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Thomas Müller:

"The Child is in the Driver’s Seat”. Unterrichten mit der MultiGradeMultiLevel-Methodology und ihren Lernleitern 

1. Entstehung der MultiGradeMultiLevel-Methodology (MGML)

Seit nunmehr 30 Jahren arbeitet das Rishi Valley Institute for Educational Resources (RIVER) am Aufbau von Schulen für die indische Landbevölkerung, in denen jedes Kind auf der Basis seiner kulturellen Herkunft einen individuellen und zugleich strukturierten Lernweg beschreiten kann (vgl. www.river-rv.org).Ausgangspunkt waren dabei die Fragestellungen, wie man zum einen der großen Altersmischung und zum anderen der Leistungsheterogenität aller Kinder eines Dorfes in einer Schule in einem Raum mit einer Lehrkraft gerecht werden könne.

Bild Nr: 472 (ohne Beschr.)Geleitet wurden die Fragen von der Erfahrung, dass sich weder die Kinder, noch die größtenteils nicht alphabetisierte Elternschaft, noch die Lehrer mit Schule identifizierten. Schule war – wie oftmals in Indien - in vielen Dörfern nicht vorhanden oder aber fand sehr unregelmäßig und ohne Verantwortungsübernahme seitens der Lehrerschaft, dafür jedoch vielfach unter der Erzeugung von Angst und Druck statt. Die familiären, religiösen und landwirtschaftlichen Verpflichtungen der Kinder, die oftmals angstbesetzte schulische Situation und ihr geringer Stellenwert führten dazu, dass viele Kinder keine Schule besuchten oder nach wenigen Jahren abbrachen.

Aus dieser Situation heraus entstand in den achtziger Jahren unter dem Namen „School in a Box“ ein von Dorf zu Dorf tragbares, flexibel einsetzbares Lernset für individualisiertes Arbeiten, das auf Schulbücher verzichtete, weil diese in keinem Zusammenhang mit der kulturellen und regionalen Situation der Kinder standen. Mit aktivierendem Lernmaterial leitete RIVER die Entwicklung und den Aufbau von 12 Landschulen (Satellite-Schools) ein und entwickelte die MGML-Methodology (vgl. Rishi Valley Education Centre 2003a und 2003b). Mit Modellschulen und durch entsprechende Designer-Workshops und Fortbildungen fördert RIVER seitdem schulische Entwicklungen in und außerhalb Indiens. Das Institut gehört zu den innovativsten internationalen Impulsgebern für die Entwicklung voll individualisierter Schulen.

 So kommt es, dass die Ausstrahlung der MGML-Methodology in zahlreiche Bundesstaaten Indiens derzeit 100.000 Schulen und rund 10 Millionen Kinder erreicht. Die innovative Wirkung des schulischen Engagements wurde national und international mehrfach durch renommierte Preise gewürdigt: beispielsweise 2004 durch den Global Development Award und 2009 durch die Schwab-Foundation als Gewinner des „Award for Indian Social Entrepreneur of the Year“. Im Jahr 2011 sprachen die Direktoren von RIVER beim Weltwirtschaftsforum in Davos teil, und seit 2012 zählt RIVER zu den 100 wichtigsten NGOs weltweit (vgl. http://theglobaljournal.net/top100NGOs/). Die MGML-Methodology wird inzwischen weltweit nachgefragt und auch an verschiedenen Schulen in Bayern - von Förderschulen bis hin zum Gymnasium - in zahlreichen Variationen eingesetzt. 

2. Pädagogische Grundlagen der MGML-Methodology

Durch die MGML-Methodology wird die Lerngruppe mit ihrer Vielfalt an Heterogenität (vgl. Boller / Rosowski / Stroot 2007) als altersübergreifende Konstruktion belassen und keinen Homogenisierungsbemühungen unterworfen. Offene Lernprozesse werden über so genannte Lernleitern abgesichert und ermöglichen den Schülern, die Dynamik ihrer eigenen Lernprozesse zu entfalten. Sie erlauben den Lehrkräften ein flexibles Begleiten und Fördern in individuellen wie gemeinsamen Lern- und Bildungsprozessen.

