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Afrika

Straßenkinder in Simbabwe
(Maren Basfeld, März 2011)

Inhalt
Zahlen und Fakten
Verlassen der Familie
Tätigkeiten auf der Straße
Orte des Überlebens
Dauer des Straßenlebens
Krankheiten
Drogenkonsum
Sexualität
Alphabetisierung
Institutionen
Links und Literatur

Zahlen und Fakten

Ein Großteil der Straßenkinder Simbabwes lebt in den Städten Harare und Bulawayo. Ihre Zahl wird auf mindestens 5000 bis 10000 geschätzt. Das Phänomen Straßenkinder ist in Simbabwe nicht neu. Bereits aus den 1920er Jahren gibt es Berichte aus der kolonialen Administration, die vereinzelt von "vagabundierenden Kindern" auf den Straßen in der Nähe von Farmen und Minen berichten. Obdachlose Mädchen arbeiteten tagsüber in weißen Haushalten oder dienten als Sexpartner schwarzer Minenarbeiter in den Unterkünften. Immer noch werden, wie vor den Wahlen 2008, Tausende Kinder vertrieben. Auf der Flucht nach Südafrika verlieren sie oft ihre Eltern und leben dann für kurze Zeit auf den Straßen Harares, bis es ihnen gelingt, das Land zu verlassen. Mitunter werden sie von den Ordnungskräften eingefangen. Dann setzt man sie auf Farmen oder in den Militia Camps als Zwangsarbeiter und Kindersoldaten ein. Nach Sicht der Regierung gehören sie zum „Abschaum" der Gesellschaft, genau so wie die Bewohner der Slums (vgl. http://www.cyc-net.org/cyc-online/cycol-1201-bourdillon-I.html). Seit 2005 sind die Armen durch Maßnahmen wie „Marumbatsvina", die die Menschenrechte verletzen, immer wieder radikalen Übergriffen und Vertreibungen durch die ZANU-PF ausgesetzt. Ihre Behausungen werden zerstört, die Familien und ihre Kinder vertrieben.

Fast die Hälfte der Straßenkinder in Simbabwe sind zwischen 11 und 15, nahezu 30 Prozent zwischen 16 und 18 Jahre alt. Kinder im Alter von sechs bis zehn Jahren machen 22,1 Prozent aus, und 5 Prozent der Kinder sind unter fünf Jahren alt (Zahlen nach UNICEF, 2001, siehe A Study on street children in Zimabwbe, S. 93, http://www.unicef.org/evaldatabase/files/ZIM_01-805.pdf). 55,9 Prozent der auf der Straße lebenden Kinder und Jugendlichen stammen aus einem der Slums, die die Städte umgeben. 38,3 Prozent kommen vom Land (vgl. UNICEF (2001); S. 95).

Die Zahl der Kinder und Jugendlichen auf der Straße stieg in den letzten Jahren stark an. Sie leben zwar zu Hause in den umliegenden Townships oder auf dem Land, verdienen aber nach der Schule oder in den Ferien ein Taschengeld hinzu, um ihre Familien zu unterstützen. Die Gründe, weshalb sie auf die Straße gehen, sind ähnlich denen der Kinder und Jugendlichen, die permanent auf der Straße leben und arbeiten. Erschwerend kommt hinzu, dass 70 Prozent der auf der Straße lebenden Kinder und Jugendlichen keine Geburtsurkunden und Ausweise besitzen, so dass sie auch nicht auf legalem Weg ausreisen, sich an Schulen und Universitäten bewerben oder um eine Arbeitsstelle bemühen können (vgl. http://www.streetchildren.org.uk/_uploads/downloads/IDC_enquiry_Zimbabwe_CSC_comments_Jan_2010.pdf).

