Afrika
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Kindersoldaten im Kongo (Text: Maren Basfeld, Oktober 2009; Hartwig Weber, Januar 2013; Foto: Don Bosco, Bonn)
30.000 Kinder wurden im Kongo als Kindersoldaten verschleppt. Sie werden von Rebellentruppen, aber auch von der Regierungsarmee FAEDC bedroht. Sie werden physisch, psychisch und sexuell missbraucht und zu Morden an der Bevölkerung, anderen Kindern oder ihrer eigenen Familie gezwungen. Manchen gelingt die Flucht, und sie werden in Rehabilitationseinrichtungen für Kindersoldaten aufgenommen. Doch die Traumatisierungen, Krankheiten und Drogenprobleme, die sie aus dem Busch und dem Krieg mitbringen, haben das Leben dieser Kinder für immer verändert.
Kriegsopfer
Sie können nicht in ihre Heimatdörfer zurückkehren, weil sie dort als Täter, als Mörder, Plünderer und Vergewaltiger, nicht als traumatisierte Kinder gesehen werden. In Goma, der Provinzhauptstadt Nord Kivus, leben viele ehemalige Kindersoldaten. Seitdem dort die Kämpfe der Rebellen wieder aufflammen, sind sie in ständiger Gefahr, erneut von Soldaten entführt und in weiteren Gefechten eingesetzt zu werden.
Jahrelange kriegerische Auseinandersetzungen (Kongo-Krieg) zwischen der Regierungsarmee (FARDC) und Rebellengruppen seit 1996 machten viele dieser Kinder eltern- und heimatlos. Ihnen bleibt nur die Straße. Ein großer Teil der Straßenkinder im Kongo sind ehemalige Kindersoldaten, die im Bürgerkrieg gedient haben. Allein in Kinshasa leben schätzungsweise 25.000 Straßenkinder, möglicherweise sind es 50.000.
Im Juni 2008 wurde ein Friedensabkommen mit den Rebellenführern unterzeichnet. Doch seit Oktober 2008 verwandeln die Truppen des Rebellenführers Laurent Nkunda (CNDP) und die kongolesische Armee den Nordosten des Landes in einen Schauplatz von Kampfhandlungen, die bis nach Ruanda reichen. Tausende von Menschen sind auf der Flucht und strömen in die Provinzhauptsstadt Goma oder über die Grenze ins benachbarte Uganda. Doch auch Goma bleibt von Angriffen, Plünderungen und Gewaltübergriffen durch Soldaten beider Lager nicht verschont. Wo die Kämpfe nachließen, herrscht Anarchie. Dies gilt insbesondere für Teile der Provinz Nord Kivu. Bewaffnete Truppen dringen in die Dörfer ein, plündern, vergewaltigen, morden und brennen alles nieder. Der Flüchtlingsstrom vom Land in die Städte reißt nicht ab.
Sexuelle Gewalt
„‘Sie haben uns mitgenommen in ein kleines Haus. Dort haben sie uns die Kleider vom Körper gerissen und meine Freundin und mich vergewaltigt. Ich war grade 17 und noch Jungfrau!‘, erzählt Joari stockend. Das Schockierende: Joari und ihre Freundin sollen von ihren vermeintlichen Rettern vergewaltigt worden sein. Von UN-Blauhelmsoldaten, die die Vereinten Nationen als Friedens-Missionäre in den Osten der Demokratischen Republik Kongo entsandten, wo seit Anfang 2012 der Krieg zwischen Rebellen und Regierungstruppen wieder neu entbrannt ist.“ (Das Erste, Reportagen, 14.01.2013: http://www.daserste.de/information/reportage-dokumentation/dokus/sendung/wdr/2012/gefaehrliche-helfer-130114-106.html)
Mehr als 400.000 Mädchen und Frauen zwischen 15 und 49 Jahren seien in dem zentralafrikanischen Land in einem Zeitraum von zwölf Monaten in den Jahren 2006 und 2007 vergewaltigt worden, heißt es in der Studie, die in dem "American Journal of Public Health" veröffentlicht wurde.