Klassenzimmer einer Satellite-School mit Materialpool

. LernleiterDie MGML-Methodology ist so ein Teil des lebenslangen Lernens (vgl. Hof 2009). Sie stellt darüber hinaus eine gelungene Möglichkeit dar, die Umsetzung einer inklusiven Schule zu realisieren (vgl. UNESCO 2005). Das pädagogische Grundanliegen ist es, eine angstfreie Lernatmosphäre zu schaffen, in der jedes Kind, unterstützt durch klare Strukturen und auf Grundlage der gültigen Lehrpläne, seiner eigenen Lernbewegung folgen kann. RIVER charakterisiert dies mit dem Satz: „The Child is in the Driver’s Seat“.

 

Dieses Grundanliegen wird über eine sehr komplexe Methode mit entsprechend gestalteten Lernmaterialien inmitten eines dezentralen Lernraums verwirklicht. In ihr sind verschiedene Lern- und Gestaltungsformen in regional und kulturell spezifizierten Bezügen verwurzelt und zu einem Ganzen verbunden. Jedes Kind kann daher unabhängig von seiner Begabung in seiner Lerngeschwindigkeit ohne Zeitdruck seine eigene Lernprogression adäquat gestalten.

Die Methode bietet dabei ein inklusives, leistungs- und altersübergreifendes Lernen an. Alle Leistungsstufen, die sich innerhalb eines Klassenverbandes zeigen, werden bewusst einbezogen. Dieses Lernangebot kann in vier Komplexen charakterisiert werden:
(1) Voll individualisierte Lernmöglichkeiten durch systematische Lernleitern mit Lernsequenzen, unterstützt durch einen systematisierten Materialpool.
(2) Lernen in der eigenen zeitlichen Dynamik mit zirkulierenden altersübergreifenden Gruppen und integriertem Helfersystem.
(3) Kulturbasierte und auf die Region hin orientierte Lernbereiche sowie eine ökologisch orientierte Schulgestaltung durch Integration aller gesellschaftlichen Schichten und Generationen.
(4) Situations- und prozessorientierte Vorgehensweise durch Mitgestaltung der Entwicklungsprozesse aller Beteiligten in Form praxisorientierter Lehrerbildung in Modellschulen und gleichzeitiger nationaler und internationaler Weiterentwicklung.

 

 3. Didaktische Grundlagen der MGML-Methodology und ihrer Lernleitern

Eines der zentralen Charakteristika der Methode ist die Realisierung eines aktivitätsorientierten Unterrichts mit freien und zugleich strukturierten Arbeitsprozessen. Die Kinder selbst leiten mit Hilfe der in der Methode enthaltenen Lernleitern ihre Lernprozesse. Individuelles und gemeinsames Lernen mit Partnern, Gruppen oder in der Gemeinschaft aller Schüler wirkt dabei in situations- und inhaltsspezifischen Variationen zusammen.

Bildungsprozesse werden durch einzelne Lernmaterialien angeregt, auf denen die mit ihnen verbundenen Aktivitäten beschrieben sind. Jedes Material ist zur Systematisierung durch ein Symbol und eine Nummerierung gekennzeichnet und gibt somit strukturierte Hinweise zur Bearbeitung, bietet inhaltliche Aufgaben an und ist ein Teil von systematisierten Lernsequenzen, die in einer Lernleiter (‚ladder of learning’) in eine zeitliche und zugleich didaktische Reihenfolge gebracht werden. Alle Aktivitäten bilden mit ihren Lernmaterialien auf der Basis gültiger Lehrpläne einen systematisierten Materialpool.

Bild Nr: 471 (ohne Beschr.)

 Ausschnitt aus einer linearen Lernleiter

3.1 Materialpool mit Lernmaterial zur Anregung der Lernaktivität
Eines der zentralen Charakteristika der Methode ist die Realisierung eines aktivitätsorientierten Unterrichts mit freien und zugleich strukturierten Arbeitsprozessen. Die Kinder selbst leiten mit Hilfe der in der Methode enthaltenen Lernleitern ihre Lernprozesse. Individuelles und gemeinsames Lernen mit Partnern, Gruppen oder in der Gemeinschaft aller Schüler wirkt dabei in situations- und inhaltsspezifischen Variationen zusammen. Bildungsprozesse werden durch einzelne Lernmateria-lien angeregt, auf denen die mit ihnen verbundenen Aktivitäten beschrieben sind. Jedes Material ist zur Systematisierung durch ein Symbol und eine Nummerierung gekennzeichnet und gibt somit strukturierte Hinweise zur Bearbeitung, bietet inhaltliche Aufgaben an und ist ein Teil von systematisierten Lernsequenzen, die in einer Lernleiter (‚ladder of learning’) in eine zeitliche und zugleich didaktische Reihenfolge gebracht werden. Alle Aktivitäten bilden mit ihren Lernmaterialien auf der Basis gültiger Lehrpläne einen systematisierten Materialpool.

