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Bedrohte Kindheiten

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Intentionen einer Pädagogik für Kinder und Jugendliche der Straße


Selbstwirksamkeit und Lernen. Die Befähigung, ein erfülltes Leben führen zu können, setzt soziale Beziehungen, Bindungen an Personen und Dinge, Teilhabe und Partizipation voraus -, Erfahrungen also, die Straßenkindern weithin fehlen. Kaum jemals haben sie fürsorgliche Erwachsene und belastbare Beziehungen erlebt. Folgen bleiben nicht aus. Das stärkste Indiz dafür, dass ein Kind mit seinem Leben unzufrieden ist, ist seine geringe Selbstwirksamkeitserwartung. Straßenpädagogen müssen das Selbstvertrauen von Kindern fördern und bekämpfen, was ihre Lebenschancen beeinträchtigt. Der Gesellschaft gegenüber sind sie die ersten Anwälte der ausgegrenzten Kinder und Jugendlichen. Sie setzen sich dafür ein, dass die Störungen ihres Wohlergehens – Exklusion, prekäre familiäre Verhältnisse, fundamentale Defizite in der Zuwendung, der Betreuung und der Fürsorge durch die Eltern – gemindert und, wenn möglich, beseitigt werden. 

Wohlbefinden, Selbstwirksamkeitserwartung und Verwirklichungschancen üben den größten Einfluss auf das Lernverhalten von Kindern und Jugendlichen aus. Je positiver das Selbstkonzept eines Kindes ausgeprägt ist, umso größer sind seine Motivation und Ausdauer beim Lernen. Bildungsmaßnahmen auf der Straße, die sich am Wohlbefinden und dem, was es beeinträchtigt, orientieren, stärken und fördern die Selbstwirksamkeitserwartung von Kindern und Jugendlichen. Straßenkinderpädagogik verbessert die Lage gesellschaftlich randständiger Kinder und versetzt sie in die Lage, die (Entwicklungs-) Aufgaben zu bewältigen, die ihnen die Lebensphase der Kindheit und Jugend aufgibt.

Bildungsangebote der Straße sind so ausgerichtet, dass sie das Zutrauen der jungen Menschen zu sich selbst vertiefen und ihre Überzeugung stützen, selbst etwas ausrichten zu können und fähig zu sein, die Welt zu verändern. Sie stärken Antrieb und Motivation im Blick auf eine aktive und nachhaltige Gestaltung des Lebens. Kinder und Jugendliche sollen das Vertrauen gewinnen, offen zu sagen, was sie denken, auch wenn die anderen anderer Meinung sind. Sie lernen, sich angemessen, nicht aggressiv-zerstörerisch, zu wehren, wenn sie ungerecht behandelt werden, und sie lernen auszudrücken, was sie ängstigt: Realängste, Bedrohungen, Lebensrisiken, Existenzangst.


Pädagogik und Verwirklichungschancen. Straßenkinderpädagogik trachtet danach, die defizitären, verschütteten und wenig entwickelten Verwirklichungschancen benachteiligter Kinder und Jugendlicher aufzuspüren, zu fördern und zu stärken. An den grundlegenden Befähigungen, die Martha Nussbaum aus menschlichen Wesensmerkmalen abgeleitet hat, kann sich eine Pädagogik für Kinder und Jugendliche der Straße orientieren, wenn sie Bildungs- und Lernangebote für Minderjährige in gesellschaftlichen Rand- und Risikosituationen formuliert. Aus den menschlichen Wesensmerkmalen ergeben sich die Grundbefähigungen natürlich nicht automatisch oder von selbst. Aber sie bilden eine gute Grundlage, um aus ihnen die wichtigsten Ziele auch einer Pädagogik für Kinder und Jugendliche der Straße theoretisch abzuleiten:

- Straßenkinderpädagogik tritt in der Öffentlichkeit für die Rechte der Minderjährigen der Welt in gesellschaftlichen Risikosituationen ein und ruft der Menschheit in Erinnerung, dass sie verpflichtet ist, für ausreichende Ernährung, Gesundheitsfürsorge sowie angemessene Unterkunft der Kinder zu sorgen und sie weltweit vor Gewalt und Übergriffen zu schützen.

- Sie hilft zu verhindern, dass von traumatisierten, vernachlässigten und perspektivlosen Kindern und Jugendlichen Akte der Feindseligkeit und Aggression gegen die Gesellschaft ausgehen.

- Sie ist bestrebt, Kinder und Jugendliche freudvolle Erfahrungen machen zu lassen, und sie bietet Möglichkeiten, Raum und Offenheit, um über zugefügte Schmerzen und erlittene Traumata zu sprechen und sie zu verarbeiten.

- Sie unterstützt und fördert Kinder und Jugendliche darin, alle ihre Sinne lebensdienlich zu gebrauchen, Phantasien zu entwickeln und die intellektuellen Fähigkeiten zu mehren und zu vertiefen. Dabei ist es ihr Ziel, dass alle Minderjährigen den für sie optimalen Bildungsweg beschreiten können.

- Sie ist bemüht, die von den Kindern erlittenen Einschränkungen und Traumata so weit wie möglich aufzufangen und erlittene Defizite durch neue Erfahrungs- und Lernangebote sowie durch die Entfaltung von Gefühlen der Zuneigung, Trauer, Dankbarkeit und Sehnsucht zu kompensieren.


- Sie ermöglicht die Aufnahme und Aufrechterhaltung von lebensdienlichen Beziehungen zu Mitmenschen. Sie fördert Kinder in ihrem Vermögen zu kommunizieren, Freundschaften einzugehen, sich mit anderen zu identifizieren und Achtung zu empfinden. Dabei vertieft sie ihr Bewusstsein, mit der Natur, den Pflanzen und Tieren verbunden zu sein.

- Sie regt die Vorstellung und Entfaltung eines guten Lebens an und zeigt, wie man sich an dessen Prinzipien hält.

- Sie gestaltet Freizeitaktivitäten und schafft Gelegenheiten, damit Kinder und Jugendliche lachen, spielen und sich erholen können.

- Sie ermuntert jedes Kind dazu, sich als Individuum zu verstehen und entsprechend zu leben und zu handeln.
 

Im nächsten Textabschnitt geht es um die Frage, wie Straßenkinderpädagogen mit der Unberechenbarkeit und Unstetigkeit des Lebens auf der Straße zurecht kommen können:

(> Ansatzpunkte der Straßenpädagogik)

Letzte Aktualisierung dieser Seite: 01.11.2012 (s. admin)Online Kompetenz  |  Sitemap  |    |