Afrika
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Länderbericht
(Text: Katrin Rohde aus "MamaTenga"; Fotos: Don Bosco, Bonn)
In Burkina Faso herrscht die Weite und Stille der Sahelzone, ab und an unterbrochen vom Brüllen einer Kuh. Burkina Faso hat keinen Zugang zum Meer, wenig Infrastruktur und kaum Bodenschätze. Im Süden ist der Boden besser, es regnet dort mehr, und es gibt sogar Reisfelder und Zuckerrohrplantagen. Der Großteil der Bauern allerdings kann in der Regenzeit nur Hirse oder Erdnüsse anbauen. Durch die kurze Regenzeit bleibt die Arbeitskraft auf die Grundnahrungsmittel beschränkt, alle Hände des Dorfes müssen sich nun regen.
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Früher brauchten die Bauern hier kein Geld. Salz oder Zucker wurden eingetauscht, die Tücher selbst gewebt, die Medikamente von Heilern hergestellt. Der Umbruch begann mit dem Kolonialsystem, als plötzlich Kopfsteuern auf Menschen und Vieh erhoben wurden. Die Männer konnten ihre Felder nicht mehr bestellen, denn sie wurden von den Kolonialisten zur Zwangsarbeit auf Plantagen und beim Eisenbahnbau ausgehoben. Viele kamen nie zurück. Andere flüchteten in die Nachbarländer, wo Plantagenarbeit besser bezahlt wurde. Da es bis heute in Burkina Faso kaum Fabriken oder Ähnliches gibt, mussten und müssen sie sich an der Elfenbeinküste oder in Ghana auf den großen Kakao- und Kaffeeplantagen verdingen, also weit weg von ihrem Dorf.
In vielen Familien auf dem Lande gibt es auch heute nur alte Männer oder kleine Jungen, die Frauen und Mädchen machen zusätzlich zu ihrer vielen Arbeit in Haushalt und Gemüsegarten auch noch die Feldarbeit. Die Männer kommen vielleicht einmal im Jahr nach Hause.
Rechts und links von den Pisten sieht man die Höfe – wie kleine Festungen mit Zipfelmützen sehen sie aus, denn sie sind ganz und gar von einer Lehmmauer umgeben, die Mossi waren immer ein Volk von Kriegern. Heute ist die Mauer immer noch gut wegen der Schlangen, der fremden Blicke und des Staubsturms. Im Inneren stehen die runden Hütten mit Strohdach und die kleinen, runden Hirsespeicher, deren Dach abnehmbar ist. Diese Höfe beherbergen oft 100 Menschen oder mehr.
Zwischen den Hütten befinden sich die Arbeitsplätze der Frauen, die hochgemauerten Flächen zum Sortieren von Bohnenblättern und zum Sieben der verschiedenen Mehle. Es gibt Plätze zum Hirsestampfen und zum Waschen der Kinder. Jede Frau hat ihre eigenen Tonbehälter für Wasser und ihren eigenen Kochplatz. Diese drei zusammengestellten Steine sind ihr heilig, keine andere Frau außer ihren eigenen Töchtern darf sich ihnen nähern. Will ein Mann sich scheiden lassen, wirft er diese drei Steine vor die Tür – die Frau darf nicht mehr zurück auf ihren Hof. Das Leben auf diesen großen Höfen geht in eindrucksvoller Langsamkeit vor sich – zu heiß ist es, die Arbeit ist hart, die Kräfte müssen über den ganzen Tag eingeteilt werden, das will bedacht sein.
Die Stauseen und Regenauffangbecken, hier Barrages genannt, verteilen sich über das Land. Es gibt nur einen einzigen Fluss, der das ganze Jahr über Wasser führt. In schlechten Regenjahren gibt es in vielen Stadtvierteln in Ouagadougou ab März kaum noch Wasser, jeder, der eine Dusche besitzt, hat immer eine Wassertonne daneben stehen. Nur die Pumpen über 50 Meter Tiefe geben nun noch etwas her. Das Wasser wird doppelt so teuer, das Volk steht in langen Schlangen mit Kanistern, Eimern und Tonnen auf Rädern vor den Wasserstellen. Die Reichen dürfen ihre Swimmingpools nicht mehr auffüllen, Autowaschen ist verboten, und jeder hält sich ein größeres Trinkwasserreservoir in Flaschen. In jedem europäischen Haushalt wird das Wasser ohnehin gefiltert, denn in die Regenauffangbecken fließt der gesamte Dreck der Großstadt Ouagadougou, und die chemische Aufbereitung in den Wasserwerken stößt an ihre Grenzen. Es gibt in dieser Stadt mit 1,2 Millionen Einwohnern, die ständig weiter wächst, so gut wie kein Abwassersystem.
