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Afrika

 


Malawi: Lilongwe - Re-Integration von Kindern von der Strasse in ihre Familien 

 Länderbericht

Malawi ist ein Binnenland in Ostafrika, liegt südlich des Äquators und nennt sich ‚The warm Heart of Africa‘ wegen seines Klimas, nicht zuletzt wegen der Freundlichkeit seiner Bewohner. Seine Nachbarländer sind Zambia, Mozambique und Tanzania. Malawi hat eine Größe von 118.480 km², davon über ein Viertel Wasserfläche, es  ist ein Agrarland und gilt als eines der ärmsten Länder der Welt. 

Die 16 Millionen Einwohner leben überwiegend im Süden und in der Zentralregion in einer hohen Bevölkerungsdichte, das Land hat das höchste Bevoökerungswachstums der Subsahara-Staaten. Die meisten Malawis leben auf dem Land, 15 Prozent in den Städten. Die offiziellen Landessprachen sind Englisch und Chichewa, wobei Englisch in den wenigsten Familien gesprochen und in der Schule erst ab der 5. Klasse gelernt wird.

Die Städte wachsen schnell, Lilongwe hatte 1960 20.000 Einwohner, wurde 1974 zur Landeshauptstadt erklärt wegen seiner zentralen Lage und wird 2015 die Millionengrenze überschreiten. Mehr als 80% der Bevölkerung sind Christen, die mit Moslems und Hindus friedlich zusammenleben. Der Besuch der Primary School ist frei, dennoch gibt es eine Analphabetenrate von über 35%. Mangelnder Schulbesuch liegt an der Klassenstärke von 120 Kindern, der auf dem Land oft schwierigen Erreichbarkeit und am Geldmangel für Schuluniformen, Schuhe und Schulsachen. Jede/r  achte Erwachsene ist mit HIV infiziert. Es gibt Fälle von Kinderarbeit, aber auch ein wachsendes öffentliches Bewußtsein angesichts der Verletzungen von Kinderrechten. 

Das Hauptnahrungsmittel Mais wird zum Ende der Regenzeit im April geerntet. Nach einem Hunger- und Dürrejahr in 2005 führte Präsident Bingu Mutharika die Subventionierung von Saatgut und Düngemittel ein und baute Lagerkapazitäten aus. Aber seit 2009 konfrontierte Bingus Politik, es gab Zusammenstöße von Demonstranten mit der Polizei, Versuche, die Presse und Kritiker einzuschüchtern. Westliche Geberländer wurden brüskiert, mit dem IWF gestritten. Das Land war wirtschaftlich am Boden, wegen Devisenmangels gab es nur noch auf dem Schwarzmarkt Treibstoff, in den Krankenhäusern gingen die Medikamente zur Malariabehandlung aus. 

2012 übernahm mit Joyce Banda eine Frau zum ersten Mal das Präsidentenamt. Präsident Bingu wa Mutharika verstarb an einem Herzinfarkt, als Vizepraesidentin war Frau Banda von der Verfassung zur Nachfolge bestimmt. Frau Banda musste wirtschaftliche und politische Reformen durchführen und das Vertrauen der Geberländer zurückgewinnen. Der Preis hierfür war eine Inflation von bis zu 30% und eine Jugendarbeitslosigkeit von 80%. Arbeitnehmer organisierten sich, aber die Polizei reagierte gelassen auf Streiks. Seit Ende 2013 halten wichtige Geberländer aber erneut Hilfszahlungen zurück nachdem massive Fälle von Geldunterschlagungen in den Ministerien (sogenanntes Cashgate) bekannt wurden. Im Mai 2014 standen Neuwahlen an. Die Parteien nominierten auf Parteitagen zum ersten Mal in ihrer Geschichte ihre Kandidaten, es gab Fernseh- und Radiodiskussionen und Meinungsumfragen, viele Malawis registrierten sich als Wähler. Die Wahl verlief weitgehend ruhig, abgesehen von organisatorischen Mängeln (bsp. Verzoegerungen durch vertauschte Wahlregister oder fehlende Tinte), die zu Trotzreaktionen in einigen Townships fuehrten. Die Wahl gewann Professor Peter Mutharika, der 2011/12 Aussenminister war, Frau Banda wurde mit ihrer Peoples Party weit abgeschlagen dritte. Da sie das Ergebnis zuerst anzweifelte und Neuwahlen ansetzen wollte, gab es starke Proteste.

Aktuell betraegt die Inflationsrate noch immer 25%; der Kwacha ist relativ stabil gegenueber dem Dollar. Die Grundversorgung mit Mais / Cassava reicht aus, Benzin ist verfügbar, die Stromversorgung noch immer mangelhaft (sowohl Spannungsabfall wie Abschaltungen; 85% der Haushalte sind nicht mit Elektrizitaet versorgt). Das Gesundheitssystem leidet unter der geringen Zahl an Aerzten, Krankenhausbetten und Medikamenten. Ein Ausbruch von Ebola haette schlimmste Folgen und liegt durchaus im Bereich des Moeglichen, da Malawi von vielen Wanderarbeitern / Fluechtlingen als Transitland genutzt wird.

