meiner Brüder nach Hause. Ma war wach und die beiden stritten sich. Er gab mir ein Stück Brot und Ma ging weg. Mein Zug fuhr so schnell....

Nachmittags kam Ma wieder und kochte Pap (Maisbrei, der mit Wasser zubereitet wird und reich an Mineralien und Vitaminen ist), sie weinte und gab mir zu essen. Dann verschwand sie wieder.

Am Donnerstag kam mein Bruder mittags mit Brot und Eiern nach Hause und stritt sich wieder mit Ma. Sie sagte, ich solle mir was von dem Brot abschneiden und ein Ei kochen. Mein Bruder bekam nichts und niemand sagte mir, warum. Nachdem ich gegessen hatte, sagte Ma, ich solle die Eier in den Kühlschrank legen und das Brot in den Schrank tun. Dann schickte sie mich ins Bett. Mitten in der Nacht wachte ich auf. Es war laut in der Küche, Ma schrie und lag auf dem Boden. Ich rannte zu ihr. Aus ihrem rechten Bein schaute etwas Weißes und Langes heraus. Sie roch nach Bier und uDagga. Noch hatte ich keine Angst.

Da kamen ganz viele Menschen und sie fingen an zu singen. Ma schrie nicht mehr. Die Leute holten ein Zelt (in Südafrika ist es bei den Zulus Brauch, für die Gäste der Beerdigungszeremonie ein Zelt zu errichten) und stellten es auf. Da wusste ich, dass Ma tot war.

Bis Freitag früh blieben die Leute in unserem Haus. Ab und zu kamen meine Brüder vorbei, die Frauen sangen und weinten. Ich fand meinen Zug. Der fuhr nicht mehr so schnell, die Batterien waren fast alle. Am Abend holten die Männer meine Mutter und legten sie in einen Sarg und nahmen sie mit. Diese Nacht schlief ich alleine mit meinem Zug in Mas Bett.

Früh am Samstag kamen die Frauen zurück und sagten, ich solle mich anziehen. Meine Brüder waren auch da. Ich zog meinen grauen Anzug an mit den schwarzen Schuhen und der Sonnenbrille. Diesmal sagte keiner, dass ich schön aussähe. Meinen Zug steckte ich in die Tasche. Meine Brüder fuhren im Auto vor mir und davor war das Auto mit Ma drin. Auf dem Hinweg fuhren wir ganz langsam, bis zum Friedhof. Wir stiegen alle aus und sie legten den Sarg meiner Mutter ins Grab. Da habe ich angefangen zu weinen.

Mit den Autos fuhren wir ganz schnell nach Hause zurück. Meine Brüder gingen weg. Ich aß das letzte bisschen Brot und spielte mit meinem Zug. Der fuhr immer langsamer. Lange konnte er nicht mehr fahren, bald würde er stehen bleiben..."

Joshua erzählte diese Geschichte mit wachen Augen und einer gefassten Stimme, als er eines Tages in seinem Bett saß. Er war krank und konnte nicht mit den anderen Kindern spielen. Nach dem Tod seiner Mutter - sie hatte Aids im letzten Stadium, trank und rauchte Dagga und hatte durch einen Unfall einen offenen Oberschenkelbruch, sie starb in der Küche - wurden die drei Jungen nach einer Woche halb verdurstet und unterernährt von einem Sozialarbeiter von der Straße nach Johannesburg geholt. Den Virus haben sie alle nicht, aber Joshua leidet an TBC und hat auch noch nach drei Jahren Behandlung Untergewicht.

Zenzi (Junge)
Zenzi sieht mit fünfzehn Jahren manchmal schon aus wie ein alter Mann. Das Straßenleben und der Drogenmissbrauch tragen dazu bei. Über dem rechten Auge hat er eine lange, tiefe Narbe. Er ist meist ungewaschen und hat seine Haare gefärbt. Orangefarbene Kreise schmücken sein Haupt, sein ganzer Stolz. Meistens sieht man ihn mit einer Tüte Kleber unter der Jacke durch die Straßen schwanken. Er macht Frauen Komplimente, pfeift ihnen hinterher oder singt Liebeshymnen auf sie.

Stellt man ihm eine Frage, antwortet er oft verträumt:

"Liebe ist der Name, Sex das Spiel, also vergiss den Namen und lass uns spielen." Er freut sich dann, wenn die Leute erschrocken weggehen oder verwirrt sind.

