Afrika
- Etnien. Kultur
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Ethnien. Kultur (Text: Katrin Rohde; Foto: Maren Basfeld)
Ethnien Jede der vielen Ethnien in Burkina Faso – man sagt, es seien etwa 60 – hat ihre eigene Kultur und Sprache, eigene Sitten und Gesetze. Heilige Rituale allerdings trifft man in einer jeden an. Opfer müssen auf Altären gebracht werden, und die Seher verkünden das Urteil.
Kulturelle Aspekte Von jeher und noch immer werden viele Entscheidungen durch Zauber oder Fetisch herbeigeführt. Die gewaltigen Naturereignisse und die vielen harten Schicksalsschläge verlangen nach Erklärungen. Diese Erklärungen werden bei den Animisten aus dem Brauchtum heraus von Sehern und Orakelpriestern gegeben.
Bei den Christen und den Muslimen, vornehmlich bei diesen, überlässt man jede Entscheidung Gott. »Das Gericht findet nicht auf dieser Welt statt«, heißt es dort. Bescheidenheit, Demut, Langmut, Zuversicht – Worte, die im europäischen Alltag kaum noch zu finden sind, hier in Afrika machten sie die Basis des Lebens aus. Leben heißt hier Glaube und Religion. Jeder hat seinen kleinen Platz vor dem Haus, der Innenhof ist ständig belebt, bis in die Nacht hinein von vielen Freunden besucht. Das Leben findet öffentlich statt. In diesem Land ist das Verzeihen geboren worden. Rat wird hier freigebig verteilt und auch angehört, schon aus Respektsgründen.
Was Achtung und Respekt und Höflichkeit angeht, ist Burkina Faso sicherlich ein kleines Paradies. Die Achtung ist bei den Mossi schon in der Tradition begründet, jahrhundertelang begrüßte man die Alten und die Könige hier auf den Knien, viele tun es heute noch.
Diese schöne Höflichkeit, gemischt mit der unbändigen Lebensfreude, ist ein wahrer Grund, in diesem Land alt werden zu wollen. Ich habe schon afrikanische Minister am Handy zusammenknicken sehen, wenn ihre Väter am anderen Ende des Telefons waren. Ja, hier muss ein Sohn normalerweise machen, was der Vater sagt, auch wenn der Sohn vielleicht 60 und sein Vater 80 Jahre alt ist, so gehört sich das!
Meistens gibt es keine Asphaltstraße, sondern nur eine Piste, durchlöcherte Sandstraßen, deren Oberfläche die Form von Wellblech hat. Da es zur Regenzeit sonst kein Durchkommen gibt, sind die meisten dieser Pisten hochgelegt, das heißt, auf beiden Seiten geht es einen bis drei Meter abwärts, bei Unfällen überschlagen sich die Autos meist mehrfach.
Es gibt eine Ordnung hinter dem Chaos. Oft scheinen alle jeweils wild durcheinander zu laufen, aber das ist ein großer Irrtum. Bei den ausgelassensten Tänzen gibt es immer einen Mann, der verantwortlich für alles ist. Er spielt meistens die Lunga, eine kleine Trommel, die tatsächlich Worte formen kann, er quetscht sie unter seinem Arm und erreicht damit verschiedene Tonhöhen, die Lauten gleichen. Damit bestimmt er deutlich, wer und zu welcher Zeit welchen Tanz beginnt, er kann sogar die Namen aufrufen. Der aufwirbelnde Staub, dahinter die untergehende Sonne, das wilde Stampfen, die hoch trillernden Frauen, die springenden Männer, alles scheint ein einziges Chaos zu sein.
Tagesablauf in Burkina Faso Der Tag beginnt mit dem Fegen, das typische Geräusch der kleinen, harten Handbesen aus Stroh. Gegen sieben Uhr verlassen die Männer den Hof. Sie nehmen ihre Mopeds oder Fahrräder nachts mit in die Hütten, sonst wird alles gestohlen, selbst Wäsche verschwindet von der Leine.
Nun werden die Kinder auf den Weg zur Schule gebracht, ganz wie in Europa, nach einem Teller Grütze und ermahnenden Worten und einem ermutigenden Klaps – übrig bleiben die kleinen Kinder des Hofes und die Mütter, die zur Tagesarbeit übergehen.
Alle Frauen stellen etwas her. Sie weben oder machen Seife, backen Hirsekekse oder machen ausgebackene Krapfen in Ölteig. Ihre Waren verkaufen sie am Straßenrand um die Ecke.
