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Straßenkinder in Cali
(Text und Fotos: Hartwig Weber, Mai 2009)

Porträt Cali

Inhaltsverzeichnis
Zahlen und Fakten
Straßenleben
Kommunikation und Beziehungen
Schlafstätten
Betätigungen
Bildung
Gesundheit
Drogenkonsum
Quellen

Cali ist mit 2,5 Millionen Einwohnern nach Bogotá und vor Medellín die zweitgrößte Stadt Kolumbiens. Dort soll es zwischen 3.000 und 4.000 Kinder, Jugendliche und Erwachsene geben, die dauerhaft auf der Straße leben. Was sie dorthin getrieben hat, sind fast immer Armut und Hoffnungslosigkeit. Oft haben Straßenkinder den Kontakt zu ihren Herkunftsfamilien aufgegeben. Sie übernachten unter freiem Himmel oder in armseligen Behausungen und schlagen sich hauptsächlich als Bettler, Müllsammler und fliegende Händler durch. Straßenkinder in Cali haben meist nur eine kurze Zeit in der Schule verbracht. Wenn sie krank werden, ist es schwer für sie, medizinische Hilfe zu bekommen. So gut wie alle Straßenbewohner konsumieren Drogen.

Zahlen und Fakten
In Cali wurden bei einer Untersuchung im Jahr 2005 über 3.600 Menschen gezählt, die auf der Straße lebten (siehe Censo sectorial de habitantes de y en la calle, Santiago de Cali 2005). Von ihnen waren 1.975 Personen (54,6 Prozent) obdachlose Straßenbewohner ("habitantes de la calle") und 1.645 Personen (45,4 Prozent) Menschen, die auf der Straße arbeiteten und dort den größten Teil des Tages verbrachten ("habitantes en la calle").

Von den Straßenbewohnern im engeren Sinn waren 86,2 Prozent männlichen und 13,8 Prozent weiblichen Geschlechts. Was ihr Alter betrifft, so waren 1,2 Prozent weniger als 6 Jahre, 9,8 Prozent zwischen 6 und 20 Jahren, 66,6 Prozent zwischen 20 und 50 Jahren alt und 22,4 Prozent älter als 50 Jahre.

Von den Straßenbewohnern im weiteren Sinne waren 67,2 Prozent Männer und 32,8 Prozent Frauen. 7,4 Prozent waren jünger als 3 Jahre, 18,2 Prozent zwischen 3 und 8 Jahren, 42,6 Prozent zwischen 9 und 14 Jahren und 31,9 Prozent zwischen 15 und 17 Jahren.

Gallada

Straßenleben
Als Gründe, weshalb sie ihre Familien verlassen hatten, nannten die obdachlosen Straßenbewohner an erster Stelle (29,5 Prozent) ökonomische Probleme, die auf der Straße gegebene leichtere Möglichkeit des Drogenkonsums (27,3 Prozent), zuvor erlittene Misshandlungen (14,3 Prozent), den Verlust der Eltern (7,3 Prozent), die Aussicht auf attraktive Freundschaften auf der Straße (5,9 Prozent) sowie eine gewaltsame Vertreibung oder Verstoßung (4,5 Prozent). 65,4 Prozent der Straßenbewohner im weiteren Sinne gaben ökonomische Probleme als Motiv für das Leben auf der Straße an. Was dort am meisten geschätzt werde, seien Freiheit, Vergnügen und Zeitvertreib, gefolgt von der Möglichkeit, Geld zu verdienen.
H
insichtlich der Dauer des Aufenthaltes auf der Straße zeigt die zitierte Studie aus dem Jahr 2005, dass über die Hälfte (53,7 Prozent) der Straßenbewohner im engeren Sinne ("habitantes de la calle") in Cali bereits 6 Jahre oder länger auf der Straße zubringen.
  

Von den Straßenbewohnern im weiteren Sinn ("habitantes en la calle") gehen 72,6 Prozent erst seit zwei Jahren (oder weniger) ihrer Arbeit auf der Straße nach. Die Untersuchung belegt eine deutliche Zunahme der Zahl der Straßenbewohner im engeren und eine Abnahme der Straßenbewohner im weiteren Sinne. 