Das Land hat starke Umweltprobleme. Bäume werden abgeholzt, um Feuerholz oder Holzkohle zu gewinnen, aber die Wiederaufforstungsprogramme greifen nicht. Starke Niederschläge im Süden (Januar 2015) führten zu massiven Überschwemmungen mit mehr als 200.000 obdachlosen Menschen, zerstörten Häusern und Feldern.

 65 Prozent der Land- und 55 Prozent der Stadtbevölkerung leben unterhalb der Armutsgrenze von 1 US Dollar pro Tag. Im Februar und März 2013 wurde Mais knapp, der Preisanstieg brachte Hunger in  viele Haushalte. Mehr als 85% der Bevölkerung hat keine Elektrizität, Wasser wird in der Regel am Brunnen geholt. Dennoch wirken die Dörfer und Townships freundlich. Als Baustoff werden selbstgebrannte Ziegel verwendet, das Dach mit Reet oder Wellblech gedeckt. Um das Haus haben die Menschen gerne Bäume, Bananenstauden oder Blumen, in der Nähe einen Gemüsegarten und ein Maisfeld. Als Energie im Haushalt wird auf dem Dorf Feuerholz, in der Stadt Holzkohle eingesetzt. Das entspricht nicht der offiziellen Politik, die gegen die Abholzung von Bäumen angehen möchte. Die Menschen haben schlicht keine Alternative. 

Hauptexportgüter sind Tabak, Tee, Kaffee, Baumwolle und Zucker. Subsistenzbauern erlösen mit etwas Tabak, Zuckerrohr, Baumwolle, aber auch mit Erdnüssen, Soya, Gemüse, Obst oder einem Haustier einen zusätzlichen Erlös, der dringend für Kleidung, Seife, Schulbedarf und Kosten bei Krankheit benötigt wird. Viele Menschen arbeiten in der Stadt eine 6-Tagewoche und betreiben zusätzlich eine Nebentätigkeit oder ein Business, um mit ihrer (meist großen) Familie über die Runden zu kommen. Der Minensektor ist noch nicht sehr entwickelt, der Tourismus kam nahezu zum Erliegen wegen der Treibstoffkrise und erholt sich langsam.

 

Geschichte

Knochenfunde des Homo Rudolfensis (2,4 Millionen Jahre alt) wurden am nördlichen Lake Malawi entdeckt. Hunderte von Felsmalereien in der Dedza-Region erinnern an die Menschen der Steinzeit. Die ersten Bantugruppen zogen vor 2000 Jahren ins Land, im 13. Jahrhundert wurde das Königreich Malavi gegründet. 

Seit dem 18. Jahrhundert gab es arabische Sklavenhändler am Malawisee, das Leid der Menschen war sehr groß. 1859 entdeckte David Livingstone auf einer Expedition den Lake Malawi. 1889 wurde ein Britisches Protektorat errichtet, 1895 gelang es den Briten die Sklaverei abzuschaffen. Die älteste katholische Mission in Mua stammt aus dem Jahr 1902 von den Weißen Vätern, die Weissen Schwestern gruendeten 1912 ihre erste Mission. 

1907 wurde Nyasaland englische Kolonie, die im 1. Weltkrieg eine Seeschlacht mit Deutschostafrika austrug. 1915 gab es einen Aufstand gegen die Briten, The John Chilembe Rising, der blutig niedergeschlagen wurde. 1944 wurde die erste afrikanische Partei gegründet. Die 1953 von den Briten gegründete Zentralafrikanische Föderation  wurde von der Bevölkerung abgelehnt. 1958 kehrte Dr. Kamuzu Banda ins Land zurück, der nach blutigen Unruhen, Notstand und Inhaftierung der erste Premierminister der Republik Malawi in 1964 wurde.

 Dr. Banda pflegte intensive Kontakte zum Apartheidregime in Südafrika, zu Mozambique und Taiwan. Er entwickelte eine harte Diktatur, ernannte sich 1971 zum Präsidenten auf Lebenszeit. Opposition wurde im Keim erstickt, Kritiker verschwanden spurlos, es gab keine freie Presse. Der Geheimdienst, die Polizei und die Jungen Kadetten (eine bewaffnete Jugendorganisation seiner Partei) kontrollierten das Land. Selbst der katholische Bischof von Lilongwe musste 1976 emigrieren. Politischer und wirtschaftlicher Druck westlicher Geberländer und Unruhen in den Städten führten Ende der 80er Jahre zu einem Umdenken. 

Ein Hirtenbrief der katholischen Bischöfe zu Justice and Peace löste 1993 ein Referendum zur Einführung eines Mehrparteiensystems aus, das mit großer Mehrheit angenommen wurde. Aus den Wahlen im Mai 1994 ging mit Bakili Muluzi ein neuer Präsident hervor. Seitdem gilt Pressefreiheit, unabhängige Gerichte und freie Wahlen. Allerdings führten eine hohe Inflation und die Zunahme von Arbeitslosigkeit zu schwierigen Lebensbedingungen und zu unerfreulichen Folgeerscheinungen wie zunehmende Korruption, Kriminalität, und auch Kindern auf der Strasse. 