Verlassen der Familie
Die Gründe für das Verlassen der Herkunftsfamilie sind vielfältig. Unterstützung der Eltern in extremer Armut (35,3 Prozent), Suche nach einer Arbeitsstelle (7,3 Prozent), Missbrauch (18,3 Prozent), Vertreibung, Konflikte mit dem Gesetz (6,4 Prozent) und Verwaisung etwa durch den Aidstod der Eltern (30,7 Prozent) veranlassen die Kinder und Jugendlichen in Simbabwe, ihre Familien zu verlassen und in den Straßen der großen Städte zu leben (vgl. http://www.cyc-net.org/cyc-online/cycol-0102-bourdilon-II.html und Zahlen aus der Studie von UNICEF (2001), S. 98). Die wirtschaftliche und politische Situation zwingt Tausende Familien, aus ihrer Heimat zu fliehen. Sie sehen in den Städten ihre letzte Chance, der Armut und Gewalt zu entkommen. Genauso ergeht es den Kindern und Jugendlichen, die die Hoffnung auf ein besseres Auskommen in die Städte zieht. Die extreme Armut, in der mehr als 80 Prozent der Menschen in Simbabwe leben müssen, die Arbeitslosigkeit von 90 Prozent, lange Dürreperioden und die seit Jahren anhaltende Inflation bedrohen ihr Überleben. Kinder und Jugendliche gehen nicht mehr zur Schule, sie sind bereit, jede Arbeit zu verrichten, nur, um sich und ihre Familie am Leben zu erhalten. (http://www.streetchildren.org.uk/_uploads/downloads/IDC_enquiry_Zimbabwe_CSC_comments_Jan_2010.pdf).

Die Vertreibungen von mittellosen Bauern und Slumbewohnern seit der Jahrtausendwende erzeugt in Simbabwe eine massive Binnenflucht. Die schwerwiegenden Folgen wie Hunger, Obdachlosigkeit und Gewalt bekommen vor allem die Kinder zu spüren. Sie müssen erleben, wie sie aus ihrer Heimat vertrieben werden, wie die ZANU-PF sie und ihre Eltern brutal bedroht, wie sie geschlagen und vergewaltigt werden. Selbst Kinder werden gefoltert und verschleppt, um als Farmarbeiter oder Kindersoldaten Dienst zu leisten. Vielen wird die Straße zur Heimat und zum Ort des Überlebens (vgl. http://news.bbc.co.uk/2/hi/africa/8538587.stm).

Tätigkeiten auf der Straße
Wie in anderen Ländern des südlichen Afrikas überleben die Kinder der Straße in Simbabwe durch verschiedene Tätigkeiten. Einer Studie von UNICEF (2001) über Straßenkinder in Harare und Bulawayo zufolge gehen 45,7 Prozent betteln, 21,2 Prozent weisen Autos in Parklücken ein, 1,2 Prozent werben Passagiere für Sammeltaxifahrten, 13,1 Prozent waschen Autos, 4,1 Prozent führen blinde Bettler durch die Straßen und 14, 7 Prozent verkaufen Waren wie Obst, Gemüse, Süßigkeiten und Zigaretten (Angaben nach UNICEF) A study on street children in Zimbabwe, http://www.unicef.org/evaldatabase/files/ZIM_01-805.pdf, S. 93). Das Sammeln von Schrott und Papier stellt ein weiteres Geschäft dar.

Verarmte Familien und Kinder der Straße durchsuchen Müllkippen nach Knochen, Pappe und Schrott, den sie verkaufen oder gegen Lebensmittel tauschen. Die Müllkippen werden in den letzten Jahren zunehmend auch Beschaffungsort für Essbares. Im Zuge der Hyperinflation haben fast zwei Drittel der Menschen ihre Arbeit und sämtliche finanzielle Rücklagen verloren. Wer keine Familienangehörigen im Ausland hat, ist, wenn er nicht verhungern will, auf die Müllkippen angewiesen. In sengender Hitze oder bitterer Kälte im Winter durchsuchen Kinder mit ihren Familien die stinkenden Halden nach Verwertbarem (http://news.bbc.co.uk/2/hi/africa/8538587.stm).

Auf dem Land, wo Fremdwährung nicht zu bekommen ist, geschweige denn als Zahlungsmittel gilt, wird Brot in Gold (0,1 Gramm) bezahlt. Deshalb durchwühlen die Menschen die Ufer der Flüsse in der Hoffnung, zumindest ein Zehntel Gramm Gold zu finden, um am Abend ein Laib Brot auf dem Tisch zu haben. Diese harte Arbeit wird Kindern und Jugendlichen schnell zu viel. Die Stadt und die Straße locken mit scheinbar einfacherem Auskommen und der Möglichkeit, mit weniger Mühe Geld verdienen zu können (vgl. http://www.guardian.co.uk/world/video/2009/feb/11/zimbabwe-gold-panning-starvation-food).