Das Dasein als Straßenbewohner, die auf der Straße arbeiten, ist meist eine vorübergehende Angelegenheit, das der obdachlosen Straßenbewohner langfristig und oft aussichtslos.

Kommunikation, Beziehungen
Mehr als die Hälfte der Straßenbewohner im engeren Sinn lebt allein oder mit Freunden zusammen, viel seltener mit Familienangehörigen. Etwa 70 Prozent schlafen auf der Straße, fast 12 Prozent in wechselnden Behausungen aus Karton, Plastik und Holz ("cambuches"). Nach der zitierten Studie lebten etwa 70 Prozent der Straßenbewohner im engeren Sinn ("habitantes de la calle") dort ganz allein, wo sie wohnen oder schlafen; 14 Prozent zusammen mit Freunden; 9 Prozent in einer Paarbeziehung; 7 Prozent mit Familienangehörigen; 3,5 Prozent mit der Mutter und 1,9 Prozent mit dem Vater. Es zeigt sich, dass Frauen häufiger in Begleitung leben als Männer. Hingegen halten Straßenbewohner im weiteren Sinn stärkeren Kontakt zu anderen, vor allem zu Familienangehörigen.

Intakte Beziehungen zur eigenen Familie würden die Wiedereingliederung in ein produktives gesellschaftliches Leben ermöglichen und die Reintegration von Kindern ins Schulsystem erleichtern. Damit ist es jedoch nicht gut bestellt. Straßenbewohner im engeren Sinn halten, wenn überhaupt, so nur gelegentlichen Kontakt zur Mutter oder zu Geschwistern. Bei der genannten Studie aus dem Jahr 2005 hatten fast 40 Prozent der Befragten ihre Mutter bereits verloren. Etwa 20 Prozent wussten überhaupt nicht, ob sie noch lebte. Je länger der Aufenthalt auf der Straße andauert, umso weniger wissen Straßenbewohner, wie es um Vater und Mutter bestellt ist. 45 Prozent der Straßenbewohner im engeren Sinn hatten keinerlei Kontakt mehr zu ihren Familien.

62,7 Prozent der Straßenbewohner im engeren Sinn erhielten nach der zitierten Untersuchung keinerlei Hilfe, 23,1 Prozent bekamen Hilfe von Familienangehörigen. Nur 5,4 Prozent wurden von Einrichtungen unterstützt, die auf die Arbeit mit Marginalisierten spezialisiert sind. Es ist offensichtlich, dass die institutionelle Hilfe nur spärlich an ihrem Ziel ankommt, am ehesten noch bei den Jüngeren, von denen die bis zu Zweijährigen zu 11,1 Prozent, die Sechs- bis Achtjährigen zu 10 Prozent und die Achtzehn- bis Neunzehnjährigen zu 14,5 Prozent unterstützt werden.

Gallada B Triste Erica

Schlafstätten
Gewöhnlich wohnen und übernachten Straßenbewohner im engeren Sinn (habitantes de la calle) auf der Straße, oder sie bauen sich einem Unterschlupf aus Plastik, Stoff und Holz ("cambuche"). Im Unterschied zu ihnen verfügen Straßenbewohner im weiteren Sinn (habitantes en la calle) meist vorübergehend über einen Wohnraum in einem Haus.

Betätigungen
Mit dem Ziel, Geld zu verdienen, um ihren Lebensunterhalt bestreiten zu können, gehen Straßenbewohner in Cali genau so wie in anderen Städten bestimmten Beschäftigungen nach. Sie arbeiten häufig als Fliegende Händler, sammeln Müll, betteln, stehlen, bewachen und reinigen Autos, tragen Lasten, singen in Bussen und vor Kinos. Manche betätigen sich an Straßenkreuzungen als Jongleure, andere stehlen, rauben und begehen Einbrüche. In Cali sind die meisten männlichen Straßenbewohner im engeren wie im weiteren Sinne Müllsammler (recicladores). 12,1 Prozent betätigen sich als Verkäufer, 10 Prozent als Bettler. Frauen bevorzugen die Arbeit von Verkäuferinnen oder Bettlerinnen. Hingegen ist Autos bewachen und Lasten tragen Männersache.

