Amerika
- Felipe
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Felipe
Es ist alles gut, sagt Felipe. Alle lieben mich. Weil ich nett zu allen bin. Meine Mutter liebt mich und mein Stiefvater auch. Zu Hause ist alles ok. Wirklich, sagt Felipe.
Felipe sagt, Enrique sei nicht sein Freund. Schön wär's, aber nein, sagt er. Wir sind beide zu passiv. Ich hab viele Freunde. Deshalb passiert mir auch nichts. Alle lieben mich, sagt Felipe.
Felipe sagt: Wo ich herkomme ist alles ok. Ein kleines Dorf, mit dem Bus braucht man ungefähr vier Stunden dorthin. Selbst die Paramilitärs mögen mich. Die sagen: Ich solle nur zu ihnen kommen, wenn ich mit jemandem Probleme habe. Ich fahre oft zu meinen Eltern. Ich kann immer wieder nach Hause kommen. Es ist alles gut, sagt Felipe. Ich bin hier, weil es mir gefällt.
Es ist alles gut, sagt Felipe. Die Jungs verdienen hier viel besser als die Mädchen. Mädchen kriegen nur 10 000 Pesos, sagt Felipe. Er selbst koste 30 000. Das ist ok, sagt er. Das ist Verhandlungssache. 30 000 Pesos sind umgerechnet 10 Euro.
Felipe fragt, ob ich wirklich nicht schwul bin. Wir könnten ja soviel Spaß haben. Nein, natürlich nicht für Geld. Einfach so, sagt Felipe. Felipe verkauft nebenbei Kaugummis. Er schenkt mir ein Päckchen. Nein, er wolle von mir kein Geld. Es ist alles gut, sagt Felipe.
Felipe sagt, das mit der Prostitution, das ist schon ok. Das geht schon. Das mache ihm nichts aus. Der Großteil der Kunden seien keine Reichen oder Gringos. Es sind dann doch eher die Männer aus dem Viertel. Die sind ok, sagt Felipe. Nur einmal, da ging bei Juán etwas schief. Juán ist Felipes kleiner Bruder. Er ist 11. Da hat sich Juán bei einem Mann mit Syphilis angesteckt. Aber das ging vorbei. Ich frage, wer auf Juán aufpasse? Keiner, sagt Felipe. Alle mögen mich. Mir passiert nichts. Es ist alles gut, sagt Felipe. Ich kaufe ein Päckchen Kaugummis. Felipe will das Wechselgeld nicht behalten. Wir sind Freunde, sagt Felipe, und alles ist gut.
Felipe sagt, sein leiblicher Vater sei umgebracht worden. Felipe stand daneben. Er war damals acht. Mein Vater hat meine Mutter immer geschlagen, sagt Felipe. Einmal hat er sie so verprügelt, dass sie das Kind in ihrem Bauch verlor. Die Paras im Ort haben sich der Sache angenommen. Sie haben ihn erschossen. Aber das ist ok, sagt Felipe. Felipe sagt, er habe seinen Vater gehasst. Aber seinen Stiefvater liebt er, sagt Felipe. Alles ist gut. Ich kaufe ein Päckchen Kaugummi. Felipe sagt, er habe kein Kleingeld. Alles ist gut, sage ich und kaufe Felipe ein Mittagessen.
Felipe sagt, sein Stiefvater sei schwer krank. Er sagt, er läge im Sterben. Juán steht dabei und schaut mich mit großen Augen an. Felipe sagt, er müsse unbedingt zu seinen Eltern fahren. Er müsse seinen Stiefvater noch einmal sehen. Juan fängt an zu weinen. Elton sagt er habe kein Geld. Der Bus koste 20 000 Pesos. Wir wissen beide, dass es gelogen ist. Felipe sagt: Danke, alles wird gut.
Felipe sagt, wir haben den Bus verpasst. Aber dem Stiefvater gehe es besser, sagt Felipe. Er sagt, wir fahren morgen. Felipe fragt, ob ich wirklich nicht schwul bin. Wir könnten soviel Spaß haben. Er sagt, er koste 30 000 Pesos. Schade sagt Felipe. Aber: Alles ist gut, sagt er. Felipe schaut mir nicht mehr in die Augen.
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