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Armut in Russland


Gegenüber der Situation in der Sowjetunion nahm der Anteil der Armen an der Bevölkerung nach den Reformen in den 1990er Jahren stark zu. 1992 war über die Hälfte der Menschen in Russland arm. Ab 1995 änderte sich die Situation langsam. Obgleich sich die Verhältnisse in Russland heute deutlich gebessert haben, ist fast die Hälfte der Bevölkerung immer noch davon bedroht, in die Armut abzurutschen. Eine feste Unterschicht ist im Begriff sich herauszubilden.

Zwischen 2000 und 2010 ging die Anzahl der Armen von 42,3 Millionen auf 18,5 Millionen, der Anteil der Armen an der Bevölkerung von 29 auf 13 Prozent zurück. Die Weltbank prognostiziert einen weiteren Rückgang auf 10 Prozent bis zum Jahr 2012.

Nr: 468 Russland_Ethnien


Gegenüber dieser positiven Einschätzung ist jedoch unübersehbar, dass das Armutsproblem in Russland tiefer geht. Einkommen und Vermögen sind extrem ungleich verteilt. Das Einkommensniveau ist äußerst niedrig. 2010 betrug das Durchschnittseinkommen in Russland 500 Euro im Monat. Das reichste Zehntel der Bevölkerung ist 16,5mal reicher als das ärmste Zehntel. Dabei sind die Reichen in den vergangenen Jahren immer reicher geworden, während das Elend der Armen sich gleichzeitig vertieft hat. In den letzten zwei Jahrzehnten hat sich der Anteil der ärmsten 20 Prozent der Bevölkerung am Gesamteinkommen etwa halbiert.

Ungefähr die Hälfte der Menschen befindet sich in einer momentanen oder chronischen Armutslage. Häufig entsteht aus der situativen Armut eine chronische. Die materielle Lage der Bevölkerung der untersten Einkommensschichten ist permanent durch Verschlechterung bedroht. Eine plötzliche Erkrankung, der Tod eines Familienmitglieds, Ehescheidung oder Arbeitsplatzverlust können zu verheerenden Folgen führen und langfristige oder unrevidierbare Armut erzeugen.

Die meisten Armen leben auf dem Land. Aber auch in den Großstädten verarmen große Menschengruppen. In den Megastädten stellen sie inzwischen ein Zehntel der Einwohner. Diese Entwicklung kam erst nach dem Ende der Sowjetunion in Gang.

Die meisten Armen gehören zur Bevölkerungsschicht  mit dem niedrigsten Ausbildungsniveau. Charakteristisch sind Mehrgenerationen-Haushalte. Kinder und Jugendliche sind am stärksten betroffen. Auf armen Familien lastet die Pflicht, Mitglieder zu unterhalten, die keinen eigenen Beitrag zum Überleben leisten. In der Regel bekommen diese Familien nur eine geringe Unterstützungs des Staates.

Die ärmsten Haushalte in Russland sind meist kinderreiche Familien. Im Vergleich zur Kinderarmut in Europa, die durchschnittlich 6 bis 8 Prozent ausmacht, liegt diejenige in Russland bei 24 Prozent. Mit der wachsenden Armut bildet sich zusehends eine umfangreiche Unterschicht heraus. Der arme oder einkommensschwache Bevölkerungsanteil verliert zusehends seine Reste an Besitz aus vergangenen Zeiten. Die meisten Menschen der Unterschicht besitzen keine eigene Familienwohnung. Charakteristisch sind Wohngemeinschaften, außereheliches Zusammenleben, niedriges Niveau an "Human- und Kulturkapital" (Bildung usw.), Arbeitslosigkeit, Hilfsarbeitertätigkeiten und schlechter Gesundheitszustand. Fehlende soziale Absicherung sowie geringe und ungewisse Bezahlung sind typisch für die entfremdete Arbeit, die Angehörige der Unterschicht leisten müssen, um irgendwie überleben zu können. Die wenigsten erhalten im Bedarfsfall Krankheits- oder Urlaubsgeld. Phasen der Beschäftigung wechseln mit Zeiten der Arbeitslosigkeit ab.

Aus eigenen Mitteln und nur aufgrund eigener Anstrengungen können die Armen ihre Lage nicht verbessern oder ihre Bildungs- und Ausbildungsmisere überwinden. Sie sind an die Existenzbeschränkungen der Unterschicht ausweglos gefesselt. Chancen, um Veränderungen herbeizuführen, hätten bestenfalls sozialpolitische Maßnahmen zur Bekämpfung der Armut. Besonders wichtig sind adressatenorientierte Programme zur Bildung und Reintegration von Jugendlichen. 

 

Links und Literatur  

- Natalja E. Tichonova: Armut in Russland
- Nick Manning / Nataliya Tikhonova (ed.): Poverty and Social Exclusion in the New Russia,  London 2010;
- Christopher Gerry et al.: The Great Divide: ‘Ruralisation’ of Poverty in Russia, in: Cambridge Journal of Economics, July 2008, v. 32, iss. 4, S. 593–607;
- H. H. Nolte: Kleine Geschichte Russlands. Stuttgart, 2003;
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www.auswaertiges-amt.de/diplo/de/Laenderinformationen/01-Laender/RussischeFoederation.html;
- de.wikipedia.org/wiki/Russland;
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www.russische-botschaft.de: Website der Russischen Botschaft in Berlin;
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www.laender-analysen.de/russland/- Website mit Einschätzungen aktueller Entwicklungen in Russland; Forschungsstelle Osteuropa an der Universität Bremen und Deutsche Gesellschaft für Osteuropakunde.

     

Letzte Aktualisierung dieser Seite: 09.01.2013 (s. admin)Online Kompetenz  |  Sitemap  |    |