Kulturelle Fragen Warum tragen diese vier Frauen die gleichen Kleider? Sie haben den gleichen Mann, der ihnen gemeinsam einen Stoffballen geschenkt hat, und demonstrieren in dieser Form ihren Familiensinn.
Warum darf ein Mann bei den Mossi seine Frau nicht mit ihrem Vornamen anreden? Aus Gründen des Respekts – vor der Heirat ist es noch möglich, aber danach nicht mehr. Selbst Schwiegereltern werden hier noch in der zweiten Person Plural angeredet.
Warum haben so viele Menschen kleine Narben unter dem linken Auge? Der Flug eines Nachtvogels kann eine unheilbare Krankheit bei Schwangeren und Kindern auslösen – durch diesen Schnitt wird er abgewehrt.
Umgangsformen Die Kleidung und der Mensch darin müssen stets fleckenlos sauber sein, jeder gute Muslim wischt über eine Bank, bevor er sich setzt. Ein jeder soll den anderen aufmerksam machen: Hat jemand sich vor dem Gebet vielleicht die Füße nicht korrekt gewaschen? Bei Streit kommt sofort ein Schlichter, was heißt einer? Alle versuchen stets Ruhe zu bewahren und auch bei anderen darauf zu achten. Die Stimme wird nicht erhoben. Das Alter wird grundsätzlich respektiert. So soll ein muslimisches Leben aussehen. Ein afrikanisches Haus muss beständig geputzt werden, nur zu schnell gibt es Kakerlaken, Mäuse, Flöhe, Wanzen und eben jene Moskitos, die Malaria übertragen.
Die Mossi Dorffest bei den Mossi: Musiker, Stelzenläufer, singende Schulklassen, Abgeordnete, Polizeikommandanten, Trommler, Tänzer, andere Dorfchefs und Frauendelegationen waren zusammengekommen unter den hohen Bäumen mitten im Nirgendwo. Es hagelte Geschenke; lebende Schafe, gewebte Stoffe, Holzfiguren und gackernde Hühner nahm ich in Empfang. Kolanüsse sind das traditionelle Gastgeschenk in Westafrika. Die Sprache der Mossi ist höflich und respektvoll.
Die Fulbe Sie kommen aus dem Volk der Fulbe und sehen ganz anders aus als die hier beheimateten Mossi. Ihre Haut ist hell, und sie tragen die edlen Gesichtszüge dieses alten Nomadenvolkes, das heute keinen Platz mehr findet für seine Viehbestände. Vor etlichen Jahrhunderten zogen diese Menschen auf der Suche nach Weideland und Wasserstellen durch ganz Westafrika, deshalb sind sie heute in rund 20 Ländern ansässig. In allen modernen afrikanischen Staaten, in denen sie leben, stellen die Fulbe eine Minderheit dar.
Inzwischen gibt es unter ihnen viele sesshafte Familien, doch auch sie züchten in erster Linie Vieh, allerdings sind ihre Herden klein. Das Rindfleisch spielt dabei für die Fulbe keine Rolle, aber das Prestige und das Einkommen durch den Verkauf sind die Lebensgrundlage eines Mannes.
Die Frauen hingegen verwerten die Milch. Über die Einkünfte aus dem Handel mit daraus hergestellter Sauermilch und Butter entscheiden sie selbst. Zu Geburt und Hochzeit bekommt eine Fulbefrau Kühe geschenkt, ökonomisch ist sie oft unabhängig. Auch Feldarbeit muss sie nicht verrichten. Die Frauen der Fulbe sind in jeder Hinsicht weniger dem Druck der Hierarchie ausgesetzt als die sonst hier sesshaften Völker. Sie gelten als freier und als weniger unterdrückt.
Wie für die allermeisten afrikanischen Frauen liegt der Sinn ihres Lebens darin, Mutter möglichst vieler Kinder zu sein. Bei den Fulbe allerdings wird auch große Betonung auf die Schönheit einer Frau gelegt. Hände und Füße werden mit Henna in wunderschönen Mustern eingefärbt, Fußreifen klingeln, die graziöse Haltung des Halses wird mit vielerlei Ketten betont. Oftmals stellen die Frauen die Schönheit ihrer kompliziert geflochtenen Haare stolz zur Schau – eine Tradition, die heute nur noch zu bestimmten Anlässen oder in sehr isoliert lebenden Gruppen auflebt. Die Pracht der Frisur spiegelt die herausragende Stellung der Frau in ihrer Gesellschaft wider. Schon von weitem ist daran erkennbar: Ist sie heiratsfähig? Wie viele Kinder hat sie?
aus dem Buch "Mama Tenga - Mein afrikanisches Leben" von Katrin Rohde, erschienen 2002
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