"Die haben sowieso immer Angst vor uns. Die haben ja auch keine Ahnung, die umlungu (Europäer), wie ukuSogola (trad. Beschneidung junger Männer) ist. Aber Liebe ich sie, ich liebe dich, ich liebe euch wirklich. Ihr seid alle schön!"

Er lacht wild und dreht sich um, um ungesehen an der Klebertüte zu schnüffeln. Dann rennt er auf einmal einem Auto nach, das gerade um die Ecke kam und schreit ihm etwas auf Zulu nach.

"Unamanga! Du Lügner!"

Warum das Auto gelogen hat, weiß nur er selbst. Er kommt zurück, setzt sich hin und beginnt eine seiner Geschichten. Immer, wenn die Wirkung der Drogen nachlässt, wird er sehr melancholisch. Er erzählt irre Geschichten, z. B., wie er angeblich aus Nigeria mit einem Helikopter seines Bruders nach Südafrika geflohen ist oder ähnliche erfundene Abenteuer.

"Weißt du, es ist wahr, einmal, da bin ich einem Polizisten entkommen, der mich totschlagen wollte... "

Zenzi ist es egal, ob ihm jemand die Geschichte glaubt oder nicht. Er erzählt sie vielmehr, um nicht so einsam zu sein und ist jedem, der zuhört, dafür dankbar. Manchmal spricht er davon, sich umzubringen. Er wahnsinnige Angst an Aids zu sterben.

"Ich lebe auf der Straße, ein Leben ohne Liebe. Manchmal machen mich die Leute fertig und ich frage mich, was ich Falsches getan habe. Vielleicht könnt ihr mir helfen? Habt ihr einen Job, irgendeinen?

Er grinst und sagt: Ich mache auch Liebe, nein echt Mann, ich meine es ernst! Bin der beste Lover auf der Welt." Die anderen Jungen kichern darüber, aber das stört Zenzi nicht.

"Wenn ich noch lange hier draußen bleibe, komme ich entweder ins Gefängnis oder verrecke irgendwie."

Bonginkosi und Ayanda (junge Männer)
Als wir Bonginkosi das erste Mal sahen, fiel uns gleich seine hünenhafte Gestalt auf. Groß, fast 2 Meter, sehnig, langgliedrig mit riesigen Händen und einem Gesichtsausdruck, der ständig versucht, durch clownartige Grimassen von seiner eigentlichen Melancholie abzulenken. Er war von den anderen Straßenkindern zu unseren Gedicht- und Schreibabenden eingeladen worden. Zu neugierig, um wegzubleiben, hatte er sich am Rand unseres kleinen Kreises auf dem Bürgersteig in der Cranbourne Avenue in Benoni nieder gelassen. Den ersten Abend sagte er kein Wort, schaute nur hin und wieder mürrisch unter seinem Hutrand, den er immer auf hatte, in unsere Richtung und tat ansonsten so, als ginge ihn das alles nichts an. Doch am nächsten Tag kam er wieder, vollgedröhnt mit Dagga (Marihuana) und Kleber. Kichernd und wild um sich gestikulierend machte er eine ruhige Kommunikation mit den anderen Straßenkindern zu Nichte.

"Hau ab, wenn du nicht die Klappe halten kannst", riefen Ayanda, der sauberste Junge unter allen und Zenzi, mit fünfzehn schon pausenlos unter Drogeneinfluss, ungehalten. "Kapierst du nicht, dass wir in Ruhe reden und schreiben wollen?"

Zornig und wutentbrannt stand Bongiskosi auf und schwankte davon.

"Ihr könnt mich alle Mal", rief er zu uns hinüber, bevor er abbog und die Vortrekkerstreet hinunter stürmte.

Den folgenden Abend war er unter den ersten, die sich in der Cranbourne Avenue einfanden.

Verschmitzt grinsend sagte er: "Heute bin ich souber (clean) und will mit euch schreiben."

Als ob nie etwas vorgefallen wäre, saß er mit den anderen im Kreis.

Wir fragen wie jeden Abend in die Runde, wie der Tag war, was sie erlebt und gesehen hatten und was sie sich für den nächsten Tag vorgenommen haben.

Auf einmal ist Bonginkosi wieder in sein Schweigen und zorniges Gehabe zurückgefallen.