In Harare sieht man selten auf der Straße lebende Mädchen. Sie bleiben als Prostituierte „unsichtbar", Oft kann man Mädchen, die vermisst werden, auf dem Sexmarkt wiederfinden. Sie sind permannter Gewalt, Krankheiten und einem hohen Schwangerschaftsrisiko ausgesetzt (vgl. http://www.cyc-net.org/cyc-online/cycol-0102-bourdilon-II.html).

Orte des Überlebens
Auf den Straßen, in Ladeneingängen, Parks oder Bahnhöfen nächtigen diejenigen Straßenkinder, die keine feste Behausung haben. Decken, Pappe oder Plastikplanen dienen ihnen als Matratzen und Decken. Manche können sich die Miete für eine schäbige Hütte am Stadtrand leisten. Sie schlafen dort auf engstem Raum, sind einigermaßen sicher vor Regen und Kälte. Andere bauen sich aus Planken, Wellblech und Plastik kleine instabile Unterkünfte, die leicht von Wind, Regen oder Polizisten und Soldaten der ZANU-PF zerstört werden. Seit den Vertreibungen und zunehmender Verarmung wächst eine zweite Generation von Straßenkindern heran. Sie werden auf der Straße geboren und wachsen dort auf. Täglich sind sie Gewalt, Missbrauch, Vertreibung, extremer Armut und Hunger ausgesetzt. Sie überleben, indem sie Drogen konsumieren (vgl. http://www.sokwanele.com/articles/zimbabwesstreetkids_10122007).

Straßenkinder „verschandeln" das Bild der Städte und der Gesellschaft. Sie zeigen, dass es die Regierung nicht schafft, sie in die Gemeinschaft zu integrieren. Deshalb fallen Polizisten und Soldaten nachts über sie her und schlagen sie brutal zusammen, um sie zu vertreiben (vgl. http://www.cyc-net.org/cyc-online/cycol-0102-bourdilon-II.html).

Dauer des Lebens auf der Straße
Der zitierten Studie von UNICEF zufolge leben die meisten Kinder und Jugendlichen (etwa 40 Prozent) ein bis drei Jahre auf der Straße. 18,5 Prozent halten sich dort weniger als sechs Monate, 23,9 Prozent bis zu einem Jahr, 11,9 Prozent vier bis sechs Jahre, 4,1 Prozent sieben bis zehn und 2,1 Prozent mehr als 11 Jahre auf (vgl. UNICEF (2001), S. 94, http://www.unicef.org/evaldatabase/files/ZIM_01-805.pdf). Je länger sie auf der Straße leben, umso schwieriger fällt es ihnen, sich wieder in die Gesellschaft zu integrieren (vgl. u.a. http://www.cyc-net.org/cyc-online/cycol-0102-bourdilon-II.html).

Krankheiten
Die Lebensumstände und der Drogenkonsum auf der Straße führen zu schweren Schädigungen von Leib und Seele. Gewalt und Ängste beeinträchtigen die psychische Gesundheit. Das Risiko, sich auf der Straße mit HIV und Aids oder mit anderen sexuell übertragbaren Krankheiten anzustecken, ist sehr hoch. Ein Viertel aller Kinder sind Aidswaisen. Insgesamt leben in Simbabwe 6 175 000 Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren. Davon sind 1 706 000 unter 5 Jahren alt. Viele der 1,6 Millionen Waisen sind HIV positiv (http://www.weltbevoelkerung.de/info-service/land.php). Familienangehörige nehmen sie, wenn irgend möglich, bei sich auf.

100 000 Waisen leben in Kinderfamilien, ganz auf sich allein gestellt (UNICEF, 2007). Meist werden diese Kinder vertrieben, geächtet und nicht selten missbraucht. Kinder und Jugendliche, die ihre Eltern wegen HIV und Aids verloren haben, sind schwer stigmatisiert und werden wie Aussätzige behandelt. Sie sind zu schwach, sich gegenüber den Erwachsenen behaupten zu können. Um sich vor dem drohenden Hungertod zu retten, verlassen sie ihr Zuhause und suchen ein Auskommen auf den Straßen der Städte. Die Mädchen gehen der Prostitution nach, um ihre kleinen Geschwister durchzubringen und um Lebensmittel oder Medikamente bezahlen zu können (vgl. http://news.bbc.co.uk/2/hi/africa/8538587.stm).

Drogenkonsum
Drogen, die auf der Straße konsumiert werden, sind vor allem Alkohol, glue (Kleber) und Mbange (Marihuana), seltener Kokain oder Heroin, da diese teuer und für Straßenkinder unerschwinglich sind. Insgesamt Fast 80 Prozent der Straßenkinder konsumieren regelmäßig Drogen (vgl. UNICEF (2001), S. 96). Damit kämpfen sie gegen Kälte, Hunger und ihre Ängste an.

Sexualität
Nach der Studie von UNICEF gaben 26,2 Prozent der Kinder und Jugendlichen auf der Straße an, in den letzten sechs Monaten Geschlechtsverkehr gehabt zu haben. 43,8 Prozent von ihnen mit einem Partner. Die Hälfte derjenigen, die Geschlechtsverkehr hatten, waren zwischen 11 und 15 Jahren, 38,5 Prozent zwischen 16 und18 Jahren und 10,8 Prozent zwischen 6 und 10 Jahren alt. Mehr als die Hälfte der Straßenkinder erleiden regelmäßig sexuellen Missbrauch (nach UNICEF (2011), S. 97).

Alphabetisierung
Die Alphabetisierungsrate in Simbabwe ist mit über 80 Prozent vergleichsweise hoch und eine der besten in Afrika. 38,2 Prozent der Straßenkinder haben eine abgeschlossene Grundschulbildung und obendrein ein bis drei Jahre eine Sekundarschule besucht. Etwa ein Viertel der Straßenkinder (25,5 Prozent) besuchte nie eine Schule, und 4,8 Prozent haben sogar die Sekundarschule abgeschlossen (nach UNICEF (2001), S. 96).

Institutionen
„Streets ahead"
ist eine NGO, die sich seit 1991 in Harare der Straßenkinder annimmt. Straßensozialarbeit in Harare, ein Heim für Waisenkinder, psychologische Betreuung, Integrations- und Entzugsprogramme sind einige der Angebote des Projektes. Die Website www.streetahead.co.zw ist derzeit im Netzt nicht verfügbar.

„Street child Africa Harare" ist ein weiteres Drop-In Centre. Es bietet medizinische und psychologische Betreuung sowie Straßensozialarbeit und Heimunterbringung. „Street Child Africa" rief mehrer Projekte dieser Art in ganz Afrika südlich der Sahara ins Leben. Website: http://www.streetchildafrica.org.uk/.

Weitere Institutionen in Harare:
Harare Shelter for the Destitute
Harare City Council/Harare Street Children’s Organisation
Street Kids In Action
Shungu Dzevana
Jesuits’ Project
City Presbyterian Church
Compassion Ministries

In Bulawayo:
Department of Social Welfare,
The Bulawayo Task Force on Street Children
Scripture Union Thuthuka Street Children’s Project
Emthunzini Wethemba
Khayelihle Children’s Village

Links und Literatur
http://www.streetchildren.org.uk/_uploads/downloads/IDC_enquiry_Zimbabwe_CSC_comments_Jan_2010.pdf  (zugegriffen am 15.03.2011).
http://www.unicef.org/evaldatabase/files/ZIM_01-805.pdf (zugegriffen am 15.03.2011).
http://news.bbc.co.uk/2/hi/africa/8538587.stm (zugegriffen am 22.02.2011).
http://www.newsfromafrica.org/newsfromafrica/articles/art_869.html (zugegriffen am 22.02.2011).
http://www.guardian.co.uk/world/video/2009/feb/11/zimbabwe-gold-panning-starvation-food (zugegriffen am 22.02.2011).
http://www.cyc-net.org/cyc-online/cycol-1201-bourdillon-I.html (zugegriffen am 22.02.2011).
http://www.cyc-net.org/cyc-online/cycol-0102-bourdilon-II.html (zugegriffen am 22.02.2011).
http://www.sokwanele.com/articles/zimbabwesstreetkids_10122007 (zugegriffen am 22.02.2011).
http://www.streetchildafrica.org.uk/ (zugegriffen am 22.02.2011).
http://www.youtube.com/watch?v=ASvOVN5SvcE "street kids” von Oliver Mtukudsi (zugegriffen am 01.12.10).
http://www.zimbabwedemocracynow.com/galleries/photo-library/street-kids/

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