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Innerfamiliäre Gewalt und Kindesmisshandlung
(Text und Fotos: Hartwig Weber, Juli 2009)

Inhaltsverzeichnis
Problemlage
Zahlen und Fakten
Formen der Misshandlung
Hintergründe, Motive
Folgen von Kindesmisshandlung
Sexuelle Übergriffe
Links

Spiegelung

In Kolumbien werden jedes Jahr etwa 80.000 Fälle von Gewaltanwendungen innerhalb von Familien zur Anzeige gebracht. Opfer sind meist Frauen und Minderjährige. Unter den Kindern sind die jüngsten am stärksten betroffen. Wenn von den eigenen Eltern mit Gewalt auf Kinder eingewirkt wird, so ist dies in der Regel nicht nur eine Folge der Unfähigkeit oder des schlechten Charakters der Erwachsenen, sondern hängt oft mit gravierenden sozioökonomischen Problemen zusammen, die das Leben der Menschen beeinträchtigen, zum Beispiel Armut und Perspektivlosigkeit, kriegerische Auseinandersetzungen und gewaltsame Vertreibung. Innerfamiliäre Gewalt, die zu Misshandlungen von Kindern führt, stellt in allen Ländern Lateinamerikas ein gravierendes Problem von großer Komplexität dar und tangiert die national und international verbrieften Rechte des Kindes (>Kinderrechte). Befragt man Straßenkinder, so geben die meisten von ihnen an, sie seien von ihren Eltern misshandelt worden, und dies sei der eigentliche Grund, weshalb sie ihre Familie verließen und nun auf der Straße leben. Von Jahr zu Jahr scheinen die Gewaltakte zuzunehmen. Allerdings ist nicht klar, ob nur die Zahl der Fälle, sondern auch die der Denunziationen wächst. (mehr?)

Problemlage
Innerfamiliäre Gewalt ist die Misshandlung einer Person, eines Erwachsenen oder Kindes, durch die eigenen Familienangehörigen. Der Übergriff äußert sich physisch, psychisch und oft sexuell. Er kann körperliche wie seelische Schäden hervorrufen. Gewalt, die Erwachsene (Väter, Mütter, Geschwister, Verwandte) gegenüber Kindern anwenden, vermag Entwicklungsstörungen und physische, emotionale sowie psychische Traumata zu verursachen. Die unterschiedlichen Formen der Gewalt gegenüber Minderjährigen stellen eine Missachtung der universalen Rechte des Kindes dar und beeinträchtigen dessen Leben, Integrität, Gesundheit und soziale Sicherheit (>Kinderrechte).

In den meisten Ländern Südamerikas sind Armut, Bedrohung, Überfälle, kriegerische Gewalt und Vertreibungen seit Generationen Alltagserscheinungen. Der Druck des Elends und der Perspektivlosigkeit, unter denen viele Erwachsene leiden, entlädt sich nicht selten als Aggression gegen die eigenen Kinder. In Kolumbien gibt es etwa 16 Millionen Minderjährige. Von ihnen leben 6 Millionen in extrem armen Familien. 2 Millionen Kinder sind obdachlos und verwahrlost. Jedes Jahr brechen 750.000 Kinder die Schule ab, weil sie Hunger haben und mithelfen müssen, ihren Unterhalt zu verdienen. Der tägliche Überlebenskampf der ärmsten Bevölkerung überfordert jeden und führt zu zunehmender Selbstbezogenheit und zwischenmenschlicher Aggressivität. Alkoholismus und Drogenkonsum verschärfen die Situation. Mit 30.000 Gewaltopfern im Jahr weist Kolumbien die höchste Mordrate der Welt auf.

Die meisten Opfer innerfamiliärer Gewalt sind Frauen und Kinder. In Kolumbien ist Gewalt die häufigste Todesursache von Männern und Frauen im Alter zwischen 15 und 44 Jahren. Staatliche Berechnungen (Ministerio de la Proteccion Social) besagen, dass Misshandlungen innerhalb der Familien das Land jedes Jahr 8,7 Billionen Pesos (4.900 Millionen Dollars) kosten, wovon Aufwendungen für Arzt und Krankenhaus, Arbeitsausfälle und Fehlgeburten einen großen Teil ausmachen. Trotz ihrer Häufigkeit werden Kindesmissbrauch und Kindesmisshandlungen in der Gesellschaft weithin totgeschwiegen oder bagatellisieret. Nur ein geringer Teil der tatsächlich erfolgten Misshandlungen wird zur Anzeige gebracht. Man schätzt, dass 80 bis 95 Prozent der Fälle verborgen bleiben.