"Was geht euch an, was ich gemacht habe oder machen will?" Wieder will er aufspringen und davon laufen.

In seinen Augen spiegelt sich Angst, Unsicherheit und eine tiefe Traurigkeit wider.

Ich stehe mit auf und gehe neben ihm her, ein Stück weit die Cranbourne Avenue in Richtung Plaza hinunter.

"Was ist los?", frage ich.

Er antwortet:
"Niemand soll wissen, was ich denke und fühle, denn sobald die da wissen, was mich verletzt, werden sie mich umbringen, kein Malunde (Zulu für Straßenbewohner) gibt preis, was er im tiefsten Herzen fühlt, was er über seiner Eltern denkt und was er erlebt hat. Mein Leben ist ein einziger Haufen Scheiße. Mehr brauche ich nicht sagen."

"Kommst du trotzdem zu uns zurück?", frage ich, "du kannst auch einfach nur zuhören."

Widerwillig trottet er zurück.

An diesem Abend ist die Stimmung gedrückt. Wir reden über das Leben auf der Straße und klären ein für alle mal, dass niemand reden muss, dass niemand aufschreiben muss, was er fühlt, wenn er nicht will. Dass sie nur schreiben sollen, was sie auch von sich preisgeben wollen und das Geschriebene nicht vorgelesen werden muss.
In letzter Zeit haben wir begonnen, am Ende jeder Sitzung gemeinsam zu beten. Wir halten uns auch an diesem Abend bei den Händen und Lazarus, der selbst kurze Zeit auf der Straße lebte und nun mit im Outreach-Projekt Spring of Help arbeitet, soll diesmal das Gebet für alle sagen. Doch stattdessen beginnt er zu erzählen, wie er auf der Straße gelandet ist, Drogen nahm und ins Gefängnis musste, weil er gestohlen hat. Er erzählt auch, wie er nächtelang im Gefängnis Angst davor hatte, vergewaltigt oder getötet zu werden und sich schwor, wieder auf die Beine zu kommen. Heute arbeitet er als Mechaniker in einer Autowerkstadt und hat eine eigene Wohnung in der Stadt. Immer noch halten wir unsere Hände, doch keiner wagt es, aus dem Kreis auszutreten.

Zenzi setzt sich hin.

"Aisch, Alter, das haben wir nicht gewusst. Du hast wirklich so wie wir auf der Straße gelebt? Das ist so lustig!" Lauthals lacht und kichert er. Lufuno stimmt mit ein.

"Halt die Klappe", murmelt auf einmal Thabo, der erst zwölf und damit der jüngste der Gruppe ist, "das ist nicht witzig".

"Ich bin auf der Straße, weil mich vier Männer eines Nachts entführt und vergewaltigt haben", fährt er fort. "Ich hatte solche Angst, dass sie wiederkommen, da bin ich von zu Hause weg, weg aus der Location", er zeigt in Richtung Daveyton, der Township östlich von Benoni, seitdem bin ich hier.

Inzwischen sitzen wir wieder alle auf den immer noch heißen Pflastersteinen im dunkel gewordenen Benoni.

"Ich bin schlecht, ein Stück Scheiße, entfährt es plötzlich Bonginkosi."

"Erzähl keinen Mist", ruft Ayanda empört dazwischen. "Wir alle leben auf der Straße, aber sind deshalb doch nicht schlecht."

Bonginkosi hat sich an die Wand hinter uns gehockt, Arme und Beine eng ineinander verschlungen und schaut zu Boden.

"Ich bin nichts und kann nichts. Meine Eltern hassen mich, meine Gogo (Großmutter) auch. Sie leben in Daveyton. Sie haben mich geschlagen und geprügelt, weil ich so viel Mist gebaut habe. Immer musste ich draußen vor dem Haus aus einem Napf essen und geschlafen haben ich auf dem Boden in einer Shack (Blech bzw. Bretterhütte) im Garten hinten. Wie einen Hund haben sie mich behandelt, stößt er bitter hervor. Da bin ich einfach abgehauen".

"Hast du deshalb all die Narben?", fragt Thabo und zeigt auf Arme, Hals und Gesicht.

"Nee", antwortet er verlegen. Ein stolzes Lächeln kommt über seine Lippen. "Das waren echte fights".

"Die tiefe Narbe am Arm bekam ich, als mich ein Polizist mit seinem Stock geschlagen hat. Ich habe ihm dafür die Nase gebrochen, hat echt geblutet, Mann."