 3.2 Struktur der Lernleitern
Lernleitern können als grafische Strukturierungsinstrumente für Lernprozesse in fachspezifischen offenen Arbeitsprozessen angesehen werden. Sie ermöglichen eine langfristige Lernprozesssteuerung. Die Lehrkräfte werden so von ihrer oft zu stark prozesssteuernden Aufgabe im herkömmlichen Unterricht weitestgehend befreit. Durch sogenannte Milestones in Lernsequenzen gegliedert, führen die Lernleitern durch den systematisierten Materialpool. Linear aufgebaute Lernleitern sind von RIVER für Sprache und für Mathematik entwickelt worden. Systemische Lernprogressionen findet man bei RIVER in den ‚Environmental Studies‘ als Lerntafel mit vernetzten Themenfeldern und ökologischen Orientierungen.

Bild Nr: 475 (ohne Beschr.)

Milestone in seiner didaktischen Struktur 

3.3 ‚Milestones‘ als systematisierte Lernsequenzen in der Lernleiter
‚Milestones‘ gliedern als kleinschrittige Sequenzen die Lernleitern. Sie weisen eine didaktische Systematik auf, die als fünfstufige Lernfortschrittsentwicklung konzipiert ist: • Einführung (Introductory) • Übungen, Anwendungen, Vertiefungen (Reinforcement) • Evaluation des angestrebten Ziels (Evaluation) • Förderung (Remedial) • Ausweitung (Enrichment activities) 
ein Milestone mit seiner didaktischen Struktur

Die Milestones führen in dieser didaktischen Konstellation mit integrierter Evaluation und adäquater Förderung der Schülerschaft zur qualitativen Absicherung der offenen und gleichzeitig strukturierten Lernformen. Sie wirken durch den beschriebenen Aufbau individualisierend und differenzierend, aber auch gemeinschaftlich verbindend und unterstützend. Durch diese Vorgehensweise werden Lernlücken weitgehend verhindert. Ausgehend von der Sachstruktur der Inhalte werden die Milestones nach fachdidaktischen Gesichtspunkten konzipiert. Grundsätzlich wird ein Milestone erst nach vollständigem Aufbau des Verstehenspozesses abgeschlossen. Ein Zurückfallen einzelner Schüler hinter das vermeintlich homogene Lerntempo bzw. den Wissensstand einer Klasse wird somit ausgeschlossen.

3.4 Evaluation der Lernprogression und des Lernerfolgs der Schüler
Der Lernerfolg zeigt sich für die Schüler offensichtlich im Voranschreiten auf der Lernleiter. Die Sicherung von Kenntnissen wird in den Milestones durch Evaluationsaufgaben überprüft. Innerhalb weiterer Abstände sind größere Evaluationsvorgänge vorgesehen. Sie geben Auskunft über die Nachhaltigkeit des Gelernten und der Anwendbarkeit des Wissens und Verstehens. Die Lehrer dokumentieren den Kenntnisstand und die Lernentwicklung der Kinder. Aus diesen Aufzeichnungen sind Dynamiken, Sprünge oder Verlangsamungen von Entwicklungen ablesbar. Zudem können sich die Schüler durch die selbst geführte Dokumentation in ihrem Fortschritt reflektierend wahrnehmen. Auch die Eltern erhalten so aus beiden Perspektiven ein realistisches Bild über die Entwicklung ihres Kindes.

3.5 Altersübergreifende Gruppenbildung mit integriertem Helfersystem
Verschiedenartige, wechselnde Gruppenbildungen reichern die Lernvarianten der MGML-Methodology an. In den Satellite-Schools liegen Erfahrungen mit vier bis sechs zusammenwirkenden Gruppen vor. Die entsprechende Variante wird nach der jeweiligen örtlichen Situation umgesetzt: • vom Lehrer geleitete Gruppe, vor allem bei Einführungen in Themen • teilweise lehrergeleitet, auch Übungsbegleitung • durch altersübergreifendes Helfersystem in der Gruppe geleitet, auf einen gemeinsame Aktivitätscharakter hin orientiert • teilweise durch Helfersystem in der Gruppe geleitet, auf gemeinsame Themen und Aktivitäten hin orientiert • völlig selbstständig arbeitend, nur das Material und das Kind leiten den Prozess • Alter 4-6 Jahre, personenbezogene Betreuung