 

Tikondane - Ziel des Projekts

Tikondane, ein Projekt der Missionary Sisters our Lady of Africa, arbeitet seit 1998 in Zusammenarbeit mit der Diozese Lilongwe mit Kindern auf und von der Straße.  Das Tikondane Projekt arbeitet an der Umsetzung des politischen Willens der malawischen regierung, die mit verschiedenen Gesetzen die fundamentalen rechte von Kindern garantiert. Kinder auf der Straße fallen auf, wenn sie an Kreuzungen oder am Straßenrand betteln, manchmal gemeinsam mit Erwachsenen, entweder im Tragetuch auf dem Rücken, oder im Rollstuhl sitzend oder an der Hand eines Sehbehinderten. Andere suchen Essen, lesen Flaschen auf, verkaufen Plastiktueten oder stranden gerade in der Stadt auf der Suche (nach Verwandten, Schule, Arbeit) oder auf der Flucht (vor häuslicher Gewalt, Missbrauch, Strafe).  Das Projekt Tikondane arbeitet mit der Zielgruppe der Newcomer auf der Straße, findet sie auf der Strasse oder in Polizeizellen beim Streetwork, gibt Schutz und Psychosoziale Hilfe im Transit-Shelter und re-integriert die Kinder und Jugendlichen in ihre Familien, Schulen und Gemeinschaften.

Tikondane hat einen ganzheitlichen, am Kind orientierten Zugang zu sozialer Arbeit und bietet Pflege und Schutz fuer Kinder, indem im Streetwork diese aufgesucht werden, ihnen Unterkunft auf Zeit, medizinische Hilfe, Schulbildung, psycho soziale Hilfe und Beratung gegeben und die Re-Integration in ihre Familien, Gemeinschaften und Schulsysteme ermoeglicht wird. Tikondane arbeitet mit mehr als 700 Klienten pro Jahr und kooperiert mit der malawischen Polizei und den Wohlfahrtsbehoerden. Das Ziel von Tikondane ist, Kinder von der Strasse in ein liebevolles Heim zurueckzubringen, wo sie sich in ihre Familie, Kirchengemeinde, Dorfgemeinschaft und Schule integrieren. Darauf bereitet Tikondane die Kinder in seinem Transit-Shelter vor und arbeitet mit Eltern/ Verwandten am Erziehungsstil und ihrer Verantwortung fuer die Kinder, mit Chiefs an Vorurteilen/ Chancen der Dorfgemeinschaft. 

Die Kinder kommen zu 60 % aus dem Bezirk Lilongwe, da aber eine Re-Integration nicht immer bei den Eltern/ einem Elternteil erfolgen kann, werden Loesungen auch in den Herkunftsdoerfern gesucht. Das Strassennetz Malawis ist schlecht ausgebaut, abseits der Hauptstrassen, also auch in den Townships Lilongwes, gibt es nur Staubstrassen, die durch die Regenzeit oft eher Bachbetten gleichen. 

Im Streetwork werden Kinder an Schlafplaetzen auf der Strasse und Treffpunkten in der Stadt aufgesucht, um ihnen in Notlagen oder bei dem Wunsch nach Hause zu kommen zu helfen,  aber auch Kinder/ Jugendliche in Untersuchungshaft werden besucht. Waehrend des Aufenthalts der Kinder im Shelter wird Kontakt zu der Herkunftsfamilie aufgenommen und Besuche durchgefuehrt, um die Moeglichkeit der Re-Integration zu ermessen und das Umfeld der Familien kennenzulernen. Gespraeche mit Chiefs oder mit Lehrkraeften gehoeren ebenfalls dazu. Kinder werden nach Hause gefahren, der Re-Integrationsprozess in Folgebesuchen von Sozialarbeitern begleitet. Ein Teil der Kinder, der aus besonders schwierigen Verhaeltnissen stammt, wird in Internatsschulen beschult. Diese Kinder werden regelmaessig von Sozialarbeitern besucht. 

Mit der Re-integration der Kinder von der Strasse in ihre Herkunfsfamilien und Gemeinschaften, auch mit nachfolgenden Begleitbesuchen, wird den Kindern und Familien langfristig geholfen. Die Aufarbeitung von Missbrauch und traumatischen Erlebnissen der Kinder und ein liebevolles zu Hause vermeiden, dass Opfer spaeter zu Taetern werden. Der Zugang der Kinder zu Schulbildung ermoeglicht ihnen eine zukuenftig verantwortungsvolle Rolle in der Gesellschaft.

 

(Über Malawi und das Thema "Kinder auf der Strasse in Lilongwe" finden Sie im Straßenkinder-Weltreport mehr Informationen in einem Beitrag von Matthias Krug (AGEH Fachkraft, Lilongwe) unter "Projekte" / "Afrika" / "Malawi".)

Letzte Aktualisierung dieser Seite: 23.01.2015 (s. admin)Online Kompetenz  |  Sitemap  |    |