Ist es überhaupt vorstellbar, welche Bedeutung Regen in so einem Land hat? Ende Mai und Anfang Juni betrachtet jeder täglich besorgt den Himmel, ganze Kirchen und Moscheen beten geschlossen um Regen. Wetten werden abgeschlossen. Es ist nun unerträglich heiß, auf den Autos kann man problemlos Spiegeleier braten.
In dieser Hitze gehen Plastikstühle in die Knie, Klebehaken fallen von der Wand, Beschriftungen auf Aktenordnern und Musikkassetten lösen sich ab. Auch die Einheimischen können Hitze in diesem Ausmaß nicht vertragen, trotzdem stehen sie tapfer auf Baugerüsten und in Garküchen, sie schaffen es sogar noch, abends frisch geduscht in den Alphabetisierungsklassen zu erscheinen.
Leider wird gerade bei Wassermangel auch der Strom für ganze Tage abgestellt, die Nächte ohne Ventilator in den aufgeheizten Häusern sind natürlich fürchterlich. Viele der reichen Afrikaner und Europäer haben Stromaggregate, klimatisierte Häuser, Autos und Büros, die Qual dieser Nächte bekommen sie nicht zu spüren.
Alle beten. Wenn dann der Regen kommt, ist die Stimmung im ganzen Land großartig. Es gibt 18 Gewitter gleichzeitig, sofort fällt der Strom aus, das Wasser donnert ohrenbetäubend auf die Blechdächer, jede Unterhaltung ist müßig. Innerhalb von Sekunden muss man vom Moped steigen, denn die Böen sind so stark, dass sie große Plakatwände aus Metall und ganze Handkarren durch die Luft fliegen lassen, Strohdächer und -matten taumeln herum. Wer es nicht mehr bis in eine Hütte geschafft hat, liegt flach auf dem Boden.
So ein heftiger Regenguss dauert zu Beginn der Regenzeit gar nicht so lange, aber anschließend ist die Millionenstadt lahm gelegt. Über Stunden sind die Straßen unpassierbar, der Boden ist so hart gebacken von der Sonne, dass kein Wasser eindringen kann. Man steht vor riesigen Wasserflächen. Neben den Straßen verlaufen gewöhnlich tiefe Wassergräben aus Beton, und niemand will riskieren hineinzufallen.
Möglichst schon vor dem ersten Guss ziehen die Bauern aufs Feld. Mit ihrer kleinen Hacke, der Daba, beginnen sie unerschrocken, Meter um Meter den steinharten Boden aufzulockern, manche haben einen Handpflug mit einem Bullen oder einem Esel davor, doch das ist schon beinahe Luxus. Nun wird jede Hand gebraucht, Kinder, Mütter, selbst Urgroßmütter arbeiten auf den Feldern. So geht es über Stunden und Tage. Es wird wenig gesprochen, die Erde riecht gut, die Hirsekörner werden mit einem Segen in die Erde gebracht, die Familie geht müde nach Hause und betet um mehr Regen – leider bleibt dieser oft aus, und dann? Zeit für eine zweite Saat ist meist nicht gegeben. Das Leben und Überleben in der Sahelzone hängt von vielen Faktoren ab, die permanente Gefahr der Dürre ist nur einer von ihnen. Die Menschen sind es seit Hunderten von Jahren gewohnt und klagen wenig. Und Afrika braucht Zeit. Ein Land wie Burkina Faso, das erst seit 1960 selbständig ist, kann unmöglich, noch dazu unter diesen klimatischen Schwerstbedingungen, in kurzer Zeit zu einem Paradebeispiel werden.
aus dem Buch "Mama Tenga - Mein afrikanisches Leben" von Katrin Rohde, erschienen 2002
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