Freizeitverhalten, Ernährung (Markus Wiencke)
Kino In Mwanza gibt es mehrere "Kinos". Das sind Räume, in denen ein Fernseher mit Videorecorder steht und in denen grundsätzlich amerikanische Actionfilme oder Kung Fu-Filme gezeigt werden.
Die Straßenkinder gehen vor allem in die beiden zentral gelegenen Kinos in der
Uhuru Road und einer ihrer Seitenstraßen. Mein Eindruck ist, dass hauptsächlich
Jungen hierhin gehen. Für Kinder beträgt der Eintritt 50 TS, für Jugendliche 100 TS (also etwa 0,06 bzw. 0,12 €). Es gibt hier täglich zwei Vorstellungen, eine nachmittags
und eine am frühen Abend, die gut besucht sind. Die Leute sitzen auf einfachen Holzbänken, einige müssen stehen. Die Filme werden im Original gezeigt, oft mit Untertiteln in Kisuaheli.
Im Leben der Straßenjungen hat das Kino eine wichtige Bedeutung. In den Filmen
werden Kampfszenen mit starken Einzelkämpfern gezeigt, die Kraft und Souveränität
symbolisieren. Gesten und Verhaltensmuster werden adaptiert und tragen zur
Identitätsbildung bei. Als ich Jugendliche fotografiert habe, nahmen sie oft Posen ein,
die sie aus Action- und Kung Fu-Filmen kannten. Als ich einen Jugendlichen gebeten habe, typische Alltagsszenen aus der Lebenswelt der Straßenkinder zu zeichnen, hat er auch Actionhelden wie Rambo oder Terminator abgebildet.
Strand Der Strand ist ein wichtiger Aufenthaltsort, nachts zum Schlafen, tagsüber zum Erholen. Hier findet man immer Straßenkinder beiderlei Geschlechts, die baden, angeln, waschen, kochen, Marihuana rauchen, spielen, im Sand liegen oder sich unterhalten. Meistens wird Fußball mit einem aus Bändern recycleten Ball gespielt, den man für 300 TS (etwa 0,36 €) am Kiosk kaufen kann. Oder, wenn es keinen Ball gibt, mit einer Blechdose. Der Strand ist eine Rückzugsmöglichkeit vom hektischen Treiben in der Stadt.
Ernährung Viele Straßenkinder essen die Reste in den Töpfen oder auf den Tellern, die sie in den vielen kleinen Restaurants für 100 TS (etwa 0,12 €) bekommen. Das ist die die Haupternährungspraxis.
Eine andere Möglichkeit ist, Abfälle auf den Märkten oder im Hafen zu suchen oder zu kaufen und sie roh zu essen oder selbst irgendwo mit anderen Straßenkindern zu kochen. Außerdem werden im See Fische geangelt.
Manchmal bekommen die Kinder und Jugendlichen auf der Straße auch Brot, Früchte oder Kekse geschenkt. Insgesamt ist die Ernährung mangelhaft. Viele Interviewpartnerinnen und -partner haben mich darauf hingewiesen, dass sie oft mehrere Tage ohne Nahrung auskommen müssen.
(vgl. Markus Wiencke: Strassenkinder in Tansania, Weissensee Verlag, Berlin 2009)
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