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Amerika

Guerilla, Paramilitaers, Drogenhandel
(Text und Foto: Hartwig Weber, Juli 2009)


Inhaltsverzeichnis
Zur Geschichte des Bürgerkrieges ("Violencia") und der Guerillabewegungen
Paramilitärs
Drogenhandel
Folgen der bewaffneten Auseinandersetzungen
Links und Literatur

Puppe

In Kolumbien dauern die bewaffneten Auseinandersetzungen, denen im Laufe der Jahre viele Tausend Zivilisten zum Opfer gefallen sind, seit der Mitte des 20. Jahrhunderts an. Maßgebliche Gründe dafür sind Armut, ungerechte Verteilung von Grund und Boden und die Schwäche der staatlichen Gewalt. Die Konzentration des Grundbesitzes in Händen Weniger geht bis auf die Zeit der Kolonialisierung durch die Spanier zurück. Die Geschichte des Landes ist gekennzeichnet durch immer neue Schübe der Vertreibung von Bauern und Landarbeitern (>Vertreibungen). Die gewaltsamen Übergriffe bewaffneter Gruppen und Krimineller werden durch den internationalen Drogenhandel insbesondere in die USA und nach Europa angeheizt. Seit 1970 und 1980 haben die Bauern aus Mangel an Alternativen die Flächen für den Anbau von Koka und Heroin beträchtlich ausgeweitet. Mit dem "Plan Colombia" führen die USA den "Krieg gegen die Drogen" lieber in Kolumbien als auf dem eigenen Staatsgebiet. Das Geld aus dem Drogenhandel hat eine neue Ökonomie entstehen lassen. Ihre Gewinne erweisen sich als treibender Motor der bewaffneten Konflikte.

Zur Geschichte der "Violencia" und der Guerillabewegungen
Seit seiner Unabhängigkeit von Spanien hat Kolumbien selten friedliche Zeiten erlebt. Bereits im 19. Jahrhundert kam es zu Bürgerkriegen. Deren Höhepunkt bildete der "Krieg der Tausend Tage" ("Guerra de los Mil Días") zwischen 1899 und 1902. Am Ausgangspunkt der "Violencia" steht der blutige Streit zwischen zwei politischen Richtungen, den sogenannten "Liberalen" und "Konservativen". Die Spannungen entluden sich, als am 9. April 1948 der liberale Präsidentschaftskandidat Jorge Eliécer Gaitán in Bogotá auf offener Straße ermordet wurde. Spontan kam es zur "Bogotazo", einer Gewaltorgie in der Stadt, die bald das ganze Land erfasste.

In den Llanos Orientales (den endlosen Savannen des Ostens) bildeten sich die ersten Guerillagruppen. 1953 ergriff der populistische General Gustavo Rojas Pinilla die Macht und versuchte eine Annäherung an die Guerilla, deren Mitgliedern er eine Amnestie in Aussicht stellte. Als einige verhandlungsbereite Guerillaführer ermordet wurden, zogen sich die bewaffneten Gruppen wieder in den Untergrund zurück. Sie gründeten die "Unabhängigen Republiken" ("repúblicas independientes"), u.a. Marquetalia im Landesinneren. Dort entstand die Guerillagruppe der Fuerzas Armadas Revolucionarias de Colombia (FARC), deren erster Anführer Pedro Marín alias Manuel Marulanda war.

Um das Land zu befrieden, bildeten die Führer der Liberalen und der Konservativen die "Nationale Front" (Frente Nacional), in der sie die Macht wechselweise teilten. Im Zusammenhang mit einem vermuteten Wahlbetrug unter der Präsidentschaft von Misael Pastrana Borrero entstand am 19. April 1970 die hauptsächlich von Studenten und Intellektuellen getragene Guerillabewegung Movimiento 19 de Abril (M-19). Die verschiedenen Guerillabewegungen - FARC, ELN, M19, EPL und die Bewegung Quintín Lame - bekämpften abwechselnd die Regierung oder sich gegenseitig. Dabei bezogen sie sich auf eine marxistische, leninistische oder maoistische Ideologie. 1980 besetzte die M-19 in einer spektakulären Aktion die Botschaft der Dominikanischen Republik.  1985 überfiel sie den Justizpalast im Herzen Bogotás. Die Aktion endete in einem Blutbad. Während und auch noch nach der Befreiung sind zahlreiche Geiseln, darunter die obersten Richter des Landes, angeblich von Angehörigen des Heeres ermordet worden. In den folgenden Jahren begann ein Prozess der Demobilisierung von Mitgliedern der M-19. Unter der Regierung von César Gaviria (1990 - 1994) gaben EPL und Teile des ELN ihre Waffen ab und beteiligten sich an der Entwicklung eines neuen Grundgesetzes (Constitución von 1991). Als Alternative zum bewaffneten Kampf gründeten Mitglieder der EPL die Partei Unión Patriótica. Zahlreiche führende Persönlichkeiten dieser Gruppierung wurden in den folgenden Jahren ermordet.