"Die beiden Schnitte", er zeigt auf den linken Unterarm, "sind von einer Messerstecherei mit dem Daggamann (Drogendealer) vom Plaza."

Einige Wochen später, Bonginkosi kommt inzwischen regelmäßig zu unseren Treffen, wird spät abends an meine Tür gepocht.

"Komme schnell, wir haben draußen eine Krise, du musst den Krankenwagen holen". Ayanda hat mich gerufen. Er selbst scheint unter Schock zu stehen und hat eine klaffende Wunde an der Lippe und blutet aus dem Mund.

Aufgeregt und den Tränen nahe erzählt der sonst so stolze, immer in sauberen weißen Socken, Mütze und Hosen gekleidete junge Mann von 18 Jahren, was passiert ist.

"Wir waren auf dem Parkplatz in der Howard Avenue (die Schlafstelle einiger Straßenkinder von Benoni) und tranken Bier. Wir hatten alle zusammengelegt, denn von elf bis vier Uhr Mittags hatten wir an den Ampeln gestanden, unsere Gesichter bemalt und für die Leute in den Autos getanzt. Sie hatten uns etwas Geld geben. Als wir fertig waren, wuschen wir uns und zogen neue Kleider an. Danach saßen wir einfach herum, vielleicht für zwei Stunden. Dann, weil wir hungrig wurden, gingen wir los, um Bier zu kaufen. Also gingen wir los und holten Bier, aber nicht zu viel, da wir noch die Leute treffen wollten, also die, die uns helfen, von der Straße wegzukommen. Wir sahen die Leute und wir redeten ein wenig. Eine von denen sagte mir ein paar gute Worte und auch, wie ich mit dem Trinken aufhören könne. Sie sagte auch, dass wir immer, wenn wir Kummer hätten oder trinken wollten, zu ihr zum reden, lesen oder schreiben kommen können. Cool, echt cool. Und ich weiß, dass ich das tun werde. Denn, ich, also ich will auch ein gutes Leben haben, auch wenn mein Leben so einen schlechten Start hatte. Ich komme aus Barcelona District 26 (Außenbezirk der Township Daveyton), meine Oma wohnt in Barcelona. Da gibt es nichts außer Schläge. Aber nun weiß ich, dass ich einen solchen Start haben kann. Also, dann sagten sie auf einmal, dass wir uns erst morgen wieder sehen. Also, ich denke, die haben gesehen, wie betrunken wir waren und dass wir nicht richtig kooperieren würden. Aber eigentlich war ich glücklich, habe nichts Schlechtes gemacht und war einfach happy, mit meinen Freunden zusammen zu sein.

Okay. Wir gingen zu dem Parkplatz zurück und teilten uns das restliche Bier, aber Bonginkosi nahm sich eine Flasche für sich alleine und wollte sie austrinken. Da sagten wir ihm, er solle sie mit uns teilen, da wir alle dafür bezahlt hatten. Er brüllte nur und schlug nach mir. Als ich das Blut auf meinen Lippen spürte, boxte ich ihm auf die Nase. Dabei fiel die Flasche runter und zerbrach. Ich kniete auf Bonginkosi, der die zerbrochene Flasche in der Hand hielt und sie mir durchs Gesicht ziehen wollt. Da bin ich ausgerastet und habe seine so fest gepackt, dass er sich die Flasche selbst ins Gesicht rammte. Er brüllt auf, ich rannte weg und kletterte aufs Parkdach. Er war außer sich, konnte kaum laufen aber versuchte hinter mir her zu rennen, die zerbrochene Flasche immer noch in der Hand.

Da bin ich hier her gerannt, um Hilfe zu holen. Lazarus ist schon unten und hat die Polizei gerufen. Aber die machen nichts, die haben auch Angst vor Bonginkosi. Ich haue ab, der bringt mich sonst um."

