Kinder und Jugendliche (Text: Hartwig Weber, August 2011)
Das Leben der nachwachsenden Generation Britanniens ist in besonderem Maße vom sozialen Milieu und der sozioökonomischen Situation der betreffenden Familien abhängig. Im Unterschied zur Jugend in anderen europäischen Ländern sind mehr junge Briten alkoholabhängig, mehr Jugendliche konsumieren Cannabis, und sie sind häufiger in Gewaltakte verwickelt. Die Kriminalitätsrate ist höher, und es gibt mehr junge Mädchen, die verfrüht schwanger werden (>Kindermütter). Dies trifft insbesondere für junge Menschen zu, die aus sozial randständigen und benachteiligten Milieus stammen. In einer Studie zum Wohlergehen Jugendlicher in Industriestaaten aus dem Jahr 2007 hat UNICEF das Vereinigte Königreich auf den letzten Platz gesetzt. Seit 1990 bemüht sich die britische Regierung gegenzusteuern. Die Anzahl der Schwangerschaften Minderjähriger geht seither zurück, aber die Abtreibungen nehmen zu.
Seit Jahren liegt die Arbeitslosigkeit der Sechzehn- bis Neunzehnjährigen bei etwa 20 Prozent. Bis zum 16. Lebensjahr besteht Schulpflicht. Um zu erreichen, dass alle Jugendlichen eine gute schulische Ausbildung und eine berufliche Qualifizierung erhalten, bekommen Sechzehn- bis Achtzehnjährige eine finanzielle Unterstützung des Staates, unabhängig vom Einkommen ihrer Eltern ("Education Maintainance Allowance"). Darüber hinaus gibt es für Dreizehn- bis Neunzehnjährige ein breitgefächertes Angebot an Informationen und Hilfsstellungen zur Berufsorientierung ("Connexions Service").
In den letzten Jahren hat die Jugendkriminalität zugenommen. Die meisten Straftaten begehen weiße Jugendliche im Alter zwischen 15 und 17 Jahren. Neuerdings gibt es immer mehr jugendliche Straftäterinnen. Die häufigsten Delikte sind Diebstahl und Handel mit gestohlenen Waren. Daraufhin hat die Regierung das Jugendstrafrecht verschärft. Seit 2003 kann die Polizei jugendliche Banden auflösen, einzelne Übertäter kurzfristig einsperren und Bußgelder verhängen, wenn die Bevölkerung sich gestört oder belästigt fühlt ("Anti Social Behaviour Acts").
Britische Jugendliche, auch Mädchen und junge Frauen, konsumieren viel mehr Alkohol (Bier, Cider und Alcopops) als junge Menschen in Deutschland, Frankreich oder in den Niederlanden. Je älter die Jugendlichen werden, um so mehr trinken sie. Bei Mädchen liegt der Zigarettenkonsum höher als bei Jungen.
Cannabis ist die mit Abstand am häufigsten konsumierte Droge im Vereinigten Königreich. Es folgen Kokain, Crack, Ecstasy und Poppers. Das Bildungs- und Gesundheitsministerium steuert gegen mit einer nationalen Drogenpräventionsstrategie. Die Abgabe von Alkohol an Kinder ist gesetzeswidrig, der Kauf von Zigaretten und Tabak erst ab 16 Jahren erlaubt.
Per Gesetz ist allen jungen Menschen in Großbritannien das Recht auf eine umfassende Bildung garantiert, unabhängig vom Vermögen und der sozialen Stellung der Eltern. Seit 1989 hat sich Großbritannien, seit 1995 Schottland und seit 1996 Nordirland in Children Acts den Zielen der UN-Kinderrechtskonvention angeschlossen. Insbesondere werden Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund im Blick auf Bildung gefördert ("Ethnic Minority Achievement Grant"), und das Leistungsniveau von schwarzen Schülerinnen und Schülern soll angehoben werden ("Black Pupils’ Achievement"). 2006 wurde ein nationales Programm gestartet, das eigens jungen Sinti und Roma zugute kommt.
Die staatlichen Maßnahmen und Programme sollen nicht nur schwarzen Jugendlichen, sondern dem Nachwuchs aller ethnischen Gruppen zugute kommen und ihre Ausgrenzung überwinden. Immer mehr Lehrpersonal mit Migrationshintergrund wird in den Schulen eingestellt („race equality policy „good race relations"). Der nationale Informations- und Beratungsservice "Connexions" fördert Jugendliche zwischen 13 und 19 Jahren, die unter Lernschwierigkeiten oder einer sonstigen Behinderung leiden. Die Zahl der Jugendlichen, die aus der Schule oder der Ausbildung herausgefallen sind, soll mehr und mehr gesenkt werden. Junge Muslime und Musliminnen erhalten Informationen, Orientierungshilfen und Unterstützung "Muslim Youth Helpline).
Links und Literatur
- Emil Hübner, Ursula Müller: Das politische System Großbritanniens, München 1999.
- Hans Kastendiek, Roland Sturm: Länderbericht Großbritannien, Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn 2006.
- UNICEF: Child poverty in perspective: An overview of child well-being in rich countries - a comprehensive assessment of the lives and well-being of children and adolescents in the economically advanced nations, 2007 (Download).
- National Statistics/Home Office (Hg.): "Smoking, drinking and drug use among young people in England in 2006: headline figures”
- Home Office Statistical Bulletin: "Crime in England and Wales 2006/2007.
- Catherine Mayer: "Unhappy, Unloved and Out of Control – An epidemic of violence, crime and drunkenness has made Britain scared of its young. What’s causing the crisis?”, in: Time Magazine, Vol. 171, Nr. 7/2008.
- Libby Brooks: The Story of Childhood: Growing Up in Modern Britain, London 2006.
- D. Crimmens et al: Reaching socially excluded young people: A national study of street-based youth work, Leicester 2004.
- Kevin Ford et al: Leading and Managing Youth Work and Services for Young People, National Youth Agency, London 2003.
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