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Strassenkinder in Kolumbien - Gespräche / Interviews
 

Gallada Naranjal

JOHN FREDDY

John Freddy ist ungefähr 17 Jahre alt, breitschultrig mit brauner Haut und aufgewecktem Blick. Wahrscheinlich stammt er aus Urabá. Sein Bein ist eingegipst, und mit seinen Krücken kann er sich nur langsam fortbewegen.

Deshalb sitzt er gelangweilt auf einem Stuhl herum, den Blick auf das Treiben im patio gerichtet. Er ist kein Freund der Einsamkeit; deshalb ruft er lachend seine Freunde herbei und versucht sie mit Erzählungen festzuhalten. Schnell bildet sich ein Kreis von Kindern um ihn herum, die dem folgenden Gespräch lauschen, aber die Augen ständig aufs Fußballspiel gerichtet halten.

FRAGE: Darf ich mich zu dir setzen?

JOHN FREDDY: Ja klar. Setz dich.

FRAGE: Du bist doch der Junge, der im letzten Oktober in Behandlung war wegen dem gebrochenen Bein, nicht wahr?

JOHN FREDDY: Ja, ich habe das Problem schon seit langer Zeit. Gott sei Dank habe ich jetzt Krücken bekommen und kann endlich wieder laufen.

FRAGE: Was ist dir denn passiert?

JOHN FREDDY: Eines Tages hat mich ein Auto angefahren, als ich völlig zugedröhnt war, da habe ich mir das Bein gebrochen. Es ging mir schlecht, und sie brachten mich zur Notfallstation. Sie haben mir ein paar Gewichte angehängt, dann wurde ich operiert. Sie haben mir diesen Gips dran gemacht und diesen Apparat hier. Aber es will und will nicht heilen.

FRAGE: Solche Verletzungen dauern immer sehr lang. Du musst Geduld haben und gut auf dich aufpassen.

JOHN FREDDY: Ach was, ich weiß nicht, ob dieser Arzt überhaupt etwas von der Sache versteht. Jetzt sagt er auch noch, dass er mich noch einmal operieren will. Ich lasse mich doch nicht ganz kaputt machen. Wenn es wirklich drauf ankommt, dann taugen die Heiler mehr, die einen mit Beten gesund machen können. Denn zumindest die bringen einen wieder in Ordnung.

FRAGE: Woher weißt du das?

JOHN FREDDY: Schau mal, siehst du diese Narbe?

FRAGE: Klar. Was ist dir denn da passiert?

JOHN FREDDY: Als ich noch ganz klein war, habe ich immer ins Bett gemacht, und deswegen hat mich meine Mama sehr geschlagen. Eines Tages, als ich wieder nass war, bekam ich solche Angst, dass mich meine Mama wieder schlagen würde, da beschloss ich abzuhauen. Und deshalb bin ich zum Fluss hinunter gegangen, stieg ins Kanu, machte den Motor an und fuhr flussabwärts. Da kam ich zum Haus der Dicken und wohnte eine Zeitlang bei ihr.

FRAGE: Ist sie eine Bekannte von dir?

JOHN FREDDY: Ja, ich kenne sie seit langem. Sie ist wirklich in Ordnung. Ich habe ihr im Haus geholfen. Aber eines Tages habe ich wieder ins Bett gemacht, und ich wusste schon, dass sie ihren Sohn immer schlug, wenn ihm das passierte, und ich sagte mir: Diese Alte ist sehr kräftig; wenn sie mich durchprügelt, dann bringt sie mich um . Besser, ich haue ab. Ich versteckte mich in einem Gestrüpp, aber dort biss mich eine Schlange. Ich war so erschrocken darüber, dass ich heulend zurücklief. Da brachten sie mich zu einem Mann, der mich behandelte. Er heilte meine Wunde. Mit einem Messer, das er im Feuer erhitzte, ritzte er so ein komisches Kreuz ein, saugte das Blut heraus, spuckte es aus und legte einige Kräuter darauf. Dann schickte er mich weg. Als dies mein Vater erfuhr, kam er und nahm mich zurück nach Hause. Aber ich habe mich dort nicht mehr wohlgefühlt. Sie kommandierten mich herum und schimpften mich aus. Und wenn man immer so eine wahnsinnige Angst hat, ins Bett zu machen, und dann das andauernde Geschimpfe und Schläge angedroht bekommt, dann .. .

FRAGE: Und dann, wie ging es weiter?

JOHN FREDDY: Ich habe mich mit einigen Männern angefreundet, die schon mal nach Medellín gefahren waren, und eines Tages beschloss ich, auch dorthin zu gehen. Ich begann, auf der Straße zu schlafen und Drogen zu nehmen, zu betteln und zu stehlen. Aber das soll nicht immer so bleiben, ich will weiter kommen.

FRAGE: Wie willst du das erreichen?

JOHN FREDDY: Ich würde gerne auf einem Hof arbeiten. Ich kenne mich gut mit der Viehzucht aus. Ich kann melken, kann den Kühen Zecken aus der Haut ziehen, kann Vieh hüten. Aber ich würde auch gern zum Militär gehen, mit Waffen lernen umzugehen, das wäre toll. Aber ich weiß nicht, ob die mich überhaupt nehmen. Ich glaube, zuerst muss ich einmal lesen und schreiben lernen.

 

Letzte Aktualisierung dieser Seite: 15.01.2013 (s. admin)Online Kompetenz  |  Sitemap  |    |