Alle Gruppen sind altersübergreifend konzipiert. Die Gruppenzusammensetzung wechselt mit den Aktivitätscharakteren, die über die Symbole der Materialien signalisiert werden. In den Gruppierungen ergeben sich durch die Alters- und Kompetenzunterschiede Helfersysteme, die die beschriebene Form der fachspezifischen Arbeitsphasen zusätzlich stärken. Das grundsätzliche Zeitmaß für die Methode ist die individuelle Lernzeit, die jedes Kind benötigt. Die Lernleitern bilden einen Jahresrahmen ab, der je nach Kind und Lerngeschwindigkeit ganz unterschiedlich durchschritten wird. Die Tages- und Wochenstrukturen gehen von rhythmisierten Lernzeiten aus. In diesen Zeiten arbeiten die Kinder in den altersübergreifenden Konstellationen an unterschiedlichen Lernorten und zugleich mit variabler Betreuungsdichte des Lehrers. 

 4. Wirkungen in und über die Schule hinaus

In Indien und anderen Ländern mit einer unterprivilegierten und verarmten Landbevölkerung führt der Einsatz der MGML-Methodology dazu, dass Millionen von Kindern ein individueller und gemeinschaftlich verbindender Zugang zu Bildung möglich ist. Durch die inhaltliche Einbindung regionaler Kulturgüter in Form von Liedern, Geschichten, Bräuchen und außerschulischen Lernorten, wird die Identität von Dorfgemeinschaften erheblich gestärkt. Diese Identifikations- und Würdigungsprozesse verhindern zudem in hohem Maße Landflucht. Darüber hinaus bleibt für Kinder aller Lebenslagen in allen Ländern dieser Erde festzuhalten, dass mit der MGML-Methodology ein Arrangement entstanden ist, das Kinder, Schule und Unterricht zu einem angstfreien Bildungsraum verbindet. Für die schulische Sozialisierung ist das Moment der Angstfreiheit angesichts globaler und gesellschaftlicher Entwicklungen sowie der zukünftig mit ihnen verbundenen Aufgaben, von höchster subjektiver wie gesellschaftlicher Bedeutsamkeit. In Bayern sind als Ergebnis verschiedener Seminare mit Lehramtsstudierenden in Indien in den letzten Jahren zahlreiche Variationen des Lernens mit Lernleitern entstanden, die von Mathematik- und Deutschunterricht an Förderschulen bis hin zum Englischunterricht am Gymnasium die hohe Effektivität dieser Arbeit belegen (vgl. Girg / Lichtinger / Müller 2012). 

 5. Anwendung von Lernleitern für die schulische Arbeit mit Kindern auf der Straße

Eine weitere Perspektive in der Arbeit mit Variationen der MGML-Methodology zeigt sich im Bereich der schulischen Arbeit mit Straßenkindern. Aus deutscher Perspektive mag dies zunächst ungewöhnlich erscheinen, was damit zu tun hat, dass Straßenkinder im Bildungsbewusstsein der reichen europäischen Länder kaum eine Rolle spielen. Faktisch leben jedoch auch in diesen Ländern Kinder und Jugendliche auf der Straße und erfahren keine schulische Ausbildung.

Weltweit leben Millionen Kinder und Jugendliche auf und von der Straße und haben keinen Zugang zu Schule, oder aber sie haben diesen verloren. In Deutschland gibt es diesbezüglich zwei wesentliche Entwicklungen: zum einen den Masterstudiengang Straßenkinderpädagogik der Pädagogischen Hochschule Heidelberg und zum anderen die Mannheimer Straßenschule.

Bild Nr: 474 (ohne Beschr.)Bayerische Lernleiter-Variante 

 

 

Für die schulische Arbeit mit Kindern und Jugendlichen, die auf der Straße leben, zeigen sich ähnlich vielfältige und unterschiedliche Ausgangsbedingungen wie in der ländlichen Situation Indiens – wenn auch grundsätzlich andere. Straßenkinder bringen unterschiedliche Bildungserfahrungen und Leistungsvoraussetzungen mit: So sehr sie einerseits das Leben auf der Straße mit anderen Kindern und Jugendlichen verbindet, so sehr unterscheiden sie sich andererseits in diesen Aspekten. Hinzu kommen spezifische Erschwernisse. Das Leben auf der Straße, ohne Obdach und feste Strukturen führt bei vielen Kindern zu massiven Konzentrationsproblemen. Hinzu kommt, dass die Straße als Lebens- und Arbeitsraum ihre ganz eigene Dynamik entfaltet und eigenen Gesetzen gehorcht.