Bonginkosi berichtete, nachdem er aus dem Krankenhaus entlassen wurde folgendes:

"An dem Abend haben wir alle getrunken und unser Geld für Bier ausgegeben. Dann sind wir zu unserem Meeting gegangen, aber nicht lange. Wir waren etwas verrückt, konnten nicht so klar denken, wegen dem Bier und so. Da haben wir beim Parking (Parkplatz) weiter getrunken. Ayanda hat mich angemacht, ich soll ihn aus meiner Flasche trinken lassen. Weiß nicht, was der für ein Problem hatte. Er hat mir eine runter gehauen. Da musste ich mich rächen, der braucht mir nicht so zu kommen. Da hat er mir voll die Flasche ins Gesicht gedrückt. Ich wollte ihn umbringen, echt Mann, ich habs versucht, aber Lazarus, die Polizei und Mirlen wollten mich aufhalten. Ich konnte nicht mehr klar denken, echt, der Alkohol, die Drogen und der Hass auf Ayanda, ich habe sie alle angegriffen. Bin durch die halbe Stadt gerannt um Ayanda zu fangen. Mann, hatte der Schiss! Bin dann ohnmächtig geworden und erst im Krankenhaus aufgewacht. Lazarus und Mirlen haben mich hingebracht. Jetzt habe ich vier riesige Narben auf Gesicht und Hals, wenn ich Ayanda in die Hände kriege, bringe ich ihn um."

Eunice (Mädchen)
"Ich war vierzehn, als mich mein Bruder vergewaltigte, und mich mit dem Virus ansteckte. Die Alten sagen, dass man wieder gesund wird, wenn man mit einem noch unberührten Mädchen schläft. Er ist der Sohn von der Frau meines Vaters. Seit diesem Tag hat mich mein Vater nicht mehr angesehen. Er sagt, es sei meine Schuld, ich hätte meinen eigenen Bruder nicht so reizen dürfen. Von meiner Mutter habe ich nur ein Photo. Niemand hat mir gesagt, warum sie nach meiner Geburt verschwunden ist. Auf dem Bild lächelt sie und ich weiß, dass sie mich immer liebt, egal wo sie ist. Sie wird eines Tages kommen und mich abholen.

Mein Vater wollte mich nicht mehr sehen und so ging ich weg. Wochen lang lebte ich auf der Straße. Ich fand eine kleine Arbeit in der großen Stadt in einem Zentrum für Jugendliche in Not, wo ich auch schlafen konnte. Dort verliebte ich mich in Alex. Er war Venda (ethnische Gruppe aus der Limpopo Provinz) und kam aus dem Norden. Ich konnte einen Kurs besuchen, und lernen, wie man sich um fremde und eigene Kinder kümmert. Doch als ich schwanger wurde, wusste ich, dass ich diesen Ort verlassen musste. Mir ging es nicht gut. Ich wurde immer schwächer. So habe ich versucht, mein Kind irgendwie wegzumachen. Manchmal habe ich mit beiden Fäusten in meinen Bauch geboxt.

Es ist geblieben und wurde immer größer. Kurz vor der Geburt wurde ich zur Schwester meines Vaters gefahren, weil er mich nicht mehr aufnehmen wollte und ich im Zentrum nicht mehr bleiben durfte.

Bei meiner Tante war es sehr eng, wir waren fünf Erwachsene und sieben Kinder. Nur mein Cousin hatte einen Job in Pretoria und kam abends oft betrunken nach Hause. Dann schlug er uns und die Kinder. Manchmal hatte er ein Messer. Wir haben jeden Tag miteinander gestritten. Ich konnte nirgendwo anders hin. Es gab nichts, keine Arbeit, keine Schule oder Kindergarten. Nur einen Supermarkt, Kentucky Fright Chicken und die Taxihaltestelle. Bis zur nächsten Stadt sind es vierzig Kilometer.

An einem Wintermorgen im August kam Tsholofelo zur Welt. Sie war ganz klein. Nun gab es noch ein Kind mehr. Manchmal hatten wir tagelang nichts zu essen, noch nicht einmal Pap. Als sie 9 Monate alt war, schüttet mein Cousin eines Abends kochendes Wasser über sie, aus Wut, weil ich mich mit ihm gestritten hatte. Ich wollte nicht mit ihm schlafen. Er schlug mir ins Gesicht und Tsholofelo fing an zu weinen. Da hat er den Wasserkessel vom Herd genommen und sie verbrüht. Am nächsten Morgen bin ich weggelaufen. Wieder lebte ich auf der Straße und verdiente Geld als Prostituierte, sodass wir nicht verhungerten.