 Kinder 

Zahlen und Fakten
Im Jahr 2000 gab die kolumbianische Institution Profamilia bekannt, dass fast 50 Prozent aller Frauen im Land physischer Gewalt durch ihre Ehemänner und Lebenspartner ausgesetzt seien. Die Statistiken des kolumbianischen Instituts Bienestar Familiar zeigen eine von Jahr zu Jahr zunehmende Steigerung der Gewaltanwendungen: 2004 wurden 59.770 Misshandlungen zwischen Ehepartnern und anderen Familienangehörigen zur Anzeige gebracht. Die Hälfte der Verletzungen hatten sich die Ehepartner gegenseitig zugefügt. Etwa 20 Prozent waren an Minderjährigen verübt worden. 2005 wurden weit über 60.000 Fälle registriert, wobei auf 100.000 Einwohner 155 Anzeigen kamen. Im Jahr 2007 kletterte die Anzahl der Fälle auf 74.430. 2008 nahmen die Anzeigen erneut um 18 Prozent zu. Unter den misshandelten Kindern stellen die Jüngsten (zwischen 0 und drei Jahren) sowie die Acht- bis Zehnjährigen die größten Gruppen. Die meisten misshandelten Kinder sind Mädchen.

Formen der Misshandlung
Die Formen innerfamiliärer Gewalt sind vielfältig und reichen von verbalen bis zu körperlichen Attacken, von Schlägen bis zu Isolierung und Verstoßung. Geschlagen wird mit der Hand, mit Gürteln, Holzstücken oder Eisenstangen. Kindern wird die Nahrung vorenthalten. Sie werden, wenn sie krank sind, nicht gepflegt, sondern bleiben sich selbst überlassen. Viele Kinder werden zu Arbeiten gezwungen, denen sie nicht gewachsen sind (>Kinderarbeit). Sie müssen betteln oder stehlen. Nicht selten werden Mädchen von ihren eigenen Eltern zur Prostitution verkauft (>Kinderprostituierte).

Hintergründe, Motive
80 Prozent der kolumbianischen Bevölkerung lebt unter denkbar schlechten ökonomischen Bedingungen, betroffen von Arbeitslosigkeit, von Mangel an ausreichender Wohnung, ohne nennenswerte staatliche Unterstützung, ohne Zugang zu Bildungseinrichtungen oder medizinischer Versorgung. Der Druck, der von den sozioökonomischen Gegebenheiten ausgeht, entlädt sich oft im Familienverband. So wundert es nicht, dass die meisten Opfer innerfamiliärer Gewalt aus den ärmsten Wohngebieten stammen. Verschärfend wirken kulturelle Aspekte. Der immer noch herrschende Männlichkeitswahn ("machismo"), der sich in der Überzeugung von der unantastbaren Autorität und Überlegenheit des Mannes ausdrückt, gipfelt in der Vorstellung, dass zwischenmenschliche Konflikte und Unstimmigkeiten oft nur mit Gewalt gelöst werden könnten. Die männliche Intoleranz hat ihr treibendes Motiv häufig in Untreue und äußert sich als flammende Eifersucht. Finanzielle Probleme, Alkoholismus und einander widersprechende Auffassungen im Blick auf Lebensführung und Kindererziehung sind häufige Streitpunkte. Sie heizen die Stimmung im Familienverband an. Viele Eltern, insbesondere Väter, sind der Überzeugung, dass Kinder einen persönlichen Besitz darstellen. Das Gefühl eigener Superiorität führt bei ihnen zu einem zumindest latenten Mangel an Achtung vor Frau und Kind.