Bildung
Naturgemäß ist das Bildungsniveau auf der Straße niedrig. In Cali können etwa 20 Prozent der obdachlosen Straßenbewohner lesen und schreiben. Unter den Straßenbewohnern im weiteren Sinne liegt der Prozentsatz noch niedriger. Nach der zitierten Studie hatten im Jahr 2005 14,6 Prozent der Straßenbewohner im engeren und 13,8 Prozent der Straßenbewohner im weiteren Sinn weniger als ein Jahr Schulunterricht absolviert. 15,3 Prozent der Straßenbewohner im engeren Sinn hatten das 5. Jahr der Primarschule erreicht, 3,9 Prozent verfügten über eine Universitätsreife. Die fehlende Schulbildung verstärkt die Tendenz, dass aus Menschen, die auf der Straße arbeiten (habitantes en la calle) obdachlose Straßenbewohner (habitantes de la calle) werden.

Unter den Straßenbewohnern im engeren Sinn waren 19,2 Prozent Analphabeten (18 Prozent der Männer, 27,5 Prozent der Frauen). Je jünger die Befragten, umso höher war der Anteil derer, die weder lesen noch schreiben konnten. Bei den Straßenbewohnern im weiteren Sinne sah es ähnlich aus: 22,1 Prozent (19,9 Prozent der Männer, 27 Prozent der Frauen) waren Analphabeten.

Gesundheit
Nach der genannten Studie hatten in Cali 83,2 Prozent der Straßenbewohner im engeren Sinne keinerlei Zugang zu einer Gesundheitsversorgung. 14,2 Prozent sind SISBEN angeschlossen (Gesundheitswesen in Kolumbien, in dem sich Obdachlose, Arbeitslose etc. kostenlos für den Fall einer Erkrankung versichern können). Etwas besser sieht es bei Straßenbewohnern im weiteren Sinne aus: Von ihnen haben 46,1 Prozent keinen Zugang zu einer medizinischen Versorgung, 41,8 Prozent sind SISBEN angeschlossen. Straßenbewohner in Cali leiden häufig unter Tuberkulose, Hepatitis, Geschlechtskrankheiten und AIDS.

Drogenkonsum
Über 70 Prozent der obdachlosen Straßenbewohner in Cali konsumieren Drogen.

 Diese Praxis ist bei ihnen weiter verbreitet als bei Straßenbewohnern im weiteren Sinne, von denen 25 Prozent das meiste Geld für Drogen ausgeben. Marihuana ist die am häufigsten konsumierte Droge. Es folgen Basuco (Crack) und alkoholische Getränke. Billigen Schusterleim schnüffeln die Jüngsten. Verbreitet sind “el perico“, “las pepas”, “el diablito” und “la pipa”. Frauen konsumieren weniger als Männer, fast die Hälfte von ihnen (47 Prozent) überhaupt nicht. Marihuana ist unter Männern, Basuco unter Frauen die meist gebrauchte Droge. Bei Straßenbewohnern im weiteren Sinne sind Drogen weniger verbreitet. Nur 8,1 Prozent von ihnen konsumieren, und zwar meist Marihuana, gefolgt von Kleber, alkoholischen Getränken und Basuco.

Unter den Straßenkindern im engeren Sinne im Alter unter 14 Jahren ist Kleber die am meisten verbreitete Droge. Sie beginnen meist mit sechs Jahren (71,3 Prozent), mitunter findet man aber schon Kleinkinder, die schnüffeln. Mit 9 Jahren gehen sie zu Marihuana über, ab 15 Jahren bevorzugen sie Alkohol. Die meisten Straßenbewohner im engeren Sinne konsumieren bereits seit 6 Jahren oder länger Drogen. 

Marcela Marihuana  



Links 

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 > DESPLAZADOS EN CALI: ENTRE EL MIEDO Y LA POBREZA.

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Literatur

- Censo Sectorial de habitantes de y en la calle, Santiago de Cali 2005.

Letzte Aktualisierung dieser Seite: 15.01.2013 (s. admin)Online Kompetenz  |  Sitemap  |    |