Dann lernte ich Roger kennen. Er hat eine Hütte in der Nähe von dem Zweizimmer Haus meiner Tante. Ich zog bei ihm ein. Ich fegte jeden Morgen das Haus, wusch die Wäsche und holte Wasser. Er arbeitet auch in Pretoria und bringt oft etwas zu Essen mit nach Hause. Ich wurde wieder schwanger und fand einen Kindergarten, bei dem ich freiwillig arbeitete, um vor Langeweile nicht um zu kommen. Ich habe nie Geld gehabt, um mir Medikamente zu kaufen und dennoch merke ich von dem Virus selten etwas. Ich denke einfach nicht an ihn, dann wird es auch so bleiben. Vielleicht ist er aber auch weggegangen. Die Leute hier sagen, dass das manchmal passiert, wenn man fest daran glaubt.

Im Oktober, zwei Jahre nach meiner Tochter, kam mein Sohn Ndele zur Welt. Schwach aber gesund. Nun sind wir zu viert und das Essen ist oft knapp. Wenn meine Kinder weinen, erzähle ich ihnen Geschichten und singe ihnen etwas vor.

Meine Kinder liebe ich über alles und versuche jeden Tag für sie da zu sein. Außer meiner Liebe kann ich ihnen nichts geben. Unsere Hütte steht auf einer trockenen Staubfläche im Nirgendwo. Sie kennen nichts anderes. Ich denke nicht darüber nach, was ist, wenn ich nicht mehr bin. Solange ich noch da bin, sind wir alle glücklich. Roger liebt mich, das sagt er immer wieder. Er wird sich um meine Kinder kümmern, wenn ich es mal nicht kann.

Gerade habe ich Wasser geholt. Vielleicht kommt Roger bald nach Hause, dann koche ich ein Essen mit den Sachen, die er mitgebracht hat und werde meinen Kindern eine Gutenachtgeschichte erzählen, wie jeden Abend.

Sie lieben die Geschichte von Cinderella, wie sie von ihren beiden Stiefschwestern immer geärgert wird, hart arbeiten musste und sie am Ende vom Prinzen in sein Schloss geholt wird." 


Patrick

Frage: Hast du schon einmal eine Schule besucht?

Patrick: Ich bin 17 Jahre alt. Ich wohne in Daveyton Mandela Ext. 21. Ich ging dort von der Schule, als ich 13 Jahre alt war. Die Gründe, die mich veranlassten, die Schule zu verlassen, waren mein Ungehorsam und meine Drogenabhängigkeit. Dann stritt und kämpfte ich mit den Lehrern, selbst wenn sie mich und meine Gangster fertig machen wollten. Wir waren es gewohnt, in der Klasse zu rauchen. Immer, wenn der Lehrer die Klasse betrat, lachten wir ihn aus. Wenn er dann fragte, warum wir lachen, sagten wir ihm, dass er ein Komiker sei. Dann beschloss ich eines Tages, die Schule zu verlassen. Dies war die Zeit, als das Straßenleben begann.

Manchmal verrichte ich kleine Arbeiten oder stehle, um etwas zu Essen zu haben. Und die Drogen, sie sind teuer, und sie machen, dass du nicht okay bist. Manchmal fühlt es sich so an, als würde ich verrückt werden. Ich möchte aufhören, wirklich. Die Nigerianer verkaufen die Drogen auf den Straßen. Ich verstecke das Dagga (Marihuana) dann und rauche es, wenn mir kalt ist. Ich war für einige Wochen im Gefängnis und dort drinnen schlagen sie dich und machen dich fertig. Ich habe gestohlen, dort drüben auf dem Schrottplatz. Beim ersten Mal haben sie mich nicht erwischt. Ich kletterte über den Zaun. Hatte eine Leiter dabei, nachts, im Dunklen. Ich klaute ein wenig Metal und Draht, um es am nächsten Tag zu verkaufen. Beim zweiten Mal warteten sie schon auf mich. Sie riefen die Cops. Clap, hatten sie mich. Die Polizei kam und verhaftete mich.

Frage: Was ist das da auf deinem Arm?

Patrick: Ach, nichts. Ich war auf Drogen und langweilte mich. Da spürt man keine Schmerzen also ritzte ich mir das Tatoo mit einer Nadel. Er heißt thug life und out law, weil das Leben nicht gut ist, hey, es ist echt nicht toll. Hier auf der Straße kämpfen wir ´ne Menge. Aber ich, ich kämpfe nur, wenn ich betrunken bin. Ich muss doch zurückschlagen, wenn sie einen Freund von mir angreifen! Siehst du, all meine Narben. Ich kämpfe.