Bei empirischen Untersuchungen stellte sich heraus, dass Fälle innerfamiliärer Gewalt häufiger in der Stadt als auf dem Land vorkommen. Neben dem Faktor Armut spielen auch Alter, Erziehung und Bildung von Vater und Mutter sowie die Anzahl der Kinder der Mutter (bzw. der Geschwister des Misshandelten) eine wichtige Rolle. Kindesmisshandlungen kommen am häufigsten in Familien vor, in denen die Eltern zwar miteinander verheiratet sind, ihre Beziehung aber instabil ist. Die meisten Übergriffe werden von Männern verübt, die glauben, dass Schläge die beste Erziehungsmethode darstellten. Von Einfluss ist darüber hinaus, ob Mutter oder Vater in ihrem eigenen Elternhaus selbst Opfer von psychischer oder physischer Gewalt waren. Die Neigung, Kinder zu misshandeln, nimmt mit steigendem Alter der Mutter (bis gegen 30 Jahre) zu. Die Häufigkeit der Kindesmisshandlung nimmt indes deutlich ab, wenn mehrere Frauen in der Familie leben.

Folgen von Kindesmisshandlung
Misshandlungen können Wachstum, Entwicklung und soziale Integration der Betroffenen beeinträchtigen. Kinder erleiden Frustrationen und Schocks, sie entwickeln kein starkes Selbstbewusstsein und bleiben oft unfähig, andere zu lieben und zu vertrauen. Misslungene Anpassung geht mit Passivität einher. Misshandelte Kinder neigen dazu, sich zurück zu ziehen, und sie haben Angst, Beziehungen einzugehen. Sie leiden häufig unter Misserfolgen in der Schule und neigen nicht selten dazu, in den Konsum von Alkohol und Drogen zu flüchten.

Sexuelle Übergriffe
Eine Sonderform innerfamiliärer Gewalt stellt der sexuelle Missbrauch von Minderjährigen in der Familie dar. In Kolumbien gab es allein im Jahr 2007 mehr als 20.000 Anzeigen wegen sexueller Gewalt, davon waren 17.000 an Minderjährigen, meist an Kindern unter 14 Jahren, verübt worden. Nach staatlicher Schätzung (Procuradoría General) werden Jahr für Jahr 25.000 bis 30.000 Mädchen und Jungen Opfer sexueller Gewalt in Kolumbien.

Links und Literatur

>LA VIOLENCIA CONTRA MUJERES Y NIÑOS: DIFICULTADES Y RETOS
(PDF)

>UN MONSTRUO SOCIAL: LA VIOLENCIA INTRAFAMILIAR EN COLOMBIA

>EL ABUSO SEXUAL DE NIÑOS AUMENTÓ UN 62,4 POR CIENTO EN COLOMBIA

>EL MALTRATO INFANTIL: UN PROBLEMA DE SALUD PÚBLICA
(PDF)

>MALTRATO INFANTIL EN COLOMBIA
(PDF)

>EL MALTRATO INFANTIL, UNA PRÁCTICA INSTITUCIONALIZADA SOCIALMENTE

>AUMENTAN 18% CIFRAS DE MALTRATO INFANTIL EN COLOMBIA

>RESUMEN ESTUDIO SUBREGIONAL SOBRE DEMANDA EN LA EXPLOTACIÓN SEXUAL COMERCIAL DE ADOLESCENTES, 2007
(PDF)

>UN ESTUDIO CUALITATIVO SOBRE LA DEMANDA EN LA EXPLOTACIÓN SEXUAL COMERCIAL DE ADOLESCENTES: EL CASO DE COLOMBIA, 2007
(PDF)

> UN MONSTRUO SOCIAL: LA VIOLENCIA INTRAFAMILIAR EN COLOMBIA

>DETERMINANTES, EFECTOS Y COSTOS DE LA VIOLENCIA INTRAFAMILIAR EN COLOMBIA
(PDF)

>VIOLENCIA INTRAFAMILIAR EN COLOMBIA CUESTA USD 4.900 MILLONES ANUALES

>ALARMANTE AUMENTO DEL MALTRATO INFANTIL EN COLOMBIA

>SINDROME DEL MALTRATO INFANTIL

>ATERRADORAS ESTADÍSTICAS DE VIOLENCIA CONTRA LOS NIÑOS EN COLOMBIA

> COLOMBIA - MÁS DE 30.000 NIÑOS SUFREN MALTRATOS FÍSICOS AL AÑO EN COLOMBIA

> ICBF PROMUEVE LA DENUNCIA FRENTE A CASOS DE MALTRATO INFANTIL EN COLOMBIA
(PDF)

>EXPLOTACION SEXUAL Y PROSTITUCION

> LA NIÑEZ COLOMBIANA (SEGUN LA LEY)

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