Laut einer 2011 veröffentlichten Studie amerikanischer Wissenschaftlerinnen wurden 12 Prozent der kongolesischen Frauen bereits mindestens einmal in ihrem Leben vergewaltigt. Alle fünf Minuten werden vier Frauen Opfer einer Vergewaltigung. Seit Ausbruch des mehr als zehn Jahre andauernden Bürgerkrieges im Jahr 1998 ist die humanitäre Lage im ehemaligen Kolonialstaat katastrophal. Korrupte Regierungsbeamte, gierige Firmeninhaber und rivalisierende ethnische Gruppen bekriegen sich um die Rechte an den Bodenschätzen. Die Leidtragenden sind wie so oft die verarmte Bevölkerung.
Während des Krieges setzen Kämpfer aller Fraktionen Vergewaltigungen als Waffe ein, um die Bevölkerung einzuschüchtern und Macht zu demonstrieren. Die Täter schrecken ebenfalls nicht davor zurück, sich an Schwangeren zu vergehen. Fehlgeburten aufgrund der Brutalität des Gewaltaktes oder das bewusste Töten des Ungeborenen durch dieVergewaltiger sind häufig die Konsequenz (vgl. Peterman, A., Palermo, T. & Bredenkamp, C. Estimates and Determinants of Sexual Violence Against Women in the Democratic Republic of Congo. American Journal of Public Health. June 2011, 101(6), pp.1060-1067; siehe http://www.unwomen.de/wp-content/uploads/2012/08/2012_08_Kongo.pdf; sowie http://www.welt.de/politik/ausland/article13366661/Im-Kongo-werden-jeden-Tag-1100-Frauen-vergewaltigt.html).
Hexerei
Nicht nur der Krieg treibt die Kinder auf die Straße. Immer öfter werden im Kongo Kinder der Hexerei bezichtigt und von Exorzisten „behandelt". Bis zu 70 Prozent der Straßenkinder geben dies als Grund an, weshalb sie auf die Straße geflüchtet sind. Aus Furcht, das „Teufelskind" könnte der Familie schaden, werden sie brutal misshandelt und verstoßen. Verbrennen mit heißen Gegenständen, Vergewaltigen, Verbrühen, Prügeln oder das Aufschlitzen mit Messer und Rasierklinge sind Mittel, um den Kindern die „Dämonen" auszutreiben.
Die so genannten Pfingstkirchen praktizieren die exorzistischen Riten an Kindern auf besonders konsequente Weise. Viele Kinder gehen freiwillig auf die Straße, wo sie erneut Gefahren und Gewalt ausgesetzt sind. Brutale Unterordnung in der Gruppe, Prostitution und Vergewaltigung drohen den oft noch sehr jungen Kindern. Gefürchtet sind vor allem die organisierten Ex-Straßenkinderbanden, die vergewaltigend, raubend und mordend durch die Städte ziehen. Neuankömmlinge auf der Straße sind ihnen schutzlos ausgeliefert. Für die Rebellen sind sie eine leichte Beute. Sie werden entführt und zwangsrekrutiert. Der Kreislauf beginnt von neuem.
Nach der Wiederwahl Joseph Kabilas zum Präsidenten der Demokratischen Republik Kongo im Jahr 2006 sollten die Regierungsarmee und die bewaffneten Gruppen der Rebellen umstrukturiert werden und eine neue, staatlich gelenkte und geordnete Einheit bilden. Doch bis heute weigern sich im Osten des Landes Rebellengruppen, ins besondere die des Tutsi-Rebellen Laurent Nkunda, der der FDLR vorwirft, sich an dem Genozid der Tutsi-Minderheit im Ostkongo und in Ruanda beteiligt zu haben, diesem Integrationsprozess beizutreten.
30.000 Kindersoldaten, 200.000 Menschen aus Nord Kivu vertrieben und auf der Flucht, 50.000 Straßenkinder, die Infrastruktur zerstört, die Wirtschaft durch Jahrhunderte lange Ausbeutung und Plünderung am Boden: die UNO hat im Februar 2009 den Notstand ausgerufen. Die Demokratische Republik Kongo ist in einer humanitären Katastrophe versunken.
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