Ich habe eine Freundin, dort bei der Schule. Sie besucht das BEC (Gymnasium von Benoni) aber sie ist Müll. Sie will nur Geld. Ich denke, ich werde sie verlassen, man, Mädchen, kann ich dir sagen! Meine Frau soll später mal nicht arbeiten. Ich will einen Job und sie ist Zuhause weil, wenn du Mädchen Geld gibst, dann werden sie lustig und machen dumme Sachen einem gegenüber. Ich vertraue denen nicht! Meiner Frau, niemals würde ich ihr meine Kreditkartenummer geben. Sie würde all mein Geld ausgeben.

Frage: Was ist mit deinem Bein passiert?

Patrick: Letzen Sonntag, da haben wir gekämpft, ne? Sie haben meinen Freund mit einem Messer verletzt. Ich war betrunken und habe sie nicht kommen sehen. Da haben sie einen Stein genommen und voll auf mein Knie. Seitdem habe ich Schmerzen und kann kaum laufen. Yoh, den anderen Jungen haben sie am Rücken und an der Hand verletzt, ziemlich schlimm. Wir jagten sie. Heute früh ging ich ins Krankenhaus, auch, weil ich eine Erkältung habe, wegen der Saukälte hier. Aber die Warteschlange war zu lang, da bin ich wieder raus und weg. Ich und meine beiden Freunde, mit denen ich immer zusammen bin, wir sind sehr eng befreundet. Wir wohnen da drüben beim Plaza. Es ist sau kalt hier und ich kann da nur nachts rein gehen. Wir haben ein Fenster zerschlagen und klettern immer durch in den leer stehenden Laden. Wenn mich die Frau von nebenan sieht, zetert sie rum und ruft die Polizei. Die kamen sogar letzte Nacht. Sie haben nach einer Knarre mit 16 Fällen (16 Verbrechen, die mit dieser Waffe begangen wurden) gesucht. Sie kamen in der Nacht, als wir alle schliefen. Sie schlugen uns mit ihren Stöcken. Aber wir haben keine Pistolen, also verschwanden sie wieder. Sie haben Lufuno und Banele ziemlich verletzt, aber mich nicht.

Ich möchte einfach den Backkurs beenden und einen Job finden. Ich, ich will ein richtiges Leben haben.

Frage: Hast du einen echten Freund?

Patrick: Ja, es ist Majeiva (Zulu für Tänzer). Ich mag ihn. Weiß nicht warum. Er kommt, und sucht nach mir, sagt: Wo ist Patrick, was was..., dann kommt er her uns sagt: Eh, hab dich gesucht. Dann sage ich: Komm, was was, lass uns gehen. Wir gehen, ach, vielleicht kommen wir an Geld, wirklich. So kaufen wir Essen, oder wir kaufen Drogen. Wir laufen so durch die Straßen, reden mit Leuten und machen Spaß mit ihnen. Deshalb mag ich ihn. Er sagt nicht: Komm, lass uns stehlen gehen. Wenn wir etwas Geld brauchen, sagt er: Komm, lass uns nach Geld fragen. Ich habe meine Leute, die Leute kennen mich.

Kein Problem, lass uns gehen, sage ich. So gehen wir und wir kommen mit dem Geld wieder! Wir kommen damit, verstehst du? Einmal, auf der anderen Seite da drüben, da war ein Pakistani. Majeiva ging dahin und er tanzte, er tanzte, tanzte, tanzte wie verrückt.

Ey, dieser Pakistani, er kommt und gibt Majeiva 50 oder 100 Rand (6 bis 12 Euro). Einfach so, habe nichts gestohlen! Deshalb mag ich diesen Typen so! Manchmal gibt er mir Geld und sagt mir die richtigen Sachen. Jetzt gehe dort hin, mache einen kleinen Job. Lass uns gehen und bei den Leuten im Vorort klingeln, um nach Arbeit zu fragen! Und ich, ich sage: "Ach, das ist sehr weit weg!" Er sagt: "Ich sage dir, lass uns gehen!" Ich, dann streiten wir uns manchmal, verstehste?

Frage: Kannst du ohne Freund auf der Straße überleben?

Patrick: Ach, ich, ich kann das!

 

Letzte Aktualisierung dieser Seite: 10.05.2010 (M. Stork)Online Kompetenz  |  Sitemap  |    |