So anstrengend und belastend das Leben im Milieu ‚Straße‘ auch sein mag, so verführerisch und anziehend wirkt es. Das Leben auf der Straße verspricht immer auch scheinbare Freiheiten und die Erfüllung eher ‚schwieriger‘ Bedürfnisse. Die Verbindlichkeit von Schule, die zu festen Zeiten mit festgelegten Inhalten an spezifischen Orten stattfindet, kann daher zur zwiespältigen Erfahrung werden: entweder zum Sehnsuchtsort jenseits des unverbindlichen Lebens auf der Straße oder zum Inbegriff der Einschränkung eines Lebens in der Freiheit der Straßen, Plätze und Städte.  

In dieser Variation einer Lernleiter ist (noch) keine immanente didaktische Struktur enthalten. Priorität wurde auf schulisch bearbeitbare Themen gelegt, die für Kinder und Jugendliche auf der Straße von Relevanz sind und die daher ansprechend, bedeutsam und lohnenswert empfunden werden könnten. Zu jedem einzelnen Feld wurden in Folge verschiedene Materialien der schulischen Auseinandersetzung erstellt bzw. Ausdrucksmöglichkeiten in Form von Theater, Tanz, Kunst, Texte-Verfassen etc. erdacht.

Die Basis dieser Lernleiter bildet ebenso wie in Rishi Valley eine Schleife grundsätzlicher Fähigkeiten und Fertigkeiten, die sich im Falle von Kindern und Jugendlichen auf der Straße besonders auf einfache schulische Grundfähigkeiten, Konzentrations- und Kommunikationsübungen bezieht. Denkbar ist aber auch, dass Kinder und Jugendliche diese Lernleiter nicht nur von unten nach oben, sondern auch von oben nach unten bearbeiten oder aber sich einzelne Felder und Milestones aussuchen, die sie besonders ansprechen.

Ebenso wie die Lernleitern der MGML-Methodology von RIVER verhindert diese Variante ein Drop-Out. Wo in Indien Kinder bisweilen nicht in die Schule kommen, weil sie bei der Ernte helfen oder ein mehrtägiges Fest feiern, verschwinden Kinder und Jugendliche, die auf der Straße leben, oft für Tage und Wochen, bis sie wieder bei einem Unterstützungs- oder Beschulungsangebot auftauchen. Die Arbeit mit einer Lernleiter ermöglicht ihnen daher jederzeit den Wiedereinstieg in schulische Aufgaben.

Die Variante der Arbeit und des Lernens mit dieser Lernleiter würdigt nachhaltig die existentiellen Lebenserfahrungen von Kindern und Jugendlichen auf der Straße. Sie wurde in den Townships Südafrikas ebenso eingesetzt wie in einer Industriestadt in Sibirien. Die MGML-Methodology ist nicht ‚nur’ eine komplexe Methode, sondern vor allem Ausdruck der Würdigung der Einmaligkeit eines jeden Kindes, seiner Lerngeschwindigkeit und seiner Eingebundenheit in die Gemeinschaft. Die Existenz und das Grundanliegen dieser Methode und ihrer weltweiten Variationen stellen Schulen und schulische Arbeit daher täglich neu vor die Frage: Wie ernst nehmen wir das?

 Literatur:

Girg, Ralf / Lichtinger, Ulrike / Müller (2012): Thomas: Lernen mit Lernleitern. Unterrichten mit der MultiGrade-MultiLevel-Methodology. Immenhausen: Prolog-Verlag
http://www.amazon.de/Lernen-mit-Lernleitern-Unterrichten-MultiGradeMultiLevel-Methodology/dp/3934575528/ref=sr_1_1?ie=UTF8&qid=1353411209&sr=8-1

Kontakt in Indien:
www.river-rv.org

Kontakt in Deutschland:
Dr. Thomas Müller
Universität Würzburg
Pädagogik bei Verhaltensstörungen
Wittelsbacherplatz 1
97074 Würzburg
thomas.mueller1@uni-wuerzburg.de

Letzte Aktualisierung dieser Seite: 21.11.2012 (s. admin)Online Kompetenz  |  Sitemap  |    |