Unter der Regierung von Ernesto Samper (1994 - 1998) gelang den FARC eine Reihe spektakulärer Schläge gegen das staatliche Heer. In einer entmilitarisierten Zone (Cartagena del Chairá und San Vicente del Caguán) richteten sie ein eigenes Regime auf. Verhandlungen mit dem Staat blieben erfolglos. In der Regierungszeit des Präsidenten Andrés Pastrana (1998 - 2002) wurde den FARC eine Zone mit fünf Ortschaften als Rückzugsgebiet zugeteilt, um "inmitten des Konflikts" über Möglichkeiten einer Entmilitarisierung zu verhandeln. Auch dieser Befriedungsversuch schlug fehl. Die Guerillagruppen scheuten nicht vor immer neuen terroristischen Massakern an der Zivilbevölkerung zurück. Sie finanzieren sich bis heute durch Entführungen und den Handel mit Drogen. Angeblich hält sie 3.000 Geiseln in ihrer Gewalt, zum Teil seit über zehn Jahren.

2002 wurde Álvaro Uribe Vélez zum Präsidenten gewählt. Er ging mit "harter Hand" ("mano dura") gegen die Aufständischen vor, mit sichtbarem Erfolg. Von der Guerilla und anderen Kritikern wird ihm indessen vorgeworfen, er unterstütze die illegalen paramilitärischen Gruppen. Zu Beginn seiner Regierungszeit verfügten die FARC über 18.200 bewaffnete Krieger, aufgeteilt in 64 Abteilungen ("frentes"). 2008 waren es kaum weniger. Inzwischen konnte die Guerilla jedoch geschwächt und in schwer zugängliche Gebiete des Landes zurückgedrängt werden. Am 2. Juli 2008 gelang es einer Einheit des kolumbianischen Heeres in einer spektakulären Aktion, die ehemalige Präsidentschaftsbewerberin Íngrid Betancourt zusammen mit anderen Geiseln, darunter drei Bürgern der USA, aus der Hand der FARC zu befreien. Die Streitkräfte konnten auch einige der mächtigsten Guerillaführer töten oder gefangen nehmen. Inzwischen hat die Guerilla durch ihre terroristischen Akte, Massaker an der Zivilbevölkerung und Entführungen jeglichen Rückhalt in der Bevölkerung verloren.

Paramilitärs
Neben der Guerilla stellen paramilitärische Verbände eine weitere Quelle der Gewalt und bewaffneten Auseinandersetzungen in Kolumbien dar. Verschiedene Selbstverteidigungsgruppen haben sich 1997 zu den Autodefensas de Colombia (AUC) zusammengeschlossen. Ihr Ziel ist es, die „nationale Sicherheit” wieder herzustellen und die Guerilla als "inneren Feind" und "kommunistische Gefahr" sowie die allgemeine Kriminalität auszumerzen. Unterstützt wurde der Aufbau der Kampftruppen durch das US-amerikanische Militär. Was als "nationale Verteidigung" und "Zivilschutz" begann, endete mit terroristischen Akten, die sich von denen der Guerilla kaum unterscheiden. Wo "Paracos" auftreten, schaffen sie eine Atmosphäre der Panik, sie zerstören die vorhandenen sozialen, politischen und gewerkschaftlichen Strukturen und Organisationen. Dabei finanzieren sie sich und ihre Aktionen hauptsächlich mit Mitteln aus dem Drogenhandel, den sie in ihren Gebieten beherrschen.

Mit dem "Gesetz für Gerechtigkeit und Friede" ("Ley de Justicia y Paz") bietet die Regierung den Mitgliedern von Selbstverteidigungspruppen die Möglichkeit einer Reintegration in die Gesellschaft. Zahlreiche Führer der Paramilitärs wurden wegen ihrer Verwicklungen in den Drogenhandel inzwischen in die USA ausgeliefert, unter ihnen die berüchtigten "Jorge 40" und Salvatore Mancuso. Tausende von Paramilitärs haben die ihnen gebotene Chance ergriffen und Maßnahmen der Wiedereingliederung samt die vom Staat zur Verfügung gestellten Geldmittel in Anspruch genommen. Viele aber sind anschließend wieder in die Illegalität abgetaucht und haben neue paramilitärische Gruppen gebildet, so die berüchtigten Aguilars Negras im Norden und Westen des Landes, die gegenwärtig auch unter den Studenten der Universitäten Werbung betreiben. Heute soll es in Kolumbien noch etwa 10.200 bewaffnete Paramilitärs geben. Sie teilen sich in etwa 100 Verbände auf und sind in 246 Ortschaften des Landes präsent, wo sie sich dem Drogenhandel widmen, Kritiker ermorden, die sich sozial und politisch engagieren, drogenabhängige Jugendliche mit dem Tod bedrohen und alles daran setzen, ihre Gebiete durch Drohung und Terror unter Kontrolle zu halten. Derweil führt die Justiz in Bogotá Verfahren gegen etwa 60 Kongressabgeordnete, über 20 ehemalige Parlamentarier und 300 Regionalpolitiker durch, denen vorgeworfen wird, mit dem Paramilitarismus verbunden zu sein.

Drogenhandel
Kolumbien hat keinen guten Ruf in der Welt. Eine fortschreitende "Kolumbianisierung" - d.h. die Ausbreitung der Phänomene Terrorismus, Mafia, Drogenhandel, Gewalt und Korruption - kann auch andernorts beobachtet werden, so insbesondere in Guatemala, Mexiko, Venezuela, Nicaragua und Ecuador. Dass FARC, ELN (Ejército de Liberación Nacional) und AUC samt und sonders in den Drogenhandel verwickelt sind, steht außer Zweifel. Unter dem Schutz der illegalen Gruppen konnte der Drogenanbau in Kolumbien immer mehr ausgeweitet werden. Gegen diese Entwicklung richtet sich der "Plan Colombia", den die Regierungen Kolumbiens und der USA zur Zeit der Präsidenten Andrés Pastrana und Bill Clinton auf den Weg brachten. Er soll den Drogenhandel unterbinden und den bewaffneten Konflikt beseitigen. Als Mittel gegen den Drogenanbau werden Besprühungen mit Herbiziden (glifosato) aus der Luft durchgeführt, die die Kokapflanzen vernichten. Verheerende Umwelt- und Gesundheitsschäden (Krebserregung) werden in Kauf genommen. Die Ergebnisse des Plan Colombia sind umstritten. Während die Erfolge von den USA und der kolumbianischen Regierung hoch gehalten werden, behaupten kritische Beobachter, die Menge der in Kolumbien produzierten Drogen sei nicht zurückgegangen, sondern zumindest gleich geblieben. Der Anbau von Heroin habe sogar zugenommen. Kolumbien produziert weiterhin 80 Prozent des in Südamerika hergestellten Kokains.

Folgen der bewaffneten Auseinandersetzungen
Nach Angaben der Consejería para los Derechos Humanos y el Desplazamiento Forzado (Codhes) wurden in Kolumbien allein in der ersten Hälfte des Jahres 2008 270.000 Menschen aus ihrer Heimat vertrieben, eine Steigerung von 40 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Die Gesamtzahl der Flüchtlinge in Kolumbien wird auf 2,6 (Acción Social) bis 4 Millionen (Codhes) geschätzt (>Vertreibungen). Der bewaffnete Konflikt hat Tausende von Toten und Verletzte gefordert. Unzählige Menschen ließ man verschwinden, entführte sie für lange Jahre, viele starben dabei. Woche für Woche werden wehrlose Zivilisten bedroht, überfallen, verschleppt, erpresst, kaltblütig erschossen. Kolumbien gilt als eines der gewalthaftesten Länder der Erde. Besonders stark sind indigene und afrokolumbianische Bevölkerungsgruppen sowie Campesinos und Kolonisten von Massakern und Vertreibungen betroffen. In einem einzigen Jahr (2007) wurden 1.400 Zivilisten ermordet. Verantwortlich dafür waren nicht nur Paramilitärs und Guerilla, sondern auch das staatliche Heer. Die Zahl der ausgelegten Minen (minas antipersonales) wird auf einige Hunderttausend geschätzt. Naturgemäß fallen ihnen vor allem Zivilisten zum Opfer. 2008 hat das staatliche Heer wieder Minderjährige rekrutiert, um mit ihrer Hilfe die Gruppen der Guerilla und Paramilitärs auszuspähen, zu deren Praxis (wenn auch nicht offiziell) es ebenfalls gehört, Kinder und Jugendliche gewaltsam zum Waffendienst zu zwingen (>Kindersoldaten). Beliebte Angriffsziele der Guerilla sind Erdölleitungen, deren Zerstörung seit 1984 beträchtliche Umweltschäden hervorgerufen hat.

Links und Literatur

> LA VIOLENCIA EN COLOMBIA NO PROVIENE SÓLO DE LAS FARC, AFIRMAN ACTIVISTAS

> VIOLENCIA EN COLOMBIA EN 2008

> LA VIOLENCIA EN COLOMBIA AUMENTÓ UN 14,2% EN 2008, PERO DISMINUYERON LOS HOMICIDIOS

> CONFLICTO ARMADO EN COLOMBIA

> CONFLICTO ARMADO Y PARAMILITARISMO EN COLOMBIA

> PLAN COLOMBIA

> COLOMBIA: UN PAÍS ABONADO PARA LA DROGA
 

Letzte Aktualisierung dieser Seite: 15.01.2013 (s. admin)Online Kompetenz  |  Sitemap  |    |