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Asien

Obdachlose in Russland

In Russland hat es immer, auch schon während der Zeit der Sowjetunion, Obdachlose gegeben. Allerdings wurde das Phänomen verdrängt und, wo es offensichtlich in Erscheinung trat, kriminalisiert. Auch öffentliche Bettelei war verboten. Erst ab 1981 begann eine freie Diskussion über Obdachlose. Jetzt wurde die Gründung von Hilfsorganisationen möglich.

Obdachlosigkeit wurde definiert als Lebensform von Menschen ohne Wohnraum, die gezwungen sind, sich an Orten wie Dachböden, Kellern, Treppenhäusern oder auf der Straße aufzuhalten, die dafür nicht vorgesehen sind. Wohnungslose gelten als ungepflegte, schmutzige, übel riechende Menschen in zerschlissener Kleidung, die ihr Hab und Gut in Taschen und Tüten mit sich herumtragen. Sie durchwühlen Mülltonnen in der Hoffnung, dort irgend etwas Ess- oder sonst wie Verwertbares zu finden, betteln, trinken, arbeiten nicht und haben kein Einkommen. Die Gesellschaft verurteilt diese Lebensweise und lehnt den Umgang mit den Betroffenen verächtlich ab.

Unter den Obdachlosen in Russland finden sich entlassene Strafgefangene, Menschen, die ihre Wohnung verloren haben, ehemalige Bewohner von Kinder- und Jugendheimen, Flüchtlinge, Opfer von Familien- oder sonstigen Konflikten.

Wieviele Obdachlose es in Russland gibt, weiß niemand. In Moskau und Nowosibirsk sind Wohnungslose meist geschiedene Männer im Alter von 30 bis 50 Jahren. Sie haben in der Regel einen Schulabschluss, zum Teil auch eine weiterführende Bildung genossen. In Moskau ist die Verweildauer in der Obdachlosigkeit höher als in Nowosibirsk. In der Hauptstadt leben mehr als 20 Prozent zwischen 6 und 10 Jahre wohnungslos. In Nowosibirsk finden die Betroffenen offenbar leichter einen Gelegenheitsjob (ohne Vertrag und bei geringer Bezahlung), um sich über Wasser zu halten. In Moskau ist Bettlerei die Haupteinnahmequelle. 

Zwischen Obdachlosen und Bettlern ist äußerlich kaum ein Unterschied festzustellen. Allerdings ist die Gruppe der Bettler heterogener. Viele Bettler auf den Straßen von St. Petersburg leben in Wohnungen und bessern ihr Familienbudget mit Almosen auf. Sie haben früher einmal vielleicht zur Mittelklasse gehört. Unter ihnen finden Personen mit Hochschulabschluss (Pädagogen, Philosophen), die ihre Position in der Gesellschaft oder ihre Familie verloren haben. Viele Bettler aber haben alles verloren, Arbeit, Wohnung und Familie. Sie schlagen sich auf den städtischen Müllhalden durch. Klassische Bettlertypen sind Rentner, Mütter mit Kind, obdachlose Kinder, Invaliden, Veteranen, Migranten oder Flüchtlinge und Kinder, die oft in Gruppen zusammenleben und sich in Kellern aufhalten.


Nach Heiko Pleines und Hans-Henning Schröder (Hg.): Obdachlose in Moskau und Nowosibirsk, sind 82,5 Prozent der Wohnungslosen Männer, 17,5 Prozent Frauen. Etwa 15 Prozent sind zwischen 18 und 30 Jahre alt. Immerhin 6,5 Prozent der Moskauer Obdachlosen haben einen Hochschulabschluss. Über 60 Prozent sind geschieden, etwa 30 Prozent ledig. Beim Betteln zeigen die meisten ein Schild vor, auf dem zu lesen ist, unter welcher Krankheit sie leiden und welches Schicksal sie beeinträchtigt („Invalide", „Migrant", „Flüchtling", „Veteran" usw. -
 
 
Links und Literatur
- Elfie Siegl, Maria Kudrjawzewa, Soja Solowjowa: Obdachlose und Bettler in Russland, in: Heiko Pleines und Hans-Henning Schröder (Hg.): Wirtschafts- und sozialpolitische Herausforderungen für Russland. Forschungsstelle Osteuropa Bremen. Arbeitspapiere und Materialien, Nr. 62 – November 2004.

Letzte Aktualisierung dieser Seite: 09.01.2013 (s. admin)Online Kompetenz  |  